Ein Stein, Banken-IT und ein Hauch von Silicon Valley

Zehnjährige Planungen, 40 Millionen Franken an Investition, ein glücklicher Bauherr und begeisterte Politiker aus dem Kanton Graubünden: finews.ch war an der Eröffnung des neuen Hauptsitzes von Inventx dabei.

Es beginnt mit einem Stein. Ein vier Tonnen schwerer Monolith aus dem Tessin, vom Bündner Bildhauer Guido Keller in Form gebracht, markiert den Eingang zum neuen Hauptsitz der Inventx. In die Flanke der Skulptur gemeisselt: die Hände der Firmengründer Gregor Stücheli und Hans Nagel. Ein steinernes Versprechen, dass hier in Chur weiterhin Wert geschaffen werden soll – aus Daten, Services und Ideen.

Was selbst in Zürich als ambitioniert gelten würde, wirkt in Chur noch umso eindrücklicher. Mitten in der Altstadt erhebt sich nun das «Mehrwerk»: ein digitaler Leuchtturm, ein architektonisches Statement – und vor allem ein eindrückliches Bekenntnis zu einem Standort, den man im digitalen Strukturwandel nicht zwingend auf dem Radar hat.

Sichtbar ins Stadtbild gerückt

Inventx hat in den letzten Jahren die Churer Wirtschaft leise, aber nachhaltig geprägt. Mit der Eröffnung des neuen Hauptsitzes rückt das Unternehmen nun sichtbar ins Stadtbild – und ins Selbstverständnis der Hauptstadt Graubündens.

Chur ist nicht nur Tourismus- und Verwaltungssitz, sondern nun auch sichtbarer IT-Standort. Vermutlich ist Inventx mit rund 200 allein in Chur ansässigen Mitarbeitenden der grösste private Arbeitgeber der Stadt.

Vom Lichtwerk zur Banken-IT

Der neue Firmensitz «Mehrwerk» steht auf dem Areal eines früheren Lichtwerks, eines Gaswerks also, das Chur einst als eine der ersten Schweizer Städte mit öffentlicher Strassenbeleuchtung versorgte. Nun also Digitalisierung, Cloud, Compliance – und wieder Aufbruch. In Zeiten immer neuer technologischer Möglichkeiten sieht Stücheli den neuen Hauptsitz als modernes Echo auf die Pionierzeiten der Industrialisierung. In seiner Ansprache betont er auch: «Wir wollen mehr Leute begeistern, nach Chur zu kommen.»

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Auf dem Areal des früheren Gaswerks: Neuer Inventx-Hauptsitz in Chur. (Bild: zVg)

Die Eröffnung im Februar war dementsprechend hochrangig besetzt. Stadtpräsident Hans Martin Meuli, Regierungspräsident Marcus Caduff und Nationalrat Martin Candinas (Mitte) waren ebenso unter den Gästen wie Vertreter am Bau beteiligter Unternehmen.

Martin Candinas: «Wichtiger Ausbauschritt»

Candinas lobte gegenüber finews.ch: «Für den Kanton Graubünden ist dies ein sehr wichtiger Ausbauschritt. Besonders freue ich mich darüber, dass sich Chur offensichtlich als Standort für wertschöpfungsintensive Tätigkeiten in der Digital-Wirtschaft bewährt.»

Schon der Zugang zum Gebäude hat Symbolkraft. In den hell beplasterten Eingangsbereich sind Sterne eingelassen – wie in Hollywood, doch hier sollen sie die Namen der Kunden von Inventx tragen.

GKB als wichtiger Partner

Intentx ist ein Full-Service-IT-Dienstleister für Banken und Versicherungen. Zu den Kunden gehören Clientis, Swiss Life, KPT, Migros Bank sowie jede dritte Kantonalbank. Vor allem aber die Graubündner Kantonalbank (GKB), die als erste ihre komplette IT an Inventx ausgelagert hat – eine Entscheidung, die die starke Verankerung in der Region mitbegründet hat.

Wer durch das Foyer tritt, fühlt sich an das Silicon Valley erinnert – oder an eine Arena. Dunkles Holz dominiert, im Zentrum ein gigantischer LED-Screen: ein digitales Kunstwerk, das sich in Echtzeit aus Datenströmen der Rechenzentren von Inventx speist. Über zwölf Millionen LED-Punkte fliessen und verändern sich permanent. Daten als bewegte Kunst – eine Metapher für das Selbstverständnis des Unternehmens.

Bytes und Beton

Im Erdgeschoss hat das Restaurant «Bytes» eröffnet. Die mediterran und lokal inspirierte Küche überzeugte die Gäste der Eröffnung ebenso wie die zahlreichen Churerinnen und Churer, die offenbar bereits Gefallen am neuen Treffpunkt gefunden haben. Auch Café, Bar und Eventlokal – das Bytes scheint sich bereits etabliert zu haben.

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Inventx-Mitgründer Stücheli (r), CEO Diquattro im neuen «Mehrwerk». (Bild: zVg)

Insgesamt 6’300 Kubikmeter Beton wurden verbaut, 54 Kilometer Kabel gezogen, fast 50'000 Pflastersteine verlegt. Neben dem Bytes sind ein Yogaraum, Co-Working-Zonen, eine Tiefgarage mit E-Ladestationen und ein sogenannter Innospace Teil des Angebots. Das oberste Geschoss beherbergt acht hochwertige Wohnungen mit Blick auf Altstadt und Berge. Das Untergeschoss hat die Stadt Chur übernommen: Das Stadtarchiv zieht ein, endlich mit Platz und gesetzeskonformen Lagerbedingungen.

Vom Schatten ins Licht

Der Bau war nicht ohne Widerstände. Eine Einsprache wegen befürchtetem «Schattenwurf» verzögerte das Projekt über Jahre. Für Stücheli aber kein Anlass zur Bitterkeit – im Gegenteil: Das habe sich sogar als Glück im Unglück erwiesen, sagte er zu finews.ch. Denn: Das ursprünglich gemäss dem dann virulenten Home-Office-Trend dimensionierte Gebäude konnte noch rechtzeitig umgeplant werden. Ein Stockwerk, zuerst für Wohnungen vorgesehen, wurde zu Bürofläche umfunktioniert. 

«Office Home» statt «Home Office»

In den oberen Stockwerken zeigt sich, was Inventx unter moderner Arbeit versteht: Keine Einzelbüros – auch nicht für den neuen CEO Emanuele Diquattro (finews.ch vermeldete seine Berufung) oder Mitgründer Stücheli. Stattdessen lichtdurchflutete, wohnlich wirkende Räume, durchzogen von mehr als 400 Topfpflanzen. Ein geflügeltes Wort macht die Runde: «Office Home statt Home Office». Die Arbeitswelt als zweites Zuhause – mit digitalen Werkzeugen, aber analoger Nähe.

Diquattro sieht in Chur nicht nur einen Standort, sondern einen Ausgangspunkt für mehr: «Ich kann mir keinen besseren Start in meine Rolle vorstellen», sagte er und lädt die Community ein, gemeinsam an ambitionierten Digitalisierungsprojekten zu arbeiten – an den Standorten des Unternehmens in Chur, Zürich (Circle am Flughafen), Bern oder St. Gallen. Ziel sei, so der neue CEO, die Zukunft der Bank- und Versicherungsbranche aktiv zu gestalten.

Eine Stadt verändert sich

Chur hat diesem Wandel nicht nur zugestimmt, sondern ihn mitgetragen. 2017 sprach sich die Bevölkerung mit 87 Prozent Ja-Stimmen für die Landabgabe an Inventx aus – ein fast schon historisches Signal. 40 Millionen Franken hat Inventx in den neuen Hauptsitz investiert und dabei darauf geachtet, dass die Wertschöpfung in Stadt und Region bleibt.

Seither hat sich nicht nur ein Stadtteil, sondern die Perspektive auf Chur als Wirtschaftsstandort verändert.