«Wir haben keine Kriege auszufechten»

Das hat auch mit der Geschichte und Kultur des Subkontinents zu tun. «Die Briten haben uns das Rechtssystem und die politischen Institutionen hinterlassen, aber kulturell gehört Indien zu Asien und pflegt zudem enge Bande zum Nahen Osten. Wirtschaftlich ist der Austausch mit den USA wichtig, und zudem haben viele Führungspersonen in grossen US-Unternehmen indische Wurzeln.» Früher hätten die Multis in Indien nur Call-Centers unterhalten. Das habe sich geändert. Bose: «Heute haben die Tech-Firmen ihre Entwicklungszentren bei uns, auch diejenigen aus Südkorea, Japan und China.»

taj mahal

Taj Mahal in Agra, Indien (Bild: Sylwia Bartyzel, Unsplash)

Aber weshalb laviert Indien als BRICS-Mitglied im Ukrainekonflikt und schlägt sich nicht eindeutig auf die Seite des Westens? «Historisch betrachtet hat Russland Indien in schwierigen Zeiten lange unterstützt», erklärt Bose. «Indien gehört nicht zu einem Lager, wir pflegen Beziehungen mit allen Partnern und haben keinen Krieg auszufechten.» Die unipolare, von den USA beherrschte Welt wandle sich in eine multipolare.

«Zu viele smarte Leute jagen im selben Revier»

Doch warum interessiert sich der Fondsmanager überhaupt dermassen für die grossen Zusammenhänge der Weltwirtschaft und Geopolitik? Nicht nur, weil er daraus Argumente für Investitionen in Indien schmieden kann, sondern weil er auch bei der Auswahl der Aktien eine Makrostrategie verfolgt. Makro im Hinblick auf Themen, die in Indien in den nächsten Jahren eine grosse Rolle spielen werden, wie z.B. im Bereich Infrastruktur, Logistik oder Digitalisierung.

«Es gibt in Indien 45 Fondshäuser und 500 unabhängige Fondsmanager, von denen 120 im gleichen Gebäude sitzen. 99 Prozent aller Manager setzen auf klassisches Stock Picking und versuchen, unterbewertete Small und Mid Caps aufzuspüren», führt Bose aus. Die Konsequenz: «Zu viele smarte Leute jagen im selben Revier.» Sein Fonds hingegen ist eher auf grössere Werte ausgelegt, und das Portfolio ist mit 20 bis 30 Einzelpositionen übersichtlich. «Wir investieren nur in ein Unternehmen, wenn wir dafür ein überzeugendes Makroargument haben, d.h., eines zum ausgewählten Thema passt.»

Was gegen passive Anlagen spricht

Wenn Boses Prognose stimmt und sich die Börse im Schwellenland wirklich überdurchschnittlich entwickelt: Weshalb soll der Investor nicht einfach und kostengünstig mit Exchange Traded Funds (ETF) passiv am attraktiven Markt teilhaben? «Die von uns erwartete positive Dynamik betrifft nur einen kleinen Teil der kotierten Unternehmen direkt. Wer passiv investiert, investiert auch in die alten Gewinner, d.h. diejenigen Unternehmen, die bereits von der früheren Entwicklung profitiert haben», antwortet Bose.

«Wir wählen die 20 Prozent Unternehmen aus, die in den nächsten 2o Jahren von der Dynamik am meisten profitieren und dann 60 Prozent der Marktkapitalisierung stellen werden.» Der Fondsmanager nennt neben dem Alpha eine weitere Ertragsquelle: «Wir halten die Verluste klein, verlieren weniger als der Gesamtmarkt.»

Noch im Schatten der Wallstreet

Als Konkurrenten für Indien betrachtet er mehr den amerikanischen denn den chinesischen Aktienmarkt. «Natürlich gibt es temporäre Verschiebungen zwischen Indien und China von Emerging-Market-Funds. Aber die Schwellenländer sind in den letzten Jahren generell vernachlässigt worden, weil die Performance des US-Markts, angetrieben von grossen Technologieunternehmen, einfach zu gut war.» Und angesichts der gigantischen Marktkapitalisierung an der Wallstreet: «Wenn nun nur wenige Prozente aus den USA in Schwellenländer umgeschichtet würden, wäre das für Indien ein gewaltige Summe.»

Rotes Fort Lahore

Rotes Fort Lahore (Bild: Shutterstock)

Stefan Kräuchi, Partner und CEO von HSZ Group, die vor wenigen Tagen in der Schweiz in Zusammenarbeit mit Oaks Asset Management einen geplanten Aktienfonds Indien unter dem Label Prana India Equity (mit verschiedenen Tranchen) vorgestellt hat, weist auf einen anderen Aspekt hin. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Investoren bisher nicht so richtig glücklich mit ihren Emerging-Markets-Anlagen sind. Ein Markt performt, der andere verliert, oft gleichen sich die Kursbewegungen aus.»

Und er sieht viel Potenzial: «Die Schwellenländerquote ist, gemessen an der Wirtschaftsleistung und der Börsenkapitalisierung oft noch viel zu tief. Der US-Markt ist sehr gut gelaufen, aber das kann nicht jahrelang so weitergehen.» Das neue Indien-Produkt betrachtet er als ideale Ergänzung zum bisher China-lastigen Angebot der HSZ Group.