Nachhaltiges Investieren ist der Trend im Asset Management. Andreas Hoepner, Finanzprofessor und ESG-Spezialist, sagt im Interview mit finews.ch deutlich, was Marketing und was ein seriöses Angebot ist.


Herr Hoepner, Sie reisen nach Liechtenstein zur grossen Konferenz über nachhaltiges Investieren, die morgen Freitag stattfindet. Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

Ich habe mir angewöhnt, keine Erwartungen aufzubauen. Wie Patrick Pawn schon gesagt hat, unglückliche Menschen erwarten zu viel vom Leben. Glückliche Menschen freuen sich über das, was das Leben Ihnen bietet.

Es brauchte mehrere Anläufe, bis Sustainable oder ESG-Investing effektiv eine hohe Relevanz im internationalen Asset Management erlangt hat. Gab es einen Auslöser dafür?

Ja, seitdem James Gifford in seiner Masterthesis 2004 die geniale Idee hatte, die Relevanz von ESG mit der Machtsteigerung von Vermögensinhabern zu verknüpfen und dazu 2006 die Principles for Responsible Investors gründete, läuft’s mit dem Thema.

«Einzelne Marktteilnehmer würde ich durchaus als unethisch einstufen»

Die Region Deutschland, Schweiz und Österreich ist dann ab 2011 auch aufgewacht.

Sustainable Investing ist einer der grossen Trends. Trends ziehen immer Trittbrettfahrer an. Ist das nur ein Störfaktor oder birgt dies bereits Glaubwürdigkeitsprobleme?

Einzelne Marktteilnehmer mit sehr lautem, aber recht intransparentem Marketing zeigen in der Tat Verhalten, das ich persönlich als unethisch einstufen würde. Die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) und ihre Relevanz für zukünftige Generationen sind jedoch kein Trend, sondern ein kultureller Wandel getrieben von denen, die in einer zunehmend digitalisierten und globalen Welt aufgewachsen sind.

Was unterscheidet einen dedizierten Sustainable Asset Manager von einem «Green Washer» und woran erkennt ein Kunde dies?

Ein guter Sustainable Asset Manager kann Ihnen Strategien bedürfnisgerecht und transparent anbieten, die herkömmliches Investieren mit hochqualitativen ESG-Informationen systematisch verknüpfen. Der Researchleiter sollte eine fachrelevante Promotion oder ähnliche Fähigkeiten haben und auch die Senior Executives sollten sich auskennen.

«Ich sehe eine negative Korrelation zwischen Marketing und Qualität»

Das darf für institutionelle Anleger auch nicht mehr als 35 Basispunkte kosten. Kann Ihr Asset Manager das nicht und überflutet sie anstatt dessen nur mit Marketing, Buzzwording und Namedropping, dann fragen Sie am besten andere Kunden oder praxistaugliche Akademiker nach Alternativen. Ich persönlich sehe im Regelfall eine negative Korrelation zwischen der Marketingintensität und technischer Qualität von Asset Managern.

Sie haben die Effekte von ESG-Investments in Portfolios untersucht. Welche sind dies?

ESG kann sehr gut Risiko reduzieren, wenn sie Risiko als die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ereignisses messen, also mit Bear-Beta anstatt Beta, Standard Error anstatt Standard Deviation oder Vola und Trailing Error anstatt Tracking Error. Passen sie hier gut auf, denn das was viele Banker Ihnen als Risikomessung verkaufen wollen, ist die Wahrscheinlichkeit eines unerwarteten Outcomes, nicht eines negativen Outcomes.

Haben Sie selber Erkenntnisse, ob es Performanceunterschiede von ESG-Portfolios zu herkömmlichen gibt?

Ja, wenn sie Performance als Return pro Unit Risiko messen sind gute ESG-Portfolios derzeit besser.

Für manche Sustainable-Investing-Anbieter ist der Bereich ein Labor für Produktinnovationen geworden. Ist das notwendig oder eine Strategie, um höhere Margen zu erzielen?

Technische Labore mit mehr als 50 Prozent promovierten Wissenschaftern oder Masterabschlüssen in Computer Science und Financial Data Science sind die Zukunft des Asset Management, da sie bessere Qualität zu geringeren Kosten bieten.

Glaubwürdigkeit ist im Bereich Sustainable Finance wohl das höchste Gut. Steht das nicht im Widerspruch zu einer Finanzindustrie, die ein Glaubwürdigkeitsproblem hat?

Jein, die Teile der Finanzindustrie, die direkt von Emittenten bezahlt werden, also zum Beispiel Investment Banker, haben natürlich keine Glaubwürdigkeit, da ihre Informationen ihrem Kunden und nicht der Präzision dienen.

«Teile der Finanzindustrie, die absichtlich intransparent sind, haben Schwierigkeiten»

Die Teile der Finanzindustrie, die absichtlich intransparent sind wie viele Private Equity oder Hedge Funds, haben auch Schwierigkeiten in diesem Bereich. Die Teile aber, die von Vermögensinhabern für Qualität bezahlt werden wie gute nachhaltige Asset Manager oder Custodians können sehr wohl glaubwürdig und transparent sein. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es einfach entscheidend, dass Marktteilnehmer in der Zukunft ausschliesslich für transparente Qualität und nicht für Marketing bezahlt werden.

Asset Manager sind beim Sustainable Investing auf die Daten angewiesen, welche von den Unternehmen zugänglich gemacht werden. Wie sehen Sie hier die Gefahr von «Green Washing» oder falschen Angaben?

Schauen Sie bei climatedisclosure100.info nach, wie viele Firmen vollständig über Emissionen berichten und Sie werden sehen, dass über 90 Prozent derzeit dem «Greenwashing» recht nahe stehen.

Was sind Instrumentarien, um die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit, mehr Transparenz und belastbaren Daten zu bewegen?

Das sind erstens ESG-Rating-Agenturen, die www.deepdata.ai unterschrieben haben, zweitens sind es ESG-Engagements ausgeführt von Experten. Des Weiteren sind es Vermögensinhaber, welche die Refinanzierung von Unternehmen durch Bonds oder Kredite von Nachhaltigkeit abhängig machen. Dann gibt es Netzwerke von Dritten wie die Mistra Financial Systems, Transparency Pathway Initiave, der Investment Innovation Benchmark oder Influence Map. Sodann gibt es die Champions unter den Unternehmen, die trotz der organisatorischen Politik ihre Integrität behalten haben.


Andreas Hoepner ist Professor an der Universität Dublin und Leiter des Bereichs Operational Risk, Banking und Finance sowie Mitglied der technischen Expertengruppe der EU zu Sustainable Finance. Hoepner ist einer der Hauptredner an der morgen Freitag stattfindenden fünften Internationalen Konferenz der Auslandsbankenverbände, die vom Liechtensteinischen Bankenverband durchgeführt wird. Sie findet zum ersten Mal in Vaduz statt.