Mit Obligationen aus Schwellenländern liegt 2011 eine Performance von 8 Prozent drin, sagt Fidelity-Portfolio-Manager John Carlson zu finews.ch.
Herr Carlson, seit zwanzig Jahre sind Anleihen aus Schwellenländern Ihr Geschäft. Im letzten Jahr sind sie sehr gut gelaufen. Nun vermuten viele Investoren, dass diese Anlagekategorie 2011 nicht mehr so stark wachsen wird.
Das glaube ich nicht. Die strukturelle Nachfrage nach Anleihen aus Schwellenländern ist immer noch in einem frühen Stadium. Zudem dürften sich die anhaltend tiefen Zinsen positiv auf die Kapitalkosten der Unternehmen auswirken. Wenn man von einer Basisverzinsung von rund 5,5 Prozent ausgeht, kann man mit einem Gesamtertrag von bis zu 8 Prozent rechnen.
Warum haben sich Bonds aus den Emerging Markets in den letzten Jahren überhaupt so gut entwickelt?
Viele Schwellenländer wurden von der globalen Finanzkrise nur marginal betroffen. Dank ihrem robusten Wirtschaftswachstum und dem begrenzten Engagement in «toxischen» Papieren von Banken gingen verschiedene Emerging-Markets gestärkt aus der Krise.
«Gute Voraussetzungen für Obligationen»
Zudem verzeichnen Länder wie China, Russland oder Indonesien geringe Haushaltsdefizite und erzielten deutliche Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz. Das schafft gute Voraussetzungen für Obligationen aus Schwellenländern.
Welchen Stellenwert haben Emerging-Market-Bonds im Anlageuniversum?
Seit 2005 sind rund 150 Milliarden Dollar in Schwellenländer-Bonds geflossen. Begünstigt wurde dies unter anderem auch durch die verbesserte Kreditqualität etwa in Mexiko, Brasilien und der Türkei.
«Wir kaufen Real und Peso»
Wie sieht Ihre Performance im laufenden Jahr aus?
Der Emerging Market Debt Fund erzielte bislang eine Performance von 12,3 Prozent.
Wie sieht Ihre Anlagestrategie 2011 aus?
Nächstes Jahr gilt: Sei flink, geschickt, aber nie gierig. Wir halten mindestens zwei Drittel unseres Portfolios in US-Dollar-Staatsanleihen; als lokale Währungen kaufen wir den brasilianischen Real sowie den mexikanischen Peso. Ländermässig gefallen uns überdies Argentinien und die Türkei. Unser Anteil an Firmenbonds beträgt 20 Prozent. Investiert sind wir derzeit in rund 50 Ländern.
«Die Märkte bleiben noch eine Weile irrational»
Wohin man auch schaut, der staatliche Einfluss auf die Finanzmärkte ist derzeit so gross wie noch nie. Wie gehen Sie als Fondsmanager damit um?
Wir werden noch einige Jahre damit leben müssen. Die Schwellenländer werden auf die Massnahmen aus der westlichen Welt mit Kapitalkontrollen reagieren. Vor diesem Hintergrund bleiben die Märkte irrational und entsprechend volatil.
Die staatlichen Kapitalspritzen ins Finanzsystem stossen auf immer grössere Kritik. Zu recht?
Eine verstärkte Fiskal-Disziplin wäre gerade im Fall der USA angebracht. Doch die Behörden haben sich nun einmal für «Quantitative Easing» entschieden, um die Probleme anzugehen.
Mit dem Resultat, dass manche Anleger eine Hyperinflation befürchten.
Das sehe ich nicht so. Wir befinden uns nach wie vor in einer Phase des Schuldenabbaus; die Konsumenten neigen zum Sparen, es gibt immer noch beträchtliche Überkapazitäten in der Industrie und die Arbeitslosigkeit ist in den USA vergleichsweise hoch. Erst wenn die Löhne eindeutig wieder steigen, kann es zu inflationären Tendenzen kommen. Doch an diesem Punkt sind wir noch nicht angelangt.
«Der Greenback hat Entwicklungspotenzial»
Was ist Ihre Meinung zum Dollar?
Mittelfristig sehe ich beim «Greenback» ein gewisses Entwicklungspotenzial. Irgendwann ist die Währung überverkauft. Wenn es dann gleichzeitig zu einem Wandel in der Geldpolitik der USA kommt, könnte der Dollar sehr rasch steigen. Man darf nie vergessen, dass der Dollar nach wie vor die internationale Leitwährung ist.
Ist das Investieren in den letzten Jahren schwieriger geworden?
Die Herausforderungen sind heute grösser. Vor zwanzig Jahren ging es in erster Linie darum, die Informationen aus den verschiedenen (Schwellen-)Ländern möglichst schnell zu kriegen. Wenn man beispielsweise mit Südafrika geschäftete, musste man alles daran setzen, auf der Telefonliste der Informanten möglichst zuoberst zu stehen.
«Bloss kein Market-Timing mit Bonds»
Heute kriegen alle Marktteilnehmer die Informationen gleichzeitig per Knopfdruck. Entscheidend ist dann, was die Investoren damit anfangen. Das ist sehr unberechenbar geworden. Folglich braucht es mehr Fachleute, welche die einzelnen Informationen besser einschätzen können. Darin liegt die Herausforderungen heute.
Eignen sich Obligationen eher für private oder für institutionelle Anleger?
Das ist nicht die Frage. Anleger, die primär den schnellen Reibach machen wollen, sollten die Finger davon lassen. Mit Anleihen lässt sich kein Market-Timing betreiben. Sie sind ein langfristiges Investment, bei dem man in einen säkularen Trend investiert.
«Für Pensionskassen geeignet»
So besehen sind Bonds für Pensionskassen durchaus geeignet. Schwellenländer-Anleihen machen im Gesamtmarkt der Staatsanleihen derzeit 6 Prozent aus. Diesen Anteil würde ich auch in einem globalen Bond-Portfolio empfehlen.
John Carlson ist Portfolio-Manager bei Fidelity Investment Managers. Mit seinen mehr als zwanzig Jahren Erfahrung im Business gilt er als «Bond-Veteran» in der Branche. Er studierte Mathematik und Astro-Physik bevor er 1983 bei Merrill Lynch ins Finanzwesen einstieg. Später arbeitete er für Security Pacific, Daiwa und Lehman Brothers. Im Jahr 1995 wechselte er zu Fidelity, wo er heute für verschiedene Fonds verantwortlich ist, unter anderem für den Emerging Market Debt Fund mit einem Volumen von 983 Millionen Dollar per Ende Oktober 2010.