Vom FTX-Debakel geht ein beträchtliches Risiko für die Krypto-Industrie aus. Prominente Branchenvertreter schnüren nun einen Rettungsfonds, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen.
Der Kollaps von FTX sendet Schockwellen durch die ganze Krypto-Branche. Insbesondere das Vertrauen in zentralisierte Börsen schwindet, zumal die von Sam Bankman-Fried «SBF» geführte FTX als ein solider Wettbewerber galt und im Zentrum der Szene stand.
«Nicht deine Schlüssel, nicht deine Krypto-Währung», ein vor allem in Bitcoin-Kreisen gebetsmühlenartig gepredigtes Mantra beherzigen besorgte Anleger dieser Tage mehr denn je. Sie befürchten infolge des FTX-Desasters eine Ansteckung in der gesamten Branche. Investoren haben daher ihre Krypto-Bestände, die sie bei anderen Börsen halten, zunehmend in selbstverwahrende Lösungen wie Hardware-Wallets verschoben.
Auf Abstand zu FTX
Als Folge des Zusammenbruchs beeilen sich Unternehmen für digitale Vermögenswerte weltweit, ihre Nutzer zu beruhigen und sich so weit wie möglich von FTX zu distanzieren. Auch Schweizer Krypto-Namen wie Bitcoin Suisse, Sygnum Bank oder Swissborg haben in den vergangenen Tagen ihren Kunden versichert, dass ihre Vermögenswerte sicher verwahrt sind respektive dass sie ein anderes Geschäftsmodell fahren als die inzwischen insolvente FTX.
Branchenriesen wie Binance, Crypto.com und OKX wiederum haben versprochen, den Nachweis zu erbringen, dass sie über genügend Reserven verfügen, um die Verbindlichkeiten gegenüber den Kunden zu decken. Teilweise haben sie ihre Krypto-Reserven schon offengelegt. Derweil hat die Krypto-Handelsplattform Kraken nach Gesprächen mit den Strafverfolgungsbehörden eine kleine Anzahl von Konten der FTX Group, ihres Schwesterunternehmens Alameda Research und von Führungskräften dieser Unternehmen eingefroren. Auch Kraken gehört zu den Krypto-Börsen, die sich zu mehr Transparenz verpflichtet haben.
Ein Déjà-vu?
Wie schon beim diesjährigen Zusammenbruch des Terra-Luna-Ökosystems erwarten viele Investoren, dass die von FTX ausgehende Ansteckungsgefahr zu einem Dominoeffekt führen könnte, dem weitere Unternehmen zum Opfer fallen werden. Tether, der Herausgeber des gleichnamigen Stablecoins, musste laut dem Datenanbieter Coinmarketcap in den letzten vier Tagen rund 3 Milliarden Dollar an Rücknahmen hinnehmen, wie die «Financial Times» berichtete (Artikel bezahlpflichtig). Das unterstreicht, wie stark Händler dem Kryptowährungs-Markt Mittel entziehen.
Das Terra-Luna-Dekakel bedeutete diesen Frühling unter anderem das Aus für einige der prominentesten Namen in der Industrie, etwa für den Krypto-Kreditgeber Celsius und den stark fremdverschuldeten Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital, der 2012 durch einen ehemaligen Händler der Grossbank Credit Suisse gegründet worden und einer der grössten Risikokapitalgeber in der Krypto-Industrie gewesen war. Jetzt wird die Krypto-Welt neuerlich von einer Vertrauenskrise heimgesucht – eine, die noch gravierender ist als diesen Frühling.
Rettungsaktion der Krypto-Grössen
Vor diesem Hintergrund spannen nun Krypto-Grössen zusammen, um das Ansteckungsrisiko einzudämmen. So richtet Binance zu Wochenbeginn einen «Recovery Fund» ein, um die Branche zu unterstützten. Changpeng «CZ» Zhao, der CEO von Binance, schrieb am Montag auf Twitter, dass weitere Details in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden.
Zudem sagte er, dass der Fonds offen für Co-Investoren aus der Branche ist. Tron-Gründer Justin Sun regierte umgehend und versicherte, dass Tron, Huobi Global und Poloniex Binance bei ihrer Initiative unterstützen werden. Huobi Global bestätigte dies ebenfalls in einem Tweet.
Binance-Chef CZ hatte letzte Woche vor einer möglichen «kaskadierenden» Krise im Krypto-Sektor als Folge des Ausfalls von FTX gewarnt, der seiner Meinung nach der globalen Finanzkrise von 2008 ähneln könnte. Seine heutige Ankündigung kommt einen Monat, nachdem Binance meldete, dass es 500 Millionen Dollar in Form einer Kreditfazilität für Bitcoin-Miner bereitstellen würde.
Unübersichtliches Firmengeflecht
Wie stark FTX und das Schwesterunternehmen Alameda mit dem Krypto-Universum verwoben sind, geht aus den Unterlagen hervor, die FTX im Zuge des Insolvenzantrags bei den Behören eingereicht hat. Dabei stellt sich das Krypto-Imperium von SBF als unübersichtliches Firmen- und Beteiligungsgeflecht heraus. Zu den Unternehmen der FTX Gruppe, die ein freiwilliges Verfahren nach Chapter 11 in den USA eingeleitet haben, gehören FTX.com, FTX US, Alameda Research und etwa 130 weitere verbundene Unternehmen, wie FTX.com in einer Pressemitteilung kommunizierte, die am Freitag (11. November) über den Twitter-Account veröffentlicht wurde.
Nicht nur Stars aus der Sportwelt und dem Showbiz sowie namhafte Finanzinstitute, die erheblich in FTX investiert hatten, gehören jetzt zu den grossen Verlierern des FTX-Absturz. Vom FTX-Aus betroffen sind auch zahlreiche Krypto-Projekte. Der Wagniskapitalarm FTX Ventures hat beispielsweise das Ökosystem von Solana mitfinanziert. Der oftmals als «Ethereum-Killer» angepriesene SOL-Token erlitt innert Wochenfrist einen Preissturz von mehr als 50 Prozent und war damit im Zuge des FTX-Debakels einer der grössten Verlierer.
Solana stark betroffen
SOL ist die zweitgrösste Beteiligung von Alameda Research und wurde vom ehemaligen FTX-CEO Sam Bankman-Fried stark gefördert. Einem früheren Bericht von «Coindesk» zufolge hielt Alameda zum 30. Juni 2022 rund 292 Millionen Dollar an «ungesperrtem SOL», 863 Millionen Dollar an «gesperrtem SOL» und 41 Millionen Dollar an «SOL-Sicherheiten».