Haben die Gesetzgebungsprojekte Fidleg und Finig ihre Zielsetzung verfehlt? Dem ist nicht so, schreibt Andreas Barfuss von der Bankiervereinigung. Es lohne sich, genauer hinzuschauen.
Andreas Barfuss ist Leiter Finanzmarktrecht bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Mit den Gesetzesprojekten Fidleg (Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen) und Finig (Bundesgesetz über die Finanzinstitute) erhält die Schweiz ein ausgewogenes und zeitgemässes Gesamtkonzept im Bereich Anlegerschutz. So werden mit dem Finig die verbleibenden Lücken in der Aufsicht über die Vermögensverwalter geschlossen, während im Fidleg die gesamte Beziehung zwischen Finanzdienstleister und Kunde am «Point of Sale» in einem einzigen Gesetz geregelt. Dabei steht die Konsolidierung bereits bestehender, aber über die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und diverse Rundschreiben verteilter Pflichten klar im Vordergrund.
Diese neue Transparenz dient nicht nur der Rechtssicherheit, sondern eben auch dem Anlegerschutz. So muss ein Investor mit einem Anliegen, zum Beispiel im Bereich Retrozessionen, nicht mehr Kenntnis des entsprechenden Bundesgerichtsurteils haben, sondern kann sich auf den verbindlichen und verständlich abgefassten Artikel 28 Fidleg berufen.
Angemessene Aufsicht für Vermögensverwalter
Das Thema Anlegerschutz darf auch nicht allein auf das Fidleg reduziert werden. Fidleg und Finig gehören untrennbar zusammen. So wird oft vergessen, dass die unabhängigen Vermögensverwalter, die bis anhin keinerlei hoheitlicher Aufsicht unterstellt waren, neu als Finanzinstitute dem Finig und damit einer angemessenen Aufsicht unterstellt werden.
Auch dadurch wird der Anlegerschutz deutlich gestärkt und gleichzeitig ein Schweizer «Gütesiegel» für unabhängige Vermögensverwalter und professionelle Trustees geschaffen.
Anlegerschutz konkret
Diese konzeptionellen Vorteile der Gesetzesvorlagen mögen nun dem einen oder anderen Leser noch zu abstrakt sein. Beispiele für die Konkretisierung des Anlegerschutzes lassen sich jedoch problemlos finden:
- Verhaltenspflichten: Darunter fallen unter anderem weitgehende Informationspflichten, Treue- und Sorgfaltspflichten, Vorgaben zu Dokumentation und Rechenschaft sowie zur Angemessenheits- und Eignungsprüfung der Kunden. So müssen Finanzdienstleister etwa abklären, ob ein Kunde die Risiken von bestimmten Finanzprodukten oder eines Anlageportefeuilles versteht und diese notfalls auch tragen kann.
- Herausgabepflichten: Der Kunde hat jederzeit einen direkten Anspruch auf die Herausgabe einer Kopie seines kompletten Kundendossiers. Allgemeine Prospektpflicht und Basisinformationsblatt: Wer in der Schweiz Effekten öffentlich anbietet oder diese an einem Handelsplatz zulassen möchte, hat grundsätzlich einen Prospekt zu veröffentlichen. Darin müssen alle Angaben enthalten sein, die für den Entscheid des Anlegers «wesentlich» sind. Privatkunden werden überdies mit einem gesetzlich vorgeschriebenen «leicht verständlichen» Basisinformationsblatt bedient.
- Ombudsstellen: Bei Streitigkeiten zwischen dem Kunden und dem Finanzdienstleister sollen wo immer möglich kostengünstige Vermittlungsverfahren vor den vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) anerkannten Ombudsstellen zum tragen kommen. In diesem Zusammenhang treffen die Finanzdienstleister weitreichende Pflichten wie die Anschluss- und Teilnahmepflicht, die Pflicht zur Information der Kunden sowie die der Leistung von finanziellen Beiträgen gemäss der Beitrags- und Kostenordnung der jeweiligen Ombudsstellen.
Sinnvoll und praxistauglich
Während die segmentsspezifischen Informations- und Aufklärungspflichten darauf abzielen, dem Kunden alle Informationen zu geben, um selbstverantwortlich die richtigen Entscheide zu treffen, sorgen die Vorgaben, welche die Sorgfalts- und Treuepflichten konkretisieren, dafür, dass Finanzdienstleistungen stets bestmöglich und im Interesse des Kunden erbracht werden.
Gleichzeitig sorgen die Dokumentations-, Rechenschafts- und Editionspflichten dafür, dass sich der Kunde jederzeit einen Überblick über aktuelle und vergangene Transaktionen verschaffen kann.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Dadurch wird das Informationsgefälle zwischen Kunde und Finanzdienstleister wirksