Wer bisher gedacht hat, das Credit-Suisse-Debakel würde dem Ansehen des Schweizer Finanzplatzes im Ausland schaden, sollte sich den jüngsten Geldwäscherei-Skandal in Singapur vor Augen führen.
Seit Mitte August 2023 erschüttert ein Geldwäscherei-Skandal von unvorstellbarem Ausmass den asiatischen Stadtstaat Singapur und dessen angesehenen Finanzplatz. Dabei geht es um Milliarden von Dollar an kriminellem Geld, das von einem Netzwerk vorwiegend chinesischer Geschäftsleute in dreister Art und Weise für einen ausschweifenden Lebensstil, Luxus-Immobilien, teure Autos und Kryptowährungen verwendet und gewaschen wurde.
Dies alles über einen Zeitraum von mehreren Jahren, bis schliesslich im vergangenen Monat in aufsehenerregenden Razzien insgesamt zehn Personen verhaftet wurden, die zum Teil bereits in China zur Fahndung ausgeschrieben waren.
Involvierte Banken
Doch der Fall zieht immer weitere Kreise, wie sich diese Woche offenbart. Noch mehr Personen sind involviert und die Deliktsumme erreicht mittlerweile fast zwei Milliarden Singapur Dollar, umgerechnet rund 1,3 Milliarden Franken. Im Wesentlichen geht es um Geld, das aus illegalen Glückspielen in Asien gewonnen wurde und in jeden erdenklichen Luxus investiert wurde.
Bancomaten in Singapur (Bild: Shutterstock)
Mehr oder weniger involviert ist dabei auch eine Reihe von Banken, darunter die einheimischen Geldhäuser DBS, OCBC und UOB sowie auf internationaler Ebene unter anderem Citi und die Deutsche Bank; alle diese Finanzinstitute arbeiten in dem Fall eng mit den Behörden in Singapur zusammen. Und es gilt die Unschuldsvermutung. Andere Institute, darunter die Schweizer Banken vor Ort, sind nun ebenfalls daran, intern abzuklären, ob sie allenfalls mit einzelnen Personen des stetigen wachsenden Kreises an Verdächtigen in irgendeiner Weise verbunden sein könnten, wie weiter zu erfahren war.
Kein Einzelfall
Gleichwohl verwundert es, dass die kriminellen Machenschaften nicht eher ans Licht gekommen sind, zumal sich Singapur damit brüstet, weltweit strengste Regeln und Bestimmungen zur Prävention von Geldwäscherei und anderen Arten von Finanzkriminalität zu haben. Doch offensichtlich klafft zwischen den Ansprüchen der Regierung und der Realität ein grosser Graben – und dies nicht erst seit gestern.
Kuala Lumpur in Malaysia (Bild: Shutterstock)
Singapur wurde bereits 2016 vom überdimensionalen 1MDB-Skandal heimgesucht, als Gelder in Milliardenhöhe vom malaysischen Staatsfonds namens 1Malaysia Development Berhad (1MDB, Bild oben) über diverse, darunter auch Schweizer Banken, um- und fehlgeleitet wurden, so dass sich einzelne Leute unrechtmässig bereichern konnten. In der Schweiz führte dies faktisch zum Ende der grossen Tessiner Banca della Svizzera Italiana (BSI) sowie der Falcon Private Bank.
Opfer des Erfolgs
Doch als ob dies nicht genügte, kam es in Singapur in jüngster Zeit auch zu einigen anderen Betrügereien, etwa rund um den deutschen Zahlungsabwickler Wirecard sowie im Zusammenhang mit den kriminellen Machenschaften beim Rohstoffhandels-Unternehmen Hin Leong Trading.
Nun von einem Einzelfall zu sprechen, greift also eindeutig zu kurz. Finanzleute in Singapur sind sich mittlerweile einig, dass der Finanzplatz selber zum Opfer seines Erfolgs geworden ist.
Enorme Teuerung
Das wiederum hängt mit den zahlreichen Bemühungen der Regierungen in den vergangenen Jahren zusammen, den Standort für ausländische Investoren, Gelder und vermögende Privatpersonen und Familien und deren Family Offices grosszügig zu öffnen. Denn parallel zu den verschärften Bestimmungen im Zusammenhang mit der Prävention von Finanzkriminalität schuf man gleichzeitig beste Rahmenbedingungen, um die erwähnten VIPs, Institutionen und Gelder – namentlich aus China – anzuziehen.
Gardens by the Bay, Singapur (Bild: Shutterstock)
So kam es zu einem massiven Zustrom an wohlhabenden Menschen und Geld, insbesondere im Sog der Corona-Krise und der verschärften Geldwäscherei-Bekämpfung in China. Singapur nahm dabei eine Teuerung im eigenen Land in Kauf, die seither den eigenen Bürgerinnen und Bürgern im Alltag und vor allem bei den Wohnungsmieten enorm zusetzt.
Immobilien, Rolls Royce und Patek Philippe
Insofern begab sich der Stadtstaat auf einen höchst riskanten Pfad, der spätestens nun seinen Tribut fordert – und spürbar an der Reputation nagt. Viele reiche Leute, die in den vergangenen Jahren zugezogen sind, befürchten nun einen Reputationsschaden.
Tatsächlich sucht das Ausmass des jüngsten Skandals seinesgleichen. Die Behörden beschlagnahmten bislang mehr als 100 Immobilien im Wert von schätzungsweise mehr als 800 Millionen Singapur Dollar. Zu den konfiszierten Vermögenswerten gehören auch Bentley- und Rolls-Royce-Autos, Whiskey-Sammlungen, Hermès-Handtaschen und Patek-Philippe-Uhren.
Glücksspiele für Good Class Bungalows
Zumeist soll das Geld aus illegalen Glücksspielen auf den Philippen und aus China stammen. Einem Verhafteten werfen die Behörden vor, 2019 eine Eigentumswohnung an der Einkaufsmeile Orchard Road für 23 Millionen Singapur Dollar erworben zu haben. Bei vielen der nunmehr beschlagnahmten Immobilien handelt es sich um «Good Class Bungalows», maximal zweistöckige Villen mit einem Umschwung von mindestens 1'400 Quadratmeter an besten Lagen in einer bereits extrem verbauten Stadt.
Blick auf den Jachthafen von Sentosa (Bild: Shutterstock)
Ebenfalls beliebt unter den kürzlich Verhafteten war die Reicheninsel Sentosa, wo insgesamt sieben Grundstücke «eingefroren» wurden. Sentosa gehört zu den touristischen Highlights Singapurs, verfügt unter anderem über einen luxuriösen Golfclub, wo die Mitgliedschaft mittlerweile eine Million Singapur Dollar kostet, beherbergt die Universal-Filmstudio und bietet einen Hafen, wo Jachten auch aus karibischen Steueroasen anlegen.
Drohende Ressentiments
Der Skandal stellt in mehrfacher Hinsicht ein grosses Problem für Singapur dar. Zum einen, weil der Staat seit je bemüht ist, die Harmonie zwischen den verschiedenen Ethnien zu fördern und eine derlei schamlose Demonstration von Reichtum, Privilegien und Kriminalität zu Ressentiments in der Bevölkerung führen könnte. Zum andern geraten ausländische Personen und Familien, die sich hier niedergelassen haben, unter Generalverdacht, ebenfalls zweifelhafte Geschäfte getätigt zu haben.
Ravi Menon, MAS (Bild: MAS)
Dass der langjährige und weltweit angesehene Geschäftsführer der Singapurer Finanzaufsichtsbehörde, Monetary Authority of Singapore (MAS), Ravi Menon, ausgerechnet diese Woche seinen Rücktritt per Ende 2023 bekannt gab, mag Zufall sein. Gleichwohl wirft dies ein ambivalentes Schlaglicht auf eine Behörde, die bislang dermassen bestrebt war, als Musterschülerin in der Bekämpfung von Finanzkriminalität zu gelten.
Darüber hinaus verwundert es, dass Menon, nach 36 Jahren im Staatsdienst, und erst vor sieben Monaten für eine weitere Amtsdauer von zwei Jahren gewählt, Ende 2023 die Flinte ins Korn wirft, wie auch finews.ch berichtete.
Günstiger Zeitpunkt für die Schweiz
Einiges deutet darauf hin, dass sich die Finanzmetropole Singapur noch einige Zeit mit diesem Skandal auseinandersetzen wird. Angesichts möglicherweise weiterer Enthüllungen dürfte dies über kurz oder lang an der Reputation und Attraktivität des Stadtstaates nagen. Davon wird vor allem der Finanzplatz von Dubai profitieren, der bereits seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs einen wahren Boom erlebt, da dort die westlichen Sanktionen keine Anwendung finden.
Ein Teil von Dubai (Bild: Unsplash)
Gleichzeitig kann die Schweiz durchaus mit einem gewissen Selbstbewusstsein die weitere Entwicklung ihres Finanzplatzes vorantreiben. Dafür ist nach dem Ende der Credit Suisse als eigenständige Bank und dem Entstehen der «neuen» UBS die Zeit nun günstig.