Der Wechsel ins Präsidium der Swiss Re ist für Sergio Ermotti ein Coup. Der Karriereschritt des UBS-Chefs legt aber auch eine Schwäche des Schweizer Finanzplatzes offen.
Walter Kielholz (Bild unten) ist seit 17 Jahren Verwaltungsratspräsident eines grossen Schweizer Finanzinstituts. Zuerst, von 2003 bis 2009, stand er der Credit Suisse (CS) vor. Seither ist er Präsident des Rückversicherers Swiss Re.
Heute noch führt mit Urs Rohner ein viel kritisierter Präsident die CS, den Kielholz dort installiert hat. Mit der Kür von Sergio Ermotti zu seinem Nachfolger beim zweitgrössten Rückversicherer der Welt stellt Kielholz auch dort seinen Einfluss sicher.
Enger Horizont
Unter den sechs grossen börsenkotierten Banken und Versicherern in der Schweiz – UBS, CS, Julius Bär, Swiss Re, Zurich und Swiss Life – hat nur die UBS mit Axel Weber einen Präsidenten, dessen operative Karriere nicht ebenfalls bei einer dieser sechs Firmen ihren Höhepunkt fand. Der ehemalige Professor und Präsident der Deutschen Bundesbank hatte entscheidenden Anteil daran, dass die UBS ihre Strategie bereits 2012 radikal auf die Vermögensverwaltung ausrichtete.
Das heisst nicht, dass den anderen Verwaltungsratspräsidenten der hiesigen Finanz-Schwergewichte die nötigen Fähigkeiten fehlen. Möglicherweise spiegelt sich die Fantasielosigkeit bei der Personalsuche auch im Strategieprozess der so geführten Firmen.
Dabei steht der Schweizer Finanzplatz vor riesigen strategischen Herausforderungen. Um die schwerfälligen Finanzunternehmen angesichts der Digitalisierung, der Ansprüche neuer Kundengenerationen und der tiefen Zinsen zukunftsfähig zu halten, sind Flexibilität und Kreativität gefragt.
Stattdessen zeigt die Wahl des scheidenden UBS-CEO durch Kielholz, wie eng der Horizont der hiesigen Finanzbranche der Globalisierung zum Trotz immer noch ist. Seine interne Machtpolitik bei der UBS in den letzten zwei Jahren hat Ermotti offenbar die Chance gekostet, bei der UBS auf den Präsidentenstuhl aufzurücken.
Gute Noten für Lacher
Ob dies die richtigen Voraussetzungen sind, um bei der Swiss Re für Aufbruchsstimmung zu sorgen, ist fraglich. Zumal die eher zerebrale Belegschaft des Versicherungskonzerns auf ganz andere Anreize ansprechen dürfte als die Banker, welche Ermotti seit mehr als 30 Jahren führt.
Im Gegensatz dazu hat Romeo Lacher (Bild oben), oberster Chef der Bank Julius Bär, für seinen letzten Job als Präsident des Börsenbetreibers SIX durchgehend gute Noten bekommen. Noch bis Mitte Monat übt er beide Funktionen gleichzeitig aus, danach wird er sich auf die Privatbank konzentrieren.
Der in der Wolle gefärbte Grossbanker rückte 2004 in die Geschäftsleitung des CS-Wealth-Management auf, zu einer Zeit, als sich dieses Geschäft noch eher durch Verschwiegenheit und Schwarzgelder als durch transparente Dienstleistungen auszeichnete. Nun muss er bei Julius Bär mithelfen, einen verspäteten Kulturwandel durchzusetzen.
Nachfolger von der Swiss Re
Auch beim Infrastrukturunternehmen SIX, welches den Schweizer Banken gehört, zeigt sich jedoch, wie klein die Schweizer Finanzwelt ist: Lacher wurde dort Präsident, weil sein Vorgänger Alexandre Zeller ins Strategie-Gremium der CS wechselte und gleichzeitig das Präsidium der Credit Suisse Schweiz übernahm. Inzwischen ist er Partner der Privatbank Lombard Odier.
Lachers Nachfolger Thomas Wellauer wiederum ist auch ein Finanzplatz-Urgestein und im Sommer 2019 nach neun Jahren als Chief Operating Officer der Swiss Re zurückgetreten. Seinen ersten Posten als Geschäftsleitungsmitglied hatte er als CEO der Winterthur Versicherung, welche 1997 kurz nach seinem Antritt von der CS übernommen wurde.
Dort war er kurzzeitig Lachers Chef, bevor er die CS inmitten einer chaotischen Restrukturierung verlassen musste. Vor seiner Rückkehr in die Finanzbranche heuerte er zuerst bei Clariant und dann bei Novartis an.
Altbekannte bei der CS?
Derweil deutet einiges darauf hin, dass auch beim nächsten Wechsel an der Spitze eines dieser grossen Finanzunternehmen nicht mit einem neuen Namen zu rechnen ist. Der Rücktritt von Urs Rohner ist auf die Generalversammlung der CS im Frühling 2021 geplant.
Auch bei ihm werden als mögliche Nachfolger meist Leute gehandelt, deren Namen den meisten Schweizer Bankern geläufig sind: Darunter sind der ehemalige Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand oder Ulrich Körner, der letztes Jahr aus der UBS-Geschäftsleitung ausschied.
Einflussreicher Ehrenpräsident
Ein dritter möglicher Kandidat, dessen Ernennung angesichts der engen personellen Verzahnung nicht erstaunt hätte, ist Alexander Gut (Bild oben). Mit seinem Rücktritt aus dem Verwaltungsrat der Credit Suisse scheint immerhin die Möglichkeit abgewendet, dass der Sohn des Ehrenpräsidenten Rainer Gut dort zum Präsidenten wird und den Finanzplatz damit definitiv dem Vorwurf der Klüngelei aussetzt.