Der «Lucerne Dialogue» von vergangener Woche offenbarte eindrücklich, warum Europa zu einer «Touristenfalle» zu verkommen droht – und der Schweiz ihre einzigartige Konsensfähigkeit abhandenkommt.

Ist es tatsächlich so, dass Europa zu einer «Touristenfalle» wird, wie dies Dominik Isler vergangene Woche am «Lucerne Dialogue» zur Debatte stellte? Der CEO der traditionsreichen Wirtschaftskonferenz, die lange als «Europa Forum» firmierte, bezog sich dabei auf einen kürzlichen Zeitungsartikel von Janan Ganesh.

Dieser hatte in der «Financial Times» (Artikel hinter Paywall) festgestellt, dass nun ein Jahrhundert angebrochen sei, das Europa nicht mehr (mit-)gestalten werde. «Der (Alte) Kontinent erhält zu viel Aufmerksamkeit von der Welt, um seine Irrelevanz zu erkennen», so das Fazit Ganeshs.

Insofern hätte der diesjährige «Lucerne Dialogue» kaum zu einem besseren Zeitpunkt stattfinden können, zumal der viel strapazierte Begriff der «Zeitenwende» jetzt durchaus angezeigt scheint. Seit der Wiederwahl Donald Trumps geben sich grosse Teile der USA geradezu euphorisiert, während Europa in Desillusion und Selbstzerfleischung versinkt, im Nahen Osten trotz kriegerischer Ausweglosigkeit an der Wachstumsschraube eifrig gedreht wird und sich die asiatische Hemisphäre immer entschlossener dem Mantra der materiell motivierten Wohlstandsvermehrung hingibt.

Wie Kevin allein zuhause

Beat Jans 1 555

Bundesrat Beat Jans (Bild: zvg)

Und mittendrin die Schweiz, uneins, da sich EU-Befürworter und Gegner wieder mächtig aneinander reiben. Gleichzeitig ein Bundesrat, der bestrebt ist, den Dialog mit den Nachbarländern fortzuführen, weiterzuentwickeln und gleichzeitig auf Befindlichkeiten in der Bevölkerung zu achten, damit sich niemand vernachlässigt fühlt. Von diesem Spagat zeugte auch die Eingangsrede von Bundesrat Beat Jans in Luzern.

Der Justizminister sagte, unserem Land gehe es in der Europapolitik oft wie «Kevin allein zuhause». Mit Schadenfreude würden wir beobachten, was in Europa schieflaufe, während die vermeintliche Unabhängigkeit zelebriert werde. Doch diese Sichtweise sei irreführend, betonte er. Die Schweiz sei längst untrennbar in das europäische Gefüge integriert. Umso zwingender seien daher die bilateralen Verhandlungen mit der EU.

Zunächst kaum neue Ansätze

Doch gerade daran scheiden sich die Geister, wie sich an der Konferenz schon am ersten Abend zeigte, als die beiden Unternehmer Simon Michel und Marco Sieber die Klingen kreuzten. Während Michel als Befürworter der Bilateralen diese als Notwendigkeit für das weitere Wachstum unserer Wirtschaft auslegte, warnte Sieber, Mitglied der EU-kritischen Vereinigung Kompass Schweiz, vor dem Verlust der Unabhängigkeit und der Bürokratie in Brüssel.

Die Diskussion orientierte sich sehr eng an den hinlänglich bekannten Argumenten und lieferte so kaum Lösungsansätze, die konstruktiv sein könnten. Aber auch die Sicht von aussen auf die Schweiz, die Jamil Anderlini, Chefredaktor der Wochenzeitung «Politico Europe» präsentierte,  lieferte kaum neue Ansätze, weil sie (zu) wenig auf die Eigenheiten der Schweiz einging und eher in Allgemeinplätzen verharrte.

Höhepunkt früh morgens