Deepseek war ein Weckruf für träge Kunden, die Diversifikation nicht zu vernachlässigen, und beim Thema ESG gibt es eine Diskrepanz zwischen bekundetem Interesse und effektivem Handeln der Kunden, sagt Romain Pasche, bei EFG International zuständig für die Umsetzung der Asset Allocation. Und er macht einen Ausflug ins 19. Jahrhundert, um zu begründen, weshalb Bitcoin nicht auf der Empfehlungsliste steht.
Dass Trends und Themen wie künstliche Intelligenz (KI), Bitcoin, Staatsverschuldung und nachhaltiges Anlegen die Investoren derzeit herumtreiben, liegt auf der Hand. Die Research-Abteilungen der Banken produzieren dazu eine Unmenge von Studien, in denen Chefökonomen und Chefstrategen Szenarien entwerfen, Wahrscheinlichkeiten abschätzen und allgemeine Ratschläge erteilen.
Doch wie sieht die Umsetzung im Anlagealltag aus? finews.ch hat sich dazu mit Romain Pasche unterhalten. Er verfügt über viel Erfahrung, die er bei J.P. Morgan Chase, als Leiter globales Aktienresearch bei Vontobel Asset Management und als Aktienhändler und Aktienanalyst bei UBP gesammelt hat.
Die Tücken der Umsetzung der Asset Allocation
Seit elf Jahren ist er nun als Global Head of Investment Content & Delivery bei EFG International tätig und dort dafür zuständig, die strategische Asset Allocation umzusetzen. Er entscheidet also darüber, welche Aktien, Obligationen, Exchange Traded Funds (ETF) oder strukturierte Produkte auf den Empfehlungslisten bzw. in den Depots der Kunden landen.
Dazu muss er natürlich deren Präferenzen kennen, die regional variieren können. «Amerikaner haben traditionell eine hohe US-Aktienquote, Asiaten setzen gerne strukturierte Produkte ein», gibt er ein Beispiel dafür.
«Enorme Konzentration und Klumpenrisiken in den Portefeuilles»
Aber auch wenn es den Standardkunden nicht gibt, so gibt es doch Gemeinsamkeiten. «KI ist seit Monaten ein Megathema, mit dem sich unsere Kunden viel beschäftigen.» Jahrelang haben die Aktienkurse der «sagenhaften Sieben» oder «Magnificent 7» (Apple, Nvidia, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta und Tesla) nur eine Richtung gekannt, so dass sie nun den Gesamtmarkt dominieren.
Die Folge: «Die Kunden haben teilweise eine enorme Konzentration und entsprechende Klumpenrisiken in den Portefeuilles gehabt», hält Pasche fest.
Warum sich die Kunden oft recht «sticky» verhalten
«Wir haben schon vor einiger Zeit – also Monate vor der Deepseek-Episode – begonnen, den Kunden eindringlich zu mehr Diversifikation zu raten. Es war für uns auch zunehmend schwierig geworden, die extrem hohen Aktienkurse mit vernünftigen Argumenten analytisch zu rechtfertigen.» Als Alternative zu den US-Tech-Giganten kommen v.a. Small und Mid Caps aus den USA in Frage, die Pasche für vernünftig bewertet erachtet.
Sind die EFG-Kunden dem Rat gefolgt und haben rechtzeitig umgeschichtet? «Die Kunden verhalten sich oft recht ‹sticky› und zögern, Buchgewinne zu realisieren, weil sie auf noch mehr hoffen.» Pasche betrachtet Deepseek (das chinesische Unternehmen, das offenbar KI-Software viel günstiger produzieren kann als die US-Konkurrenz) als Weckruf, der den Kunden vor Augen führt, dass sich Konzentrationsrisiken auch materialisieren können.
KI-Anwender profitieren von tieferen Preisen
«Aber es wird auch in diesem Bereich Gewinner und Verlierer geben.» Wenn KI tatsächlich viel günstiger werde, würden nämlich diejenigen Unternehmen, die KI-Anwendungen einsetzten, davon profitieren. Diversifikation empfiehlt sich auch deshalb, weil gemäss Pasche «niemand weiss, wie viele weitere Deepseeks es da draussen noch gibt».
Nicht nur die US-KI-Unternehmen stehen derzeit im Gegenwind. Auch der Branche für nachhaltiges Anlegen (Environmental, Social, Governance; ESG) weht seit einiger Zeit ein eisiger Wind aus dem Westen entgegen.
ESG: Grosses Interesse an Informationen, aber weniger Appetit bei der Umsetzung
«Die grosse Mehrheit unserer Kunden hat ein grosses Interesse an ESG-Themen. Aber nur wenige implementieren die ESG-Richtlinien bei ihren Anlagen wirklich vollumfänglich», bestätigt Pasche die Existenz des berüchtigten ESG-Gap. Sobald es Restriktionen bei den Investitionsmöglichkeiten gebe, nehme der ESG-Appetit merklich ab. Entsprechend habe sich die Einstellung der Kunden zu ESG in den vergangenen Monaten kaum verändert, es gebe daher auch keinen Rollback.
Zu angeregten Diskussionen mit in- und ausländischen Kunden führt regelmässig die fragile politische Lage in Frankreich. Pasche: «Die in Europa generell schwache Wirtschaftsdynamik ist ein wichtiger Faktor für die Aktien- und Bondauswahl, und die Solidität der öffentlichen Haushalte ist entscheidend für Anleihen.»
Frankreich: «Kein Plan für vernünftiges Schuldenmanagement»
In Frankreich fällt negativ ins Gewicht, dass die Verschuldung bereits hoch und kein Plan für ein vernünftiges Schuldenmanagement sichtbar ist. «Die Visibilität ist derzeit zwar auch in Deutschland schlecht, aber die Verschuldung ist dort auch dank der Schuldenbremse auf einem deutlich vernünftigeren Niveau.»
Gleichwohl hat EFG – anders als andere Häuser – noch keinen generellen Bann für französische Staatsanleihen in den Kundenportefeuilles ausgesprochen. «Unsere Ökonomen beobachten aber die Entwicklung sehr aufmerksam.»
Ziemlich konservativ unterwegs ist EFG International in Bezug auf Kryptowährungen, die im vergangenen Jahr bekanntlich einen ausserordentlich guten Lauf hatten. «Wir empfehlen unseren Kunden nur Assets, die wir analysieren, verstehen und bewerten können», hält Pasche fest. Nur dann könne man die Verantwortung für Empfehlungen tragen. Und weil das bei Bitcoin & Co nicht der Fall ist, hat diese Anlageklasse keinen Platz in der Asset Allocation.
Interesse für die Technologie, aber kein Platz für Bitcoin in der Asset Allocation
Kunden können bei EFG Kryptowährungen aber mittels ETF kaufen, wenn sie das wünschen. Dass es ein grosses Interesse der Privatwirtschaft an der Blockchain-Technologie gibt, ist der Bank indes nicht verborgen geblieben. Und die Distributed-Ledger-Technologie verfolgt die Privatbank wie viele Finanzinstitute bereits länger mit Interesse.
«Generell sind bei bestimmten Kunden Assets begehrt, die unabhängig von der Zentralbankpolitik sind, also Krypto und Gold», beobachtet Pasche. Er vergleicht Bitcoin deshalb auch mit privaten Währungen des 19. Jahrhunderts (in der Epoche des Free Banking), bevor der Staat das Notenmonopol an sich zog. «Das war für die Geldhalter eine ziemlich gefährliche Welt, da diese Privatwährungen nicht überall als Zahlungsmittel akzeptiert waren und ihr Wert sehr volatil war.»
Weshalb strukturierte Produkte sinnvoll sind
Nicht ganz so lange wie die Kontroverse um privates Geld, aber doch auch schon ein Vierteljahrhundert, dauert die Debatte um den Sinn oder Unsinn von strukturierten Produkten. Dazu hat Pasche eine klare Haltung: Nein, nicht alle strukturierten Produkte liessen sich mit Aktien, Bonds und standardisierten Optionen einfach und kostengünstiger nachbilden. «Aber es gab historisch betrachtet schon einige Anbieter, die zu hohe Margen für strukturierte Produkte verlangten.»
Heute sorgten der Wettbewerb und die offene Architektur für attraktive Preise. «Viele Investoren schätzen es, dass sie ihr Portefeuille mit strukturierten Produkten rasch diversifizieren und das Risikoprofil rasch anpassen können.»