Die Genfer Privatbank Mirabaud feiert ihr 200-jähriges Bestehen; dies in einer Zeit, in der sich Bankmanager betrunken in die Wolle kriegen, Widersacher bespitzeln lassen und sich in ihrem Machtstreben noch anderer Peinlichkeiten preisgeben.
Vor allem im Ausland, wo man schon immer einen kritischen Blick auf die «Gnomen» warf, sorgen die jüngsten Ereignisse umso mehr für Spott und Schadenfreude. Doch eigentlich hat es die Schweiz seit mindestens drei Jahrzehnten nicht einfach mit ihren grossen Aushängeschildern im Swiss Banking, die sich von Skandal zu Skandal hangeln, egal, ob es um nachrichtenlose Vermögen, um Beihilfe bei Steuerhinterziehung, masslose Bonusauszahlungen oder um Zins- und Devisenkurs-Manipulationen geht.
An die Frequenz der Bussen und Verurteilungen, die die Schweizer Grossbanken in einer Regelmässigkeit zu vergegenwärtigen haben wie der Takt eines Metronoms, hat sich die Öffentlichkeit mittlerweile gewöhnt. Allerdings mit dem Makel, dass das Ansehen der Schweizer (Gross-)Banken in weiten Teilen der Bevölkerung so gering ist wie noch nie.
Rätselhafte Privatbankiers
Wären da nicht die wenigen verbliebenen Privatbanken, die es noch schaffen, mit ihren Werten dem Bankwesen eine gewisse Seriosität einzuhauchen. Natürlich hat die Institution des Schweizer Privatbankiers schon immer Rätsel aufgeben. Doch Diskretion verfehlte nie ihre Anziehungskraft, so dass das Vertrauen auch nie einer Begründung bedurfte, boten doch Ruf, Namen und Tradition dieser Gilde allein schon Gewähr für Sicherheit und untadelige Geschäftsführung.
Unter diesen Prämissen brachte der deutsche Anwalt Günter Woernle, der viele Jahre in der Westschweiz lebte, die Essenz Schweizer Privatbankiers überaus anschaulich auf den Punkt, als er schrieb: (Nach dem Besuch einer Schweizer Privatbank) «ging der Kunde zufrieden seines Weges – der Deutsche beeindruckt von Rechtschaffenheit und Genauigkeit, der Brite beruhigt durch höfliches «understatement», der Franzose bestätigt in seiner Vision individueller Gerechtigkeit und der Italiener versunken in Gedanken an das irdische Paradies, in dem sein Lamento endlich Gehör gefunden hatte.»
Schicksal als Summe
Natürlich sind auch Privatbanken nicht frei von jeglichem Makel. Doch gibt es einige Häuser, denen durchaus nachgesagt werden darf, den über Jahrhunderte überlieferten Werten und Tugenden bis in unsere Zeit treu geblieben zu sein. Mirabaud etwa. Doch was genau hat dieses Finanzinstitut gemacht, damit es heute sein 200-jähriges Bestehen feiern kann?
«Wir glauben, dass das Schicksal die Summe all unserer Handlungen ist. Und unser Handlungsfeld ist die Gegenwart, während wir die Vergangenheit und die Zukunft als Räume zum Denken und Nachdenken sehen. Deshalb sind wir bestrebt, für das Hier und Jetzt bereit zu sein», geben die heute sechs geschäftsführenden Gesellschafter (Bild ganz oben) zu Protokoll. Was möglicherweise betulich anmutet, lässt sich in der 200-jährigen Geschichte des Hauses jedoch gut nachzeichnen und damit auch der Beweis antreten, dass nicht bloss schiere Grösse zählt, sondern Wendigkeit und Weitsicht. Heute würde man von Vision und Agilität sprechen.
Moderne Finanzmärkte
Jacques-Marie Mirabaud, Bankier in Mailand und Financier der Feldzüge Napoleons in Italien, gründete die Bank 1819 in Genf. Es dauerte allerdings fast 40 Jahre bis das Unternehmen 1857 beim Aufbau des Schweizer Bankensystems und bei der Gründung der ersten Wertschriftenbörse hierzulande mitwirkte und damit zu einer prägenden Institution für den Finanzplatz wurde. So gesehen war es logisch, dass die Bank 1931 auch als Mitbegründerin der Vereinigung Genfer Privatbankiers auftrat.
Früh erkannten die Verantwortlichen bei Mirabaud das Potenzial der modernen Finanzmärkte, indem sie bereits 1973 den ersten Anlagefonds im Bereich alternativer Anlagen emittierten. Im Gegensatz zu vielen anderen Privatbankiers hat vor allem Pierre Mirabaud (Bild oben) früh auf Hedgefonds gesetzt und für seine Kunden und sich selbst viel Geld verdient. Er war einer der ersten, die dem ungarisch-amerikanischen Investor George Soros Geld anvertraute. Damit legte Mirabaud den Grundstein dafür, dass das Haus die Kunst des innovativen Investierens vermutlich höher gewichtete als andere Institute.
Zusätzliche Geschäftsfelder
Die Bank bewies nicht nur anlagetechnisch, sondern auch geographisch einige Weitsicht. So etablierte sie bereits 1990 eine Präsenz in London mit Brokerage, Asset Management und Wealth Management Services, 1998 eröffnete sie eine Präsenz in Zürich sowie 2003 in Paris.
Und vor dem Hintergrund des wandelnden Private Banking erkannten die Teilhaber Mirabauds die Notwendigkeit, in zusätzliche Geschäftsfelder, namentlich in das Corporate-Finance-Geschäft, ins Asset Management sowie in Private-Equity-Anlagen zu expandieren. Auch die Gründung einer Bank in Luxemburg sowie der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktienkommanditgesellschaft waren Entscheide, um den geopolitischen Veränderungen gerecht zu werden.
Siebte Generation
Noch wichtiger ist indessen, dass es die Bank geschafft hat, Vertreter der siebten Generation der Familie (mit Yves Mirabaud sowie Nicolas Mirabaud und Camille Vial, Bild oben) für das Unternehmen zu gewinnen und gleichzeitig Fachleute von aussen als weitere Partner zu rekrutieren. Und seit Anfang Juli dieses Jahres ist Camille Vial als geschäftsführende Teilhaberin von Mirabaud eine der wenigen weiblichen Bank-CEOs in der Schweiz.
Mit insgesamt 700 Beschäftigten und verwalteten Kundenvermögen von 34 Milliarden Franken zählt Mirabaud nicht zu den grossen Schweizer Finanzinstituten, leistet aber regelmässig einen wichtigen Beitrag an den hiesigen Finanzplatz; beispielsweise indem Pierre Mirabaud sechs Jahre die Schweizerische Bankiervereinigung präsidierte oder Yves Mirabaud der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken vorsteht.
Freier Eintritt
(Nicolas Mirabaud, Lionel Aeschlimann, Camille Vial, Yves Mirabaud, von links)
Die Bank Mirabaud zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie einiges anders macht: So sind beispielsweise alle sechs Partner in die Finanzprodukte des Hauses investiert, wie Lionel Aeschlimann, geschäftsführender Teilhaber und zuständig fürs Asset Management, betont. Das ist nicht bei vielen anderen Geldhäusern der Fall.
Und um die Bevölkerung am 200-jährigen Bestehen der Bank teilhaben zu lassen, ist der Besuch des Musée d'Art Moderne et Contemporain in Genf das ganze Jahr gratis. «Zeitgenössische Kunst zwingt uns, unsere Augen zu öffnen und die Dinge etwas anders zu sehen», sagt Lionel Aeschlimann und bringt damit in gewisser Weise auf den Punkt, was die Privatbankiers von Mirabaud in den vergangenen zweihundert Jahren geleitet haben dürfte.