Der renommierte Investor Daniel Gutenberg hält von Bitcoin sehr viel, von Blockchain-Startups aber wenig. Im Interview mit finews.ch erklärt er zudem, warum er Fintechs bislang kaum Geld gab.
Herr Gutenberg, Sie gehören zu den Initianten der Crypto Finance Conference in St. Moritz. Sind Sie als Investor dabei, oder um an neue Ideen und Kontakte für Investments zu gelangen?
Es ist ein Investment, wenn auch nicht eines, wovon ich mir nun grosse Reichtümer verspreche. Natürlich soll die Crypto Finance Conference auch wirtschaftlich ein Erfolg werden. Doch der Hauptgrund ist, dass ich die Krypto-Szene näher beobachten möchte, um vielleicht ein Startup zu entdecken, in das ich investieren könnte.
Es ist grundsätzlich sehr schwierig, sich einen Überblick über die Krypto- und Blockchain-Szene zu verschaffen und über die Entwicklungen im Bilde zu bleiben. Die Konferenz und der Kontakt mit den Teilnehmern sind dafür sehr hilfreich.
Sie haben als Investor einen fast schon legendären Ruf, aber als Fintech-Investor sind Sie bislang kaum in Erscheinung getreten. Sie waren in Sumup investiert, ein Kartenzahlgeräte-Hersteller...
Bei Sumup bin ich immer noch investiert, sowie in Advanon, und noch in ein drittes Fintech namens Stone in Brasilien. Das ist gerade für 7 Milliarden Dollar an die Börse gegangen.
Dann muss ich mein Urteil gleich revidieren...
Nein, Sie haben schon recht, ich bin nicht auf Fintechs spezialisiert.
Woran liegt das?
Das liegt an meiner Art und Weise, wie ich investiere.
Wir sind gespannt.
Ich investiere nicht in Unternehmen, sondern in den CEO.
«Unter Blockchain-Startups bin ich noch nicht fündig geworden»
Es spielt vorderhand keine Rolle, um welche Branche oder welche Technologie es sich handelt. Mich interessiert das Gründungsteam und die Führungsmannschaft.
Das heisst, Sie investieren in Personen und ihre Businesspläne, weniger in die jeweiligen Technologien.
Richtig. Der Vorteil dieser Methode ist, dass ich völlig sektorunabhängig bin.
Die Blockchain-Technologie finden Sie aber grundsätzlich interessant.
Ich habe an ihr einen Narren gefressen, seit ich im Jahr 2013 das White Paper von Satoshi Nakamoto (Pseudonym des bis heute unbekannten Bitcoin-Erfinders, Red.) gelesen habe. Seit diesem Zeitpunkt suche ich unter Blockchain-Startups auch nach Investmentideen. Aber bislang bin ich nicht fündig geworden.
Sie sind immerhin beim Schweizer Unternehmen Crypto Finance investiert. Was hat dort den Ausschlag gegeben?
Das stimmt, dort bin ich mit einer kleinen Beteiligung dabei. Hinter dem Unternehmen stehen hervorragende Leute, mit Tobias Reichmuth ist ein sehr fähiger Verwaltungsratspräsident an Bord.
Bezüglich Blockchain-Investments gibt es eigentlich zwei Möglichkeiten: In die Währungen oder Token zu investieren oder in die zugrundeliegende Technologie. Was interessiert Sie mehr?
Grundsätzlich überzeugt mich Bitcoin und dessen Konzept des «store of value», also des Wertspeichers.
«Wenn der Zeitpunkt kommt, bin ich bereit»
Die Blockchain-Technologie ist aus dem Bitcoin entstanden. Ich sehe da ebenfalls spannende Konzepte, doch vollständig überzeugt hat mich bislang noch keines.
Die Blockchain-Technologie steckt noch in den«early stages», wie Risikokapitalgeber sagen. Das heiss, die zukünftige Entwicklung ist noch höchst unsicher. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um in eine «early stage»-Technologie zu investieren?
In Bezug auf die Blockchain hoffe ich, dass sich die Technologie dieses oder kommendes Jahr so weit entwickelt. Doch genau kann man das nicht wissen. Ich bin immer noch im Beobachterstatus. Wenn der Zeitpunkt kommt, bin ich bereit.
Neue Technologien entwickeln sich auch in Zyklen. Vom Startpunkt zum Hype, über Ernüchterung und Desillusionierung bis zum Punkt, wo die Technologie effektiv produktiv wird. Beachten Sie das?
Ja, neue Technologien entwickeln sich eigentlich immer in Zehn-Jahres-Zyklen. Die Blockchain ist nun etwa im fünften Jahr, also dauert es wohl nochmals fünf Jahre, bis zur vollständigen Reife. Ich denke darum, dass für mich richtige der Zeitpunkt bald kommt.
Ein bestimmendes Thema an der Crypto Finance Conference war die Regulierung von Crypto Assets und Blockchain und das Setzen von Rahmenbedingungen. Ist dies ein Zeichen dafür, dass sich die Szene von ihrem disruptiven Anspruch entfernt und nun mehr in Richtung Kooperation entwickelt, ähnlich wie die Fintech-Szene zuvor?
