Nach einer eher ruhigen Phase suchen sich die Aktionärsaktivisten ihre Ziele wieder öfters in der Schweiz aus. Zum verstärkten Druck trägt auch der Gesetzgeber bei.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben in der Schweiz in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 verschiedene Aktionärsgruppen ihr Misstrauen gegenüber der Führungsspitze bekundet und aktivistische Kampagnen geführt.
Zu diesem Befund kommt das Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal (A&M), das am Mittwoch den neusten Bericht über Aktionärsaktivismus in Europa veröffentlicht hat.
Häufige Kritik an der Governance
Gemäss einer Untersuchung der Credit Suisse drehen sich in der Schweiz die meisten Kampagnen um Fragen zur Governance oder zu Akquisitionen. Grössere Kampagnen führten im Finanzbereich etwa der britische Aktivist Petrus Advisers, der bei der Genfer Softwareschmiede Temenos den Abgang des Führungsduos erzwang, wie auch finews.ch berichtete.
Druck machte zudem der als aggressiv bekannte Hedgefonds Third Point bei Glencore, nachdem er sich in der Vergangenheit unter anderem auch bei Nestlé eingemischt hatte. Der Aktivist Bluebell wiederum machte sich bei Genfer Luxusgüterkonzern Richemont mit seinem Widerstand gegen die geltende Strategie bemerkbar, scheiterte aber mit seinem Vorstoss zur Beschränkung des Einflusses der Besitzerfamilie.
Widerstand nimmt zu
In einem Ausblick sagen die Autoren von A&M für die Schweiz voraus, dass zwölf börsenkotierte Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen November 2022 und Mai 2024 zur Zielscheibe von aktivistischen Angriffen werden könnten. Im letzten Bericht von April 2022 wurden noch elf Unternehmen als gefährdet eingestuft.
Gemäss der Analyse haben die in der Schweiz börsenkotierten Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Konkurrenten bei der Rendite des eingesetzten Kapitals, dem Kapitalumschlag sowie dem Gewinn je Aktie gut abgeschnitten.
Aktionärsfreundlicherer Rechtsrahmen
Ein schlechtes Zeugnis wird aber ausgestellt bei der Maximierung der Aktionärsrendite sowie der Erhöhung der Betriebs- und Cashflow-Margen. Diese Bereiche werden nach Ansicht von A&M im Mittelpunkt des Interesses aktivistischer Investoren stehen. Bei den Branchen dürften Industrie, Technologie, Konsumgüter, Gesundheit und Materialunternehmen genauer unter die Lupe genommen werden.
Zunehmen könnte der Aktionärsaktivismus in der Schweiz allerdings auch wegen einem neuen gesetzlichen Rahmen. Mit der seit Anfang Jahr geltenden Reform des Schweizer Gesellschaftsrechts werden die Rechte der Aktionäre gestärkt.
So werden der Schwellenwert für die Einberufung einer Generalversammlung von 10 Prozent auf 5 Prozent der Stimmrechtsanteile gesenkt, das erforderliche Quorum für die Aufnahme eines Tagesordnungspunkts reduziert, die Informationsrechte gestärkt sowie das Erfordernis der Zustimmung der Aktionäre für eine Dekotierung eingeführt.
Amerikaner auf dem Rückzug
Auch in Europa sind die Unternehmen gegenüber aktivistischen Fonds vermehrt aufgeschlossen. Dem Bericht zufolge werden diese Aktionärsgruppen vermehrt als konstruktiv wahrgenommen, auch weil sie sich für Nachhaltigkeit einsetzen.
Wie es weiter heisst, kommen die neuen aktivistischen Fonds vermehrt aus Europa, insbesondere aus Grossbritannien, während der Anteil der US-Fonds zurückgeht.