Ein Artikel im US-Leitmedium «Wall Street Journal» facht eine alte Debatte neu an: Das wissenschaftliche Fundament der bekannten McKinsey-Studie zur Diversität und dem daraus resultierenden Unternehmenserfolg aus dem Jahr 2015 scheint wacklig zu sein.
Es ist eine der grossen Fragen, die man lieber nur im trauten Kreis und sicher nicht auf der grossen Bühne bespricht: Hat Diversität in den Unternehmen, also eine vielfältig zusammengesetzte Geschäftsleitung und ein «bunter» Verwaltungsrat, eine positive Wirkung auf den Unternehmenserfolg, der sich letztlich im Aktienkurs spiegelt?
Befürworter von Diversitätsregeln berufen sich gerne auf eine McKinsey-Studie aus dem Jahr 2015, die einen positiven Zusammenhang zwischen ethnischer und geschlechtermässigen Vielfalt in Leitungsgremien sowie der Performance des Unternehmens nahelegt.
Breite Wirkung
Diese Studie entfaltete eine breite Wirkung: Immer wenn es darum ging, zu zeigen, dass Diversität in Unternehmen im Interesse der Aktionäre liegt und also nicht nur aus politischen oder reputationsmässigen Gründen angezeigt ist, wurde sie von Finanzinstituten, Regulatoren und Politikern als wissenschaftliche Grundlage zitiert.
Sie war auch Wasser auf die Mühlen der Nachhaltigkeitsbewegung im Finanzbereich (ESG), bildet doch Diversity ein wichtiges Element des G (Governance, Unternehmensführung).
McKinsey-Studie unter der Lupe
Die Skeptiker verstummten aber nie ganz. Nun können sich diese von einem Bericht (kostenpflichtig) im «Wall Street Journal» (WSJ) bestärkt fühlen. Das «Journal» bezieht sich auf neuere Untersuchungen, welche die Methodologie und die Ergebnisse der McKinsey-Studie unter die Lupe nehmen.
Die Forscher konnten offenbar keine Korrelation (ein blosser Zusammenhang) und schon gar keine Kausalität (ein ursächlicher Zusammenhang) zwischen Diversität und Performance finden.
Korrelation statt Kausalität?
Gegenüber dem «WSJ» hält McKinsey nun fest, die angesichts der jüngsten Kritik durchgeführte Überprüfung der eigenen Studienresultate habe bestätigt, dass «Diversität in Führungsgremien mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen finanziellen Performance verbunden ist».
Aber es sei immer daraufhin gewiesen worden, dass es sich um eine Korrelation, nicht um eine Kausalbeziehung handle; das «WSJ» vermerkt dazu süffisant, das Beratungsunternehmen selbst habe immer von den «Vorteilen der Diversität» gesprochen, was eine Kausalität nahelegt.
Alternative Erklärungen
Möglicherweise wählen zum Beispiel Frauen, denen dank der Diversitätsgelübde vieler Unternehmen und dem immer noch vergleichsweise beschränkten Reservoir an weiblichen Führungskräften mehr Stellen offenstehen als gleichqualifizierten Männern, einfach die besseren, finanziell erfolgreicheren Unternehmen als Arbeitgeber (was ja nicht unvernünftig ist) aus.
Das wäre eine Erklärung dafür, weshalb es die von McKinsey postulierte Verbindung gibt, und würde zugleich die Frage, ob ein höherer Frauenanteil tatsächlich die Unternehmensperformance beflügelt, offenlassen.
Neuer Zündstoff
Eines scheint schon jetzt sicher zu sein: Die Debatte darüber, ob Diversität tatsächlich ein positiver Treiber der Performance ist, erhält neuen Zündstoff – und könnte vielleicht schon bald wieder auf Bühnen und Podien kontradiktorisch statt bekenntnishaft diskutiert werden.