Ein Problem, mit dem sich die Schweiz – notabene auch Europa – schwertut, ist die ständige Fixierung auf die USA, ungeachtet der jeweiligen Regierung. Dies offenbarte sich auch im Vortag von Kevin Roberts, einem früheren CEO diverser Konsumgüter- und Werbeunternehmen, der am zweiten Tag in seinem Vortrag viele vermeintliche Weisheiten aus der Managementwelt hinterfragte, letztlich aber doch nur Trumps Narrativ übernahm, aus dem Roberts dann ableitete, aus MAGA (Make America Great Again) eben MEGA (Make Europe Great Again) zu machen.

Wohin die Reise gehen könnte und wohl auch gehen sollte, skizzierte stattdessen Arancha González Laya und lieferte damit vielleicht den besten Beitrag früh morgens am zweiten Tag der Luzerner Veranstaltung. Die ehemalige spanische Aussenministerin und plädierte ihrer packenden Rede dafür, die derzeit globale Instabilität als Chance zu packen, um neue Beziehungen einzugehen.

Denn, «es findet jetzt keine De-Globalisierung statt», betonte die Ökonmin entschieden. Sie räumte zwar Verschiebungen in der «Geographie des Handels» ein, wies aber anhand von neusten Zahlen, dass der Welthandel nicht abgenommen habe.

Europäische Stärke

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Arancha González Laya, Ökonomin (Bild: finews.ch)

Vor diesem Hintergrund forderte sie Europa – mitsamt der Schweiz – dazu auf, sich verstärkt auf mehr Unabhängigkeit im Systemwettbewerb zwischen den USA und China zu besinnen, die eigene Sicherheit selbst an die Hand zu nehmen und den wirtschaftlichen Ausbau zusätzlich mit Regionen und Institutionen, namentlich in Asien und Lateinamerika, zu fördern und zu erweitern. Nur so könne der «Alte Kontinent» dem Druck der Supermächte widerstehen und sich nicht auseinander treiben zu lassen.

«Unsere europäische Stärke ist, zusammenzuhalten», sagte González und warnte davor, sich im internationalen Handel zwischen Freunden und Feinden zu unterscheiden. «Darum geht es im internationalen Handel nicht. Dieser beruht auf wirtschaftlicher Logik», sagte die heute in Paris tätige Professorin. Nur aus einer eigenen, unabhängigen Position der Stärke und Unabhängigkeit könne sich Europa die geopolitischen Veränderungen zunutze machen.

Lob auf die Kleinstaaten

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R. James Breiding, Autor (Bild: Lucerne Dialogue)

González’ Voten lassen auch leicht den Umkehrschluss zu, wonach ein starkes, selbstbewusstes und unabhängiges Europa auch für die Schweiz attraktiver wäre, so dass sich die bilateralen Diskussionen und Verhandlungen unter anderen Gegebenheiten führen liessen. Unter diesen Prämissen gefiel auch die Präsentation von R. James Breiding, einem früheren Banker, der heute als Unternehmer und Autor tätig ist. Von ihm stammt auch das Buch «Too Small to Fail: Why Some Small Nations Outperform Larger Ones».

Er ging in seinem Vortrag auf diese Stärken von Kleinstaaten ein, verbunden mit der Frage, welchen nachhaltigen Beitrag sie zur (Mit-)Gestaltung der Geopolitik leisten könnten. Breiding hob dabei die Vertrauenswürdigkeit vieler Regierungen in Kleinstaaten wie Dänemark, Liechtenstein, der Schweiz oder Singapur hervor – ihre Politik der «guten Dienste», nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund gut ausgebildeter Staatsbeamten.

Paradebeispiel Singapur

Als Paradebeispiel gilt in diesem Zusammenhang der südostasiatische Stadtstaat Singapur, dem es gelungen ist, seit seiner Gründung 1965 einen Balanceakt zwischen den USA und China zu vollbringen und dabei eine Eigenständigkeit unter Beweis zu stellen, die bis heute ihresgleichen sucht. Nicht zuletzt auch dank sehr gut bezahlter Beamten, was als Voraussetzung bis heute zur Vermeidung von Korruption dient.

Es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass Singapurs Staatsgründer, Lee Kuan Yew, sehr viel von der Schweiz hielt und sich in vielen Belangen an ihr orientiert hat. «Die Schweiz ist die am besten regierte Nation der Welt», sagte er 2007 in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Er hob in diesem Zusammenhang die politische Stabilität, das effiziente Regierungssystem und den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz als Modell hervor, das er für Singapur bewundert habe.

Ende des Multilateralismus'

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Marcel Stalder, Präsident des «Lucerne Dialogue» (Bild: zvg)

Das alles sind Werte, die für die Schweiz bis heute ihre Gültigkeit haben. Gleichwohl tut sich unser Land innerhalb Europas heute schwer. Eine Erklärung dafür sieht Marcel Stalder, Präsident des «Lucerne Dialogue» in der Feststellung: «Wir müssen uns darüber im Klaren sein, das wir geopolitisch am Ende des Multilateralismus' angelangt sind. Wir haben es mit einer bipolaren Welt zu tun, in der China und die USA die beidne Pole bilden. Und die Frage ist daher: Wo positioniert sich Europa in Zukunft?»

In dieser Überlegung offenbart sich auch wieder der Umstand, wonach ein erneuertes Europa wesentlich attraktiver wäre für die Schweiz. Als Bedingung dafür gilt für Stalder: «Es ist ganz wichtig, dass sich Europa nicht nur auf die wirtschaftliche Regulierung konzentriert, sondern auch auf Innovationen. Wir können es nicht dabei belassen, dass die Amerikaner die Innovationen vorantreiben und wir stattdessen versuchen, alles zu regulieren. Davon müssen wir ganz schnell wegkommen.»