Die Schweiz zählt zu den weltweit führenden Finanzzentren. Doch derzeit gibt es an mehreren Stellen Erneuerungsbedarf. finews.ch bietet eine Übersicht über die wichtigsten Baustellen und den Folgen, die daraus drohen.

«Auf dem Finanzplatz Schweiz verbinden sich gewachsene Expertise und Tradition mit Pioniergeist und Innovationskraft. Die Banken sind sowohl regional stark verankert als auch international ausgezeichnet vernetzt. Sie tragen wesentlich zu einem wettbewerbsfähigen und stabilen Finanzplatz bei.»

So stellen Bund und Bankiervereinigung den Finanzplatz Schweiz gegen aussen gerne dar. Dies ist grundsätzlich nicht falsch. Das Bild ist derzeit allerdings an mehreren Stellen eingetrübt.

1. Häufung von Negativschlagzeilen

 

Die Signa-Holding musste Insolvenz beantragen (Bild: Shutterstock)

Der gute Ruf des Finanzplatzes beruht auf der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz. In den vergangenen Jahren haben die Schweizer Banken aber für zu viele Negativschlagzeilen gesorgt: angefangen beim Untergang der Credit Suisse und dem von der Finanzmarktaufsicht (Finma) verordneten Abschreiben auf den CS-AT1-Bonds bis hin zu den Turbulenzen bei Julius Bär in Zusammenhang mit den Signa-Krediten, dem Immobilienunternehmen von René Benko.

Fazit: Der Finanzplatz Schweiz beweist eine erstaunliche Robustheit. Selbst Krisen wie jene der Credit Suisse werden schnell gelöst und verdaut. Dafür erntet die Schweiz Respekt. Ausser einigen Kratzern hat der Finanzplatz keine gravierenden Blessuren davongetragen. Unter vorgehaltener Hand heisst es in Finanzkreisen aber: Noch mehr solcher Zwischenfälle verträgt es nicht, die Kunden bringen Schweizer Bankern mehr Skepsis auf.

Entscheidend wird auch der Ausgang im Streit um den Milliardenabschreiber auf Pflichtwandelanleihen der Credit Suisse sein. Derweil zielen Hunderte am Bundesverwaltungsgericht in der Schweiz eingereichte Beschwerden auf die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma). Der Behörde, die im März 2023 den Abschreiber auf den CS-AT1-Bonds anordnete, wird unverhältnismässiges Vorgehen vorgeworfen.

In einem weiteren Schritt könnten die rund 3’000 Beschwerdeführer der Schweiz Enteignung vorwerfen – damit würden diese Verfahren ebenfalls direkt auf den Staat zielen. All dies könnte die Eidgenossenschaft teuer zu stehen kommen. Ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts steht aus.


2. Integration der Credit Suisse: Aus zwei mach eins

Die UBS übernimmt die Credit Suisse (Bild: Shutterstock)

Bis Ende 2026 will die UBS ihre einstige Rivalin, die Credit Suisse, integrieren. Gegen 30'000 Stellen werden wegfallen. In der Schweiz werden 85 Filialen der UBS und der ehemaligen Credit Suisse fusioniert. Zusätzlich sollen Kosteneinsparungen von 13 Milliarden Dollar erzielt werden.

Zurück soll eine neue Grossbank bleiben, die international insbesondere im Global Wealth Management zu den führenden Instituten zählt und gleichwohl eng mit dem Finanzplatz Schweiz verbunden bleibt.

«Wir fokussieren uns auf unsere Kundinnen und Kunden – Privatpersonen, Unternehmerinnen und Unternehmer, Firmen und institutionelle Kunden – und helfen ihnen dabei, ihre Ziele zu erreichen. Wir handeln mit Respekt gegenüber der Schweiz und ihren Menschen», verspricht die Spitze der UBS.

Fazit: Die Integration der Credit Suisse ist ein Jahrhundert-Projekt. Doch die UBS erweist sich Stand Frühjahr 2024 als verlässlicher Partner. Im ersten Quartal des laufenden Jahres erzielte sie wieder einen Reingewinn und bei den Kosteneinsparungen ist fast 40 Prozent des Weges zurückgelegt.

Die grösste Herausforderung wird bleiben, die hohen Erwartungen der Aktionäre nachhaltig zu erfüllen. Cashcow ist das Global Wealth Management (GWM). Die beiden grössten Wachstumsmärkte sind Asien und die USA.


3. Streit um das Eigenkapital

 

Sergio Ermotti, Karin Keller-Sutter (Bilder: Mediendienste)

Noch vor gut einem Jahr dankte Finanzministerin Karin Keller-Sutter der UBS überschwänglich für die Übernahme der Credit Suisse (CS). Damit werde die Marktstabilität gestärkt, betonte sie. Seither hat sich das Verhältnis zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement und der neuen Grossbank abgekühlt.

Der Streitpunkt: die Eigenkapitalanforderungen. Der Bund möchte diese nach oben schrauben. Das dürfte die UBS nach aktuellen Schätzungen zusätzliche 15 bis 25 Milliarden Franken kosten, Geld, das die Grossbank eigentlich für ihr Aktienrückkaufprogramm sowie für künftig höhere Dividendenauszahlungen vorgesehen hat.

UBS-Chef Sergio Ermotti wirkt in der Debatte immer gereizter: «Was wir brauchen, ist, dass die Leute wirklich verstehen, was mit der CS geschehen ist, bevor sie Schlüsse ziehen», monierte er kürzlich an einem Event in Zürich.

Fazit: Die Schweiz tut gut daran, alles zu unternehmen, um einen zweiten Fall wie jener der Credit Suisse zu vermeiden. Entscheidend ist aber auch, der neuen Grossbank nicht zu enge Fesseln anzulegen. Denn die UBS ist längst keine reine Schweizer Bank mehr.

Sie steht im globalen Wettbewerb. Sie muss sich insbesondere gegen die amerikanischen Institute durchsetzen. Zu einer Entspannung der Diskussion könnte der Bericht der Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) über den Niedergang der Credit Suisse beitragen.

Darin wird beleuchtet, welche Faktoren zum Untergang der einstigen Grossbank geführt haben. Kommt sie zum Schluss, dass es nicht am mangelnden Eigenkapital gelegen hat, wird dies die Position des Bundesrates klar schwächen.


 4. Bankgeheimnis soll auch im Inland fallen

 

Auch das letzte Stück Bankgeheimnis soll fallen (Bild: Shutterstock)

Das Bankgeheimnis verschaffte Schweizer Banken während Jahrzehnten einen Vorteil. Im Jahr 2017 wurde dieses auf Druck des Auslands, insbesondere der USA, aufgeweicht.

Ausländische Steuerbehörden erhalten seither Informationen zu Schweizer Bankkonten. Nun will die SP auch noch das Bankgeheimnis in der Schweiz schleifen. Die Berner SP-Nationalrätin Andrea Zryd hat eine entsprechende parlamentarische Initiative eingereicht.

Fazit: Der Finanzplatz Schweiz hat auch ohne das Bankgeheimnis eine gute Zukunft. Das Problem ist ein anderes: Die SP betont, dass es ihr mit dem Vorstoss darum gehe, ein Steuerschlupfloch zu schliessen. Dies ist nur die halbe Wahrheit.

Letztlich geht es ihr vor allem darum, zusätzliche Staatseinnahmen zu generieren. Denn die Finanzsituation beim Bund spitzt sich immer mehr zu. Mit der vollständigen Aufhebung des Bundesgeheimnisses sind die finanziellen Probleme des Bundes aber kaum zu lösen. Ein Grossteil des Geldes fliesst an Kanton und Gemeinden.

Zudem gibt es heute schon ein Regulativ: Der Bund erhebt auf Dividenden und Zinserträgen eine Verrechnungssteuer. Im Jahre 2023 spülte dies 6,4 Milliarden Franken in die Bundeskasse. Darüber hinaus verfügen Bund und Kantone schon heute Möglichkeiten, bei Verdacht auf Steuerhinterziehung oder vor allem -betrug, Auskünfte von Banken einzuholen.


5. Konkurrenz macht Terrain gut

Hat immer mehr Strahlkraft: der Finanzplatz Dubai (Bild: Shutterstock)

«Welches sind die Vorzüge des Schweizer Private Banking?» Über diese Frage diskutierte neulich in Zürich hinter verschlossenen Türen ein auserlesener Kreis von namhaften Vertretern des Finanzplatz. Nicht alle wussten auf Anhieb eine Antwort.

Private Banking ist austauschbar geworden. Und nicht zuletzt haben Finanzplätze wie Dubai oder Singapur in den vergangenen Jahren zugelegt und sind der Schweiz dicht auf den Fersen. Sie legen mitunter ein erstaunliches Tempo an den Tag und präsentieren sich sehr anpassungsfähig und innovativ.

Fazit: Auch der Finanzplatz Schweiz ist immer noch sehr innovativ. In der Abwicklung digitaler Vermögenswerte ist unser Land international führen. Mit der Abwicklung der 200-Millionen-Franken-Anleihe der Weltbank hat SIX Digital Exchange am 15. Mai dieses Jahres sogar die 1-Milliarde-Grenze überschritten – ein Meilenstein. Die Schweiz kann also international nach wie vor Standards setzen. Allerdings muss sie ihre Erfolge besser «verkaufen».