Alle Banken sind von der Digitalisierung tangiert und investieren. Kundenseitig geht es darum, dank der Digitalisierung bessere Dienstleistungen anzubieten; bankintern die Prozesse zu optimieren. Mit dem Regierungslabor und den Innovations-Clubs verfügen wir zudem über zwei staatliche Initiativen, welche die Entwicklung zusätzlich unterstützen.

Worum geht es dabei?

Das Regulierungslabor ist eine Art Anlaufstelle bei der liechtensteinischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), wo Fintech-Firmen zu Regulierungs-, Bewilligungs- und Aufsichtsfragen einen Dialog führen können und zwar mit dem Ziel, Innovation zu fördern, ohne den Kundenschutz zu schwächen.

«Der Marktzugang kommt nicht gratis»

Mit den Innovations-Clubs unterstützt die Regierung einen Prozess für Jungunternehmen, die mit neuen Geschäftsideen in Liechtenstein Fuss fassen möchten. Hierzulande gibt es derzeit ein knappes Dutzend Fintech-Firmen.

Was unterscheidet die Regulierung in Liechtenstein von derjenigen in der Schweiz?

Als EWR-Mitglied müssen wir alle EU-Rechtsakte (in der Schweiz: Richtlinien und Verordnungen) übernehmen und vollständig umsetzen. Im Gegenzug profitieren wir vom vollen und ungehinderten Marktzugang zum europäischen Binnenmarkt. Der Marktzugang kommt allerdings nicht gratis. Die Umsetzung der EU-Vorgaben ist anspruchsvoll – sowohl hinsichtlich der schieren Menge als auch aufgrund der grundsätzlichen Ausrichtung auf grössere Unternehmen. Somit haben es kleinere Banken, wie es in Liechtenstein doch einige gibt, sichtlich schwerer.

Was können Sie dagegen tun?

Wir setzen uns stark dafür ein, dass im Rahmen der Regulierung das Proportionalitätsprinzip mehr befolgt wird. Zudem sind wir der Ansicht, dass manchmal weniger Regulierung mehr wäre.

Machen die liechtensteinischen Banken auch Gebrauch vom EU-Marktzugang?

Auf jeden Fall. Alle 14 Mitgliedsinstitute sind auf das grenzüberschreitende Dienstleistungsgeschäft sogar angewiesen. Denn mit seinen insgesamt 37'000 Einwohnern ist der hiesige Markt allein zu klein.

Mit anderen Worten: Ohne EWR-Mitgliedschaft könnte der Finanzplatz Liechtenstein gar nicht mehr bestehen?

Das würde ich so nicht sagen. Aber ohne den EWR hätte der Finanzplatz nicht die gleich grosse Bedeutung für die Volkswirtschaft und besässe auch nie diese Stärke und Vielfalt.

Das Stiftungswesen hat im Fürstentum Liechtenstein eine lange Tradition, was in der Öffentlichkeit bisweilen als anrüchig gilt. Hat sich mit den jüngsten Veränderungen auf dem Finanzplatz daran etwas geändert?

Vom Transformationsprozess der vergangenen Jahre waren auch die Stiftungen betroffen. Dies hat denn auch zu einer beträchtlichen Reduktion ihrer Anzahl geführt.

Wie erklärt man einem Normalbürger Sinn und Zweck einer Stiftung?

Bei einer Stiftung, die einen gemeinnützigen Zweck verfolgt, ist das allen sofort klar. Kontroverser ist die Diskussion bei privatnützigen Stiftungen.

«Die Grenzen zwischen legal und illegal verändern sich laufend»

Umso wichtiger ist es, aufzuzeigen, dass es auch hier legitime Zwecke gibt, beispielsweise zur Nachfolgeplanung. Eine Stiftung ist ein sinnvolles Instrument und nicht per se etwas Verwerfliches. Nicht akzeptabel ist jedoch deren Missbrauch.

In jüngster Zeit haben die diversen Leaks rund um die Panama oder Paradise Papers das Stiftungswesen weltweit in Verruf gebracht. Muss Sie das beunruhigen?

Die Grenzen zwischen legal und illegal sowie zwischen legitim und illegitim verändern sich laufend. Was heute noch zulässig oder moralisch vertretbar ist, kann es morgen bereits nicht mehr sein. Diese Entwicklungen muss man nicht nur permanent beobachten, sondern ich halte es für wichtig, dass wir uns in diese Diskussion konstruktiv einbringen.

Andere Bankenverbände und Finanzplätze wie die Schweiz oder Singapur rühren die Werbetrommel im Ausland. Machen Sie das auch?

Ja, wir haben solche Standort-Initiativen und werden im nächsten Jahr noch stärker die Vorzüge unseres Finanzplatzes international bekannt machen. Roadshows in Wien und Frankfurt sind bereits geplant.

Sie vertreten als Schweizer einen ausländischen Finanzplatz. Wie schaffen Sie diesen Spagat?

Ich sehe darin keinen Spagat. Ich arbeite bereits seit Februar 2006 beim Liechtensteinischen Bankenverband und sage immer: Ich bin und bleibe Schweizer. Gleichzeitig habe ich Liechtenstein als Land und Finanzplatz sehr lieb gewonnen. Es ist ein äusserst facettenreicher und international ausgerichteter Standort.

«Es gibt wenige Länder, die so viele Gemeinsamkeiten haben»

Dementsprechend gross sind die Möglichkeiten, etwas zu bewegen und zu gestalten. Liechtenstein und die Schweiz verbindet weit mehr als nur ein gutnachbarschaftliches Verhältnis. Es gibt wenige Länder, die so viele Gemeinsamkeiten haben. Dem müssen wir Sorge tragen. Als Schweizer sehe ich deshalb mehr das Verbindende als das Trennende.

Gibt es trotzdem Unterschiede?

Ich vergleiche nicht gerne. Liechtenstein ist aufgrund seiner Überschaubarkeit und Nähe relativ schnell in der Lage, alle Stakeholder an einen Tisch zu bringen und rasch auf Entwicklungen zu reagieren. Mit anderen Worten: Die Entscheidungswege sind kurz und effizient.


Simon Tribelhorn ist Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance beim Verband der Raiffeisenbanken in St. Gallen. Seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig, zunächst als Jurist, später als stellvertretender Geschäftsführer. Im Januar 2010 wurde er zum Geschäftsführer des wichtigsten Verbands der Finanzbranche in Liechtenstein ernannt.