Eine klare Nachfolgeregelung signalisiert Verantwortung und vorausschauendes Handeln, was sowohl den Mitarbeitenden als auch den Kunden Vertrauen gibt, schreibt Aquila-CEO Vivien Jain in einem Gastbeitrag auf finews.ch.
Es gibt Themen, die wir lieber aufschieben, weil sie unangenehm sind – wie die Patientenverfügung oder der Vorsorgeauftrag. Wir wissen, sie sind wichtig, aber solange kein akuter Handlungsbedarf besteht, neigen wir dazu, sie zu ignorieren.
Ähnlich verhält es sich beim Generationenwechsel in der Vermögensverwaltung. Viele Vermögensverwalter nehmen das Thema zwar wahr, handeln aber nicht – bis es zu spät ist. Das hat schwerwiegende Folgen für das eigene Unternehmen und die Kundenbeziehungen.
Warum es so schwerfällt, aktiv zu werden
Unangenehme Themen wie der eigene Generationenwechsel werden gerne verdrängt. Solange die eigene Gesundheit stabil ist, scheint es nicht dringend, sich um Stellvertretungen oder Nachfolgen zu kümmern. Doch was passiert, wenn der Ernstfall eintritt und keine klare Regelung existiert? Dies ist nicht nur für das Unternehmen riskant, sondern auch für die Kunden belastend, die auf eine geregelte Nachfolge angewiesen sind.
Für viele Vermögensverwalter ist der Druck von aussen entscheidend. Oft braucht es einen Anstoss durch Dritte – sei es ein Kollege, ein Berater oder eine Institution – um das Thema in Angriff zu nehmen. Denn wenn die Kunden nicht nachfragen und es gesundheitlich keinen Grund zur Sorge gibt, gerät der Generationenwechsel schnell in Vergessenheit.
Generationenwechsel: Zwei Seiten der Medaille
Es ist wichtig, den Generationenwechsel sowohl aus der Perspektive der Vermögensverwalter als auch der Kunden zu betrachten. Während viele Verwalter keinen direkten Kontakt zu den Nachkommen ihrer Kunden haben, ignorieren sie gleichzeitig die sich verändernden Anforderungen der jüngeren Generation. Dies führt dazu, dass sie für diese nachfolgende Generation nicht attraktiv sind.
Die Anforderungen an die Vermögensverwaltung haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Junge Menschen legen Wert auf digitale Lösungen, Transparenz und nachhaltige Anlagestrategien. Sie sind oft stark von der Informationsflut betroffen und haben deshalb ein grösseres Bedürfnis nach klaren Antworten und verständlichen Erklärungen. Wer diese Bedürfnisse nicht erkennt oder darauf eingeht, läuft Gefahr, eine ganze Generation potenzieller Kunden zu verlieren.
Von der Stellvertretung zur Nachfolge
Ein geregelter Generationenwechsel beginnt bei der Stellvertretung und ist unabhängig vom Alter. Wer übernimmt die Geschäfte, wenn der Inhaber plötzlich ausfällt? Auch die langfristige Nachfolge muss rechtzeitig geplant werden, um Kundenbeziehungen zu sichern. Viele Vermögensverwalter lassen hier wertvolle Zeit verstreichen – ein Fehler, der sich vermeiden liesse.
Eine vorausschauende Planung kann nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die Kunden entlasten. Es geht darum, klare Strukturen zu schaffen, sowohl intern als auch extern, und mögliche Nachfolger frühzeitig einzubinden. Genauso wichtig ist es, die Bedürfnisse der nächsten Generation von Kunden zu verstehen und auf sie einzugehen.
Chancen des Wandels
Ein gut geplanter Generationenwechsel muss kein schmerzhafter Prozess sein – im Gegenteil, er bietet grosse Chancen. Wer frühzeitig handelt, kann nicht nur frischen Wind ins Unternehmen bringen, sondern auch neue Kunden gewinnen. Eine klare Nachfolgeregelung signalisiert Verantwortung und vorausschauendes Handeln, was sowohl den Mitarbeitenden als auch den Kunden Vertrauen gibt.
Der Kontakt zu jüngeren Kunden und deren Nachkommen ist ebenso wichtig. Wer sich den Bedürfnissen der jungen Generation verschliesst, wird langfristig an Relevanz verlieren. Hier besteht die Möglichkeit, neue, moderne Dienstleistungen zu entwickeln, die den Anforderungen dieser Zielgruppe gerecht werden.
Zeit zu handeln
Der Generationenwechsel in der Vermögensverwaltung ist unvermeidlich. Wer ihn verschläft, gefährdet nicht nur sein eigenes Unternehmen, sondern auch die Kundenbeziehungen. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen – nicht nur für sich selbst, sondern auch im Interesse der Kunden. Dabei gilt: Es ist nie zu früh, um zu handeln. Der richtige Zeitpunkt ist immer jetzt.
Vivien Jain ist CEO der Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaft Aquila. Die 40-jährige Juristin arbeitet seit 2014 für das Unternehmen und übernahm schrittweise mehr Verantwortung in den Bereichen Legal, Compliance und Risk, bevor sie 2016 in die Geschäftsleitung aufstieg. Die kanadisch-schweizerische Doppelbürgerin mit indischen Wurzeln war zuvor auch für die Beratungsfirma PwC tätig. Aquila verwaltet mit ihren rund 90 Partnerfirmen ein Kundenvermögen von mehr als 22 Milliarden Franken.