Das deutsch-schweizerische Insurtech Wefox holt in seiner neuesten Finanzierungsrunde mehr Geld als alle hiesigen Fintechs im gesamten Jahr 2020. Das muss Standort-Strategen zu denken geben.
Die Schweizer Fintech-Szene hat ein Einhorn mehr: Wie das Insurtech Wefox am Dienstag vermeldete, konnte es in einer neuerlichen Finanzierungsrunde rund 650 Millionen Dollar aufnehmen. Damit steigt die Bewertung des Jungnternehmens, das mit 600 Mitarbeitenden zuletzt 143 Millionen Dollar Umsatz erzielte, auf 3 Milliarden Dollar. Ab 1 Milliarde Dollar Wert gilt für Startups der begehrte «Unicorn»-Status.
Holding in Zürich
Doch hiesige Standortstrategen können sich darüber wohl nicht so richtig freuen. Wefox wurde 2015 zwar in der Schweiz gegründet und unterhält in Zürich weiterhin den Holding-Sitz. Doch das operative Hauptquartier des Insurtech liegt längst in Berlin. Wie dort zu vernehmen war, erfolgte die Verlagerung in die deutsche Hauptstadt mit dem Ziel, den dortigen Pool an Tech-Talenten anzuzapfen.
Dabei ist es seither geblieben – auch wenn für die Versicherungs-Plattform Wefox sowie den hauseigenen Versicherer Wefox Insurance die Schweiz ein äusserst wichtiger Markt ist, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärte.
Getyourguide als Exempel
Mit seiner jüngsten Finanzierungsrunde bewegt sich das deutsch-schweizerische Insurtech nun in einer Grössenordnung, die Schweizer Verhältnisse weit in den Schatten stellt. Laut einer Branchenstudie der Hochschule Luzern (HSLU) konnte der hiesige Fintech-Sektor im Jahr 2020 rund 260 Millionen Franken an neuem Kapital aufnehmen. Die Zahl ist in der Klammer der Coronakrise zu betrachten, spricht aber trotzdem Bände. Müssen Fintechs und andere Startups erst auswandern, um an die richtig potenten Investoren zu gelangen?
Dazu passt exemplarisch der Weg von Getyourguide: Das an der ETH Zürich gegründete Tourismus-Startup wurde erst durch eine Finanzspritze aus dem Wagniskapital-Fonds der Zürcher Kantonalbank so richtig flügge. Den Einhorn-Status und Gelder von so schwergewichtigen Investoren wie dem japanischen Tech-Unternehmen Softbank holte die Jungfirma dann aber, als es bereits nach Berlin gezügelt war.
Heimische Einhörner
Marktstudien mögen das Urteil, dass das Manna für Fintechs nur im Ausland wächst, allerdings nicht zu belegen. So bewertet die HSLU die Risikokapital-Aktivität in der Schweiz insgesamt als gut. Nicht zu vergessen sind die diversen Einhörner, welche die hiesige Szene schon hervorgebracht hat. Zu nennen sind da insbesondere Exponenten des Zuger «Crypto Valley», so Ethereum, Dfinity, Polkadot oder Bitmain (wobei der Wert von hauseigenen Kryptowährungen wie Ether in die Rechnung mit einfliesst).
Überdurchschnittlich viel Geld anzuziehen vermochte auch das Plattform-Projekt Numbrs, dass zweitweilig ebenfalls eine Milliarden-Bewertung erreichte, zuletzt aber schwierige Zeiten durchlebt hat.
Agressiver werben
Somit spricht einiges dafür, dass auch hierzulande das universelle Gesetz gilt: viel Geld zieht noch mehr an. Selbst versierte Schweizer Business-Angel berichten, dass sie bei begehrten Fintechs aus dem Krypto-Segment Schlange stehen.
Bei der auf Investments in Krypto-Firmen spezialisierten Zuger Wagniskapitalgeberin CV VC sagte jedoch Olaf Hannemann unlängst zu finews.ch, dass die Werbetrommel mehr gerührt werden müsse: «Es wäre wünschenswert, wenn die Schweiz eine etwas aggressivere Startup-Strategie verfolgen würde.» Das Gründerpotenzial in der Schweiz sei sehr hoch.
Partners Group und LGT steigen ein
Dass erfolgversprechende Fintechs auch Geld aus heimischen Schatullen anzuziehen vermögen, zeigt sich just in der neuen Finanzierungsrunde von Wefox. Zu den Sponsoren zählen dort die Zuger Vermögensverwalterin Partners Group sowie Lightrock, die Wagniskapital-Gesellschaft der Liechtensteiner Fürstenbank LGT. Diese Investoren gesellen sich zu internationalen Grössen wie Mubadala, der Staatsfonds aus dem Emirat Abu Dhabi.
Von Wefox selber ist dabei zu vernehmen, der Standort sei für die Höhe von Finanzierungsrunden nicht massgeblich. «Tech-Investoren wählen Unternehmen ab einer gewissen Grösse nicht nach ihrem Standort aus, sondern fokussieren vor allem aufs Geschäft, die Performance und dem Track-Record von Startups.»