Für den Kampf gegen Korruption ist 2023 kein gutes Jahr gewesen – die Aktivisten von Transparency International erkennen hier mehr Rückschritte als Verbesserungen. Auch in der Schweiz haben altbekannte Probleme Bestand, lautet ihre Kritik.
Der Index zur Wahrnehmung der Korruption im öffentlichen Sektor (Corruption Perception Index, CPI) von Transparency International zieht für 2023 ein ernüchterndes Fazit.
Wie das in Berlin ansässige NGO vermeldete, liegen zwei Drittel aller Länder weltweit unter dem Mittelwert von 50 Punkten, auf einer Skala von 0 bis 100. Laut dem am Dienstag veröffentlichten Bericht ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass die Welt ein ernsthaftes Korruptionsproblem hat.
Bei der Banken-Compliance berücksichtigt
Mehr noch: die grosse Mehrheit der insgesamt 180 im Bericht bewerteten Länder hat offenbar in den vergangenen zehn Jahren keine Fortschritte gemacht, oder rutschte tiefer in solche Praktiken ab. Der weltweite Durchschnitt liegt unverändert bei nur 43 Punkten; 23 Länder sind 2023 auf ihren bislang niedrigsten Wert gefallen.
Der Index des NGO wird auch von den Banken beachtet. Die Länder-Rankings des CPI spielen etwa im Bereich Compliance und bei der Bewertung von grundlegenden Kundenrisiken (KYC) eine Rolle.
Schweden leistet der Schweiz Gesellschaft
Musterschüler sind im Ranking wie schon im Vorjahr Dänemark, Finnland, Neuseeland, Norwegen und Singapur mit einer Bewertung von 90 bis 83 Punkten. Schweden verlor an Terrain und liegt nun gleichauf mit der Schweiz (unverändert 82 Punkte) auf dem sechsten Rang.
Die Schweiz habe sich in korruptionsrelevanten Bereichen, die der CPI nicht abdeckt, kaum verbessert. Mängel würden vor allem bei der Bekämpfung von Geldwäscherei bestehen, der Korruption im Privatsektor, der Strafverfolgung von Unternehmen und beim Schutz von Whistleblowerinnen und Whistleblowern, schreibt die Organisation in ihrem Bericht.
Lobbying und Vetternwirtschaft geben zu reden
Die Schweiz «sollte sich auf allen drei föderalen Stufen den Umgang mit Interessenskonflikten und die Regulierung des Lobbyings verbessern sowie Massnahmen gegen die weiterhin stark verbreitete Vetternwirtschaft treffen», sagt Transparency-Schweiz-Geschäftsführer Martin Hilti gegenüber der Agentur «SDA».
Das grösste Problem sei hierzulande die Vetternwirtschaft, also die «Verbandlungen und damit verbundene Interessenskonflikte». Zudem sei Lobbying sei in der Schweiz «im Kern unreguliert», so Hilti weiter.
Spielball mächtiger Unternehmer
In Europa werden vor allem die Entwicklungen in Ungarn, Polen, Grossbritannien, Cypern, Österreich, Malta, Schweden oder Italien in dem Bericht eingehender beleuchtet. Alle diese Länder haben in den vergangenen Jahren Punkte im Ranking verloren. Als Gründe werden etwa die Schwächung der Justiz, Korruptionsfälle, Einschüchterung von Journalisten, Medienkonzentration und -behinderung oder die Einflussnahme von reichen Unternehmern genannt.
Die Nachbarländer der Schweiz liegen im Ranking tiefer. So erreicht Deutschland mit 78 Punkten Rang 9, Frankreich und Österreich Rang 20 (71 Punkte) und Italien mit 56 Punkten nur Rang 48.
Rückschritte in wichtigen Volkswirtschaften
Unter den wichtigen Volkswirtschaften der Welt bleibt nur die Bewertung der USA (Rang 24, 69 Punkte) stabil. China (Rang 76, 42 Punkte), Indien (Rang 93, 39 Punkte), Brasilien (Rang 104, 36 Punkte) und Russland (Rang 141, 26 Punkte) sinken allesamt in der Einstufung.
Am Ende des Ranking finden sich mit Werten von 11 bis 16 Punkten die Staaten Somalia und Venezuela sowie die Bürgerkriegsländer Syrien, Südsudan und Jemen.
Rein westliche Sichtweise?
Gerade in von der Korruptions-Kritik besonders betroffenen Staaten wird das Ranking von Transparency International gerne als «westliche Sichtweise» und eine Form von «Kulturimperialismus» kritisierte. Auffallend ist jedoch, dass alternative Konzepte zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dort oft der Sicherung der Position von politischen und wirtschaftlichen Eliten dienen, oder der Durchsetzung nationalistischer Ziele.