Die Staaten haben weltweit die Folgen der Corona-Krise mit massiven Mitteln bekämpft. Schweizer Finanzexperten sehen die Schuldenpolitik der Regierungen nun in der Sackgasse – doch die Bonitätswächter sind euphorisch.

In der Finanzkrise von 2008 und nochmals in der europäischen Schuldenkrise mussten sich die grossen Rating-Agenturen harte Kritik gefallen lassen. Als Frühwarnsystem der Investoren hatten Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s versagt. Ihre verspäteten Herabstufungen wirkten oftmals wie Brandbeschleuniger.

Nun stehen die mächtigen Bonitätswächter erneut in der Kritik: Das Zürcher Kreditanalyse-Unternehmen Independent Credit View (I-CV) erachtet deren Optimismus betreffen der aktuellen Staatsverschuldung als problematisch.

Von Schocks ausgebremst

In seiner jährlichen Länderstudie warnt das unabhängige Analyse-Unternehmen in deutlichen Worten. Die Stimulierungs-Programme von Regierungen und Notenbanken hätten zwar die Folgen der Coronavirus-Pandemie eingedämmt und eine rasche Erholung bewirkt. Doch die globalen Verschuldungs-Zahlen seien in die Höhe geschossen. Nur wenige Staaten erfüllen laut I-CV die Voraussetzungen, diese Schuldenlast bei normalisiertem Zinsniveau tragen oder über die Zeit reduzieren zu können.

«Die Schuldenpolitik ist demnach vielerorts in der Sackgasse», folgern die Finanzexperten.

Sie erwarten, dass die Aufholjagd von Realwirtschaft und Finanzmärkten noch bis 2022 weitergeht. Angebots-Schocks sowie externe Faktoren, wie die Lage in China, die zunehmende Inflation sowie die überteuerten Häusermärkte, könnten die positive Dynamik aber ausbremsen.

Tiefzinsumfeld mit Ablaufdatum

Derweil lasse sich das Tiefzinsumfeld mit Blick auf Inflation und sich abzeichnenden Zinsschritten nicht mehr auf Dauer fortschreiben, so I-CV. Auch die Wachstumseffekte aus staatlichen Investitions-Programmen seien endlich.

Kurz: «die wirtschaftliche Erholung basiert auf Aufhol-Effekten und vorgezogenem Konsum, was wir nicht als nachhaltig erachten.» Die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schocks habe weiter abgenommen und die Schuldenlast bei Staaten, Haushalten und Unternehmen überlagert die Wachstumsaussichten.

Insbesondere die Bonität der hochverschuldeten Länder erscheint fragil. Wo es nicht gelingt, den Staatshaushalt zu konsolidieren, bleibt die Bonität abhängig von tiefen Zinsen und von hohen Wachstumsraten. Verändert sich einer der Parameter, drohen der Fall in die Schuldenspirale und Bonitäts-Herabstufungen.

Mehr Schwankungen im Handel

«In Anbetracht des bescheidenen Leistungsausweises der Regierungen, ihre Sondermassnahmen zeitnah zurückzufahren, erachten wir die Vorschuss-Lorbeeren seitens Rating-Agenturen und des Kapitalmarkts vielerorts als zu euphorisch.»

Diese Situation werde die Anleihenmärkte weiter beherrschen und für steigende Volatilität sorgen, folgern die Finanzexperten weiter. Anzunehmen ist, dass die Bewegungen am 100-Trillionen-Dollar-Markt mit Bonds auch den Rest des Finanzmarkts stark beeinflussen werden.