Sind Fussballer mehr an teuren Boliden, Tatoos und Bling-Bling-Uhren interessiert als an Finanzplanung? Manche Klischees sind wahr, sagt der Schweizer Vermögensverwalter und ehemalige Tennisprofi Thierry Grin zu finews.ch.
Der Fussballer Cristiano Ronaldo schickte Schockwellen durch die Chefetagen von Unternehmen, als er jüngst bei einer Pressekonferenz zwei Flaschen des Sponsors Coca-Cola aus dem Rahmen schob und erklärte, «agua» sei besser. Die kraftvolle Bildsprache vermittelte, wie viel Einfluss Sportler auf die Konsumenten heute haben – und wie viel Geld im Spiel ist.
«Wir erreichen einen Punkt, an dem Spitzenathleten – und Ronaldo ist ein perfektes Beispiel dafür – zum eigenen Medium werden und sogar den Aktienkurs von Coca-Cola beeinflussen», sagt Thierry Grin (Bild unten), Gründer und CEO von Baseline, einer vor 15 Jahre gegründeten Finanzboutique in Genf, gegenüber finews.ch.
Spott und Häme wegen Lamborghinis
Die Schweizer Fussballer wurden im Vorfeld der Europameisterschaft weithin verspottet, weil sie in Lamborghinis, Ferraris und Porsches ins Trainingslager fuhren – was hierzulande in der Heimat als ostentative Zurschaustellung von Reichtum angesehen wird (jetzt, da die Mannschaft nach dem Sieg über Frankreich das Viertelfinale erreicht hat, wo sie am Freitag auf Spanien trifft, hat der Chor der Missbilligung etwas nachgelassen).
Grin sagt, dass einige der Klischees über verschwenderische Sportler wahr seien. «Bei Mannschaftssportarten wie Fussball gibt es auch einen Wettbewerb zwischen den Spielern», sagt Grin. «Sie wollen das schönste Auto, die schönste Uhr haben – und die Bilder auf den Sozialen Medien sind von grosser Bedeutung.»
Vom Tennis-Profi zum Profi-Berater
Er weiss, wovon er spricht. Baseline, ein 850-Millionen-Franken-Vermögensverwalter, der früher unter dem Namen Alpenrose geschäftete, will sich künftig noch mehr auf die Vermögenden aus der Welt des Sports und der Unterhaltung konzentrieren. Diese Klientel macht derzeit etwas mehr als ein Drittel der Kunden aus. Grin selber kennt diese Welt: Er war vier Jahre lang Profi-Tennisspieler, unter anderem im Davis-Cup-Team der Schweiz, und ist nach wie vor Turnierdirektor des Geneva Open.
Der 52-Jährige, der nach dem Ende seiner Profikarriere in Lausanne Jura studierte, sieht es als seine Aufgabe an, unbequeme Wahrheiten anzusprechen. «Es ist wirklich schwierig, diese Athleten während ihrer Aktiv-Karriere zu überzeugen, weil die meisten von ihnen ein sehr grosses Ego haben». Das sei aber eben auch der Grund, warum sie grosse Sportler seien, sagt er.
UBS spannte Footballer ein
«Irgendwann muss man seinen Kunden sagen, dass sie vorsichtig sein sollen, weil sie am Ende in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten.» Die Betreuung von Athleten und Entertainern ist in den USA gut etabliert, wo die Schweizer Grossbank UBS kürzlich den ehemaligen American Footballer Adewale Ogunleye zum Leiter dieses Segments ernannt hat.
Die Schweizer Vermögensverwaltung liebt ihrerseits das Sponsoring von Sportereignissen. Die UBS ist zum Beispiel ein langjähriger Sponsor der Formel 1. Auf der Kundenseite geht die Branche weniger systematisch vor: Philippe Hertig von der Genfer Privatbank Mirabaud – selbst ehemaliger Profifussballer – hat sich auf junge Sportler spezialisiert.
Grin war bei der Lancierung des Sport- und Unterhaltungsgeschäfts der UBS dabei, das inzwischen eingemottet wurde.
Eine Frage der Erziehung
«Das Portfolio, welches wir im Auftrag von Sportlern verwalten, wird sich nicht wesentlich von dem eines Unternehmers unterscheiden», mahnt Experte Grin. «Aber es gibt andere wichtige Faktoren zu berücksichtigen, wenn man der Vermögensberater eines Sportlers ist.»
Dazu zählen höchst unterschiedliche Niveaus finanzieller Bildung sowie der Rückgang des Einkommens nach dem Ende der aktiven Sportkarriere. Die meisten Werbeverträge etwa werden zu diesem Zeitpunkt neu verhandelt. Grin hat sich um die Finanzen eines Basketball-Spielers gekümmert, der trotz 1,2 Millionen Dollar im Monat in der NBA nie zum Sparen kam.
«Meiner Erfahrung nach kommt es sehr auf die Erziehung jedes Einzelnen an», erklärt der Vermögensverwalter der Sportler weiter. Es gebe Athleten, die in ihrer Familie dazu erzogen worden seien, sehr vorsichtig mit Geld umzugehen. «Andere nicht so sehr», fügt Grin lakonisch an.
Rennpiloten mögen die Flat-Tax
Wenig überraschend für einen Boutique-Besitzer glaubt Grin, dass klein und spezialisiert in seinem Business auch «beautiful» sind. Dazu gehört, seine Grenzen zu kennen. «Wir sind keine Sportagenten – wir sind Vermögensverwalter», betont er. Baseline stützt sich auf ein seit 15 Jahren gepflegtes Netzwerk von Spezialisten, etwa für geistige Eigentumsrechte von darstellenden Künstlern.
Auch grenzüberschreitende Steuerfragen sind von grosser Bedeutung. Viele Formel-1-Rennfahrer haben sich in Monaco (keine Einkommenssteuer) oder in der Schweiz (Flat-Tax-Regelung) niedergelassen. Vermögensverwalter müssen jedoch darauf achten, wo Endorsement-Verträge bezahlt werden und welche Quellensteuer dort erhoben wird, wo sie unterzeichnet werden, mahnt Grin.
Und er weiss, zu seinem Glück: «Meistens werden sehr erfolgreichen Sportler, auch ohne einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, immer die richtigen Fragen stellen.»