Im vergangenen Monat sind mehrere Publikationen zum Thema Sustainable Finance erschienen. Verschiedene Finanzinstitutionen haben so ihre diesbezüglichen Absichten dargelegt, und die Behörden haben ihnen ihr Vertrauen geschenkt. Doch was passiert eigentlich genau auf dem Schweizer Finanzplatz?, fragt sich Bankier Yves Mirabaud in einem Beitrag auf finews.ch.
Von Yves Mirabaud, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken
Im vergangenen Monat wurden mehrere Publikationen zum Thema Sustainable Finance veröffentlicht. Die Akteure des Finanzsektors haben ihre Absichten offenbart, und die Behörden haben ihnen ihr Vertrauen geschenkt... vorerst. Aber was passiert eigentlich genau?
Der Jahresbericht von Swiss Sustainable Finance bestätigt den allgemeinen Eindruck: Die Investitionen, die Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, stiegen im vergangenen Jahr um 62 Prozent auf 1'163 Milliarden Franken. Das bedeutet, dass fast jeder dritte in der Schweiz investierte Franken sich um Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) von ausgewählten Unternehmen kümmert.
Einheitliche Definition fehlt noch
Das ist weit mehr als in anderen Ländern. Und die gute Nachricht ist, dass sich das Volumen des auf diese Weise investierten Privatvermögens auf 21 Prozent dieser Summe fast verdreifacht hat.
Es gibt noch keine einheitliche Definition dazu, was eine nachhaltige Investition ist. Im Gegenteil, es gibt mehrere Ansätze (Ausschluss, Integration, Themen, Normen, Impact), die miteinander kombiniert werden können. Die von Vermögensverwaltern verwendeten Methoden werden von Zertifizierungsfirmen validiert. So wie es nicht nur eine Möglichkeit gibt, Gutes zu tun, gibt es auch nicht nur eine Möglichkeit, die ESG-Aspekte einer Investition zu berücksichtigen.
Auswirkungen auch auf die Schweiz
Das Europäische Parlament hat seinerseits soeben die Grundlagen einer Klassifizierung gebilligt, die sechs Umweltziele anerkennt: Verringerung der Treibhausgasemissionen, Begrenzung des Klimawandels, Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Prävention und Kontrolle der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität.
Eine Aktivität, die zu einem dieser Ziele beiträgt, ohne die anderen zu gefährden, wird als nachhaltig beurteilt. Der Fall der Kernenergie zum Beispiel ist noch nicht eindeutig geklärt. Es besteht kein Zweifel, dass diese Klassifizierung, wenn sie einmal abgeschlossen ist, auch auf die Schweiz Auswirkungen haben wird.
Beseitigung von Steuerhindernissen
Der Bundesrat teilt das Ziel der Finanzbranche, die Schweiz in Sachen Nachhaltigkeit zu einem führenden Finanzplatz zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Regierung Rechtssicherheit, Transparenz und Risikoberücksichtigung verbessern. Sie setzt sich für die Verbesserung der Exportfähigkeit von Schweizer Finanzprodukten und -dienstleistungen ein, wozu auch die Beseitigung bestehender Steuerhindernisse (Verrechnungssteuer und Stempelabgabe) gehört.
Der Finanzsektor schätzt das ihm entgegengebrachte Vertrauen, die besten Produkte zu entwickeln, die den Wünschen der Kunden entsprechen, für eine bessere Welt zu handeln. Er ist sich bewusst, dass es in seiner Verantwortung liegt, neue Ausbildungen anzubieten und glaubwürdige Labels zu definieren.
Selbst für kleine Beträge
Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren ist nicht länger eine Wahl, sondern eine Tatsache, die genauso zu analysieren ist wie die Finanzen eines Unternehmens. Jede Bank muss interne Standards setzen, ihre Berater in diesem neuen Ansatz schulen und mit ihren Kunden Nachhaltigkeitspräferenzen diskutieren. Nachhaltigkeit geht oft mit Rentabilität zusammen, selbst für kleine Beträge.
Schliesslich befasst sich natürlich auch die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma mit Klimarisiken in der Finanzbranche. Für sie stellt mangelnde Nachhaltigkeit ein finanzielles Risiko dar; ob es sich nun um ein direktes Risiko wie bei einer Naturkatastrophe oder um indirekte Risiken wie rückgängige wirtschaftliche Aktivität handelt. Sie stellt auch sicher, dass die Informationen, die den Kunden gegeben werden, klar, ehrlich und verständlich sind, einschliesslich der Informationen über die Kosten.
Schweiz soll ein Massstab werden
Im Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Kunden, der Behörden und der Gesellschaft ist also alles dafür getan, dass die Schweiz zu einem Massstab für «Sustainable Finance» wird.