In der Tendenz stimmt das. Doch ich bedauere diese Entwicklung. Die wirklich spannenden Startups oder Ideen findet man nicht unter denen, die sich bestehenden Verhältnissen anpassen oder von einer Finanzmarktaufsicht regulieren lassen.
«Auch ich bin meistens Bittsteller»
Wirklich spannende «cases» wollen unabhängig bleiben. Aber solche habe ich bislang vergeblich gesucht.
Nochmals zurück zu Crypto Finance – zu dem Unternehmen zählen auch Crypto Fund und Crypto Storage. Da sind neben ihnen auch andere prominente Investoren an Bord: Rainer-Marc Frey, Eric Sarasin, Raymond Bär... Zieht ein bekannter Name andere bekannte Investoren an?
Ja, das ist so. Bei Crypto Finance war ich nur ein sogenannter «follower». Doch beobachte ich bei meinen Investments, dass andere anschliessend mitinvestieren wollen. Das ist insofern verständlich, als dass ich bereits einen über 20 Jahre langen Track-Record habe und andere auf meine Erfahrung zählen.
Wie schwierig ist es, bei einem «heissen» Startup einen Anteil zu ergattern?
Auch ich bin meistens Bittsteller und muss mir meine Investments erkämpfen. Natürlich kommen sehr viele Startups auf mich zu und bitten um Geld. Doch bei den richtig guten Unternehmen muss ich mich in die Schlange der Interessenten einreihen und werde vielfach auch abgewiesen.
Die finanziellen Mittel, welche Sie als Investor haben, spielen weniger eine Rolle?
Nein, überhaupt nicht. Die guten «cases» sind meistens überfinanziert.
Ein guter Investor findet auch den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg. Auf Ihrer Website bezeichnen sie das Investment in windeln.de als erfolgreich. Die Aktie ist nach dem Börsengang brutal abgestürzt.
Die Windeln-Geschichte war für mich tatsächlich ein guter Erfolg. Denn ich war nicht als Investor dabei, sondern ich habe meine Portfolio-Firma toys.ch an windeln.de verkauft – sehr erfolgreich übrigens. Dafür habe ich Aktien der börsennotierten windeln.de erhalten – und diese dann wieder verkauft.
Offenbar rechtzeitig. Folgen Sie einem bestimmten Prinzip oder ist da auch Bauchgefühl dabei?
Als ich meine eigene Firma, die von ich von Null aufgebaut hatte, verkaufen wollte, war der Käufer bereit, einen deutlich zu hohen Preis zu bezahlen. Dabei hatten wir beide recht: Ich wusste um den reellen Wert meiner Firma.
«Ich sehen den Wert des Bitcoin zwischen 100'000 und 200'000 Dollar»
Der Käufer wusste, dass der Firmenkauf den eigenen Börsenkurs deutlich in die Höhe treiben würde. Daraus lernte ich, dass nicht die Marktlage einen Firmenwert bestimmt, sondern betriebswirtschaftliche Faktoren. Wenn also der reelle Wert einer Firma im Markt nicht richtig repräsentiert ist, zögere ich nicht und verkaufe.
Waren Sie demnach auch in Kryptowährungen investiert und haben rechtzeitig verkauft?
Ich besitze immer noch Bitcoin, die ich im Jahr 2013 gekauft habe.
Wo sehen Sie denn den reellen Wert des Bitcoin?
Wenn ich eine Zahl nennen muss, dann irgendwo zwischen 100'000 und 200'000 Dollar.
Dann gehören Sie zu den Menschen, die an das Potenzial des Bitcoin glauben...
Absolut!
Wenn zahlreiche renommierte Ökonomen und Währungsspezialisten sagen: Der innere Wert des Bitcoin ist Null. Worin besteht das Potenzial denn?
Diese Leute haben nichts verstanden. Beim Bitcoin geht es darum, dass man Geld oder Werte absolut sicher aufbewahren, verschieben und teilen kann, ohne dass man einen Vermittler fragen muss. Das kann man derzeit nur mit Bitcoin, darum ist der Wert so hoch. Um das wirklich zu begreifen, braucht es in gewisser Weise eine andere Denkweise.
Bei den massiven Preisschwankungen haben Sie sozusagen teilnahmslos zugeschaut?
Ja, ich habe 2013 Bitcoin gekauft und gesagt: Diese rühre ich die nächsten zehn Jahre nicht an. Fünf Jahre habe ich also noch vor mir. Bisher habe ich mit Bitcoin also eine Super-Performance erzielt und sie wird noch viel besser.
Daniel Gutenberg ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Startup-Investoren der Schweiz. In der ersten Tech-Welle machte er mit dem Verkauf seiner eigenen Firma viel Geld, knapp zehn Jahre später war er mit Facebook sehr erfolgreich. Der Zürcher absolvierte eine Technikerausbildung, arbeitete aber erstmal als Surflehrer auf Hawaii. Startups begleitet er als Investor und Berater seit über 15 Jahren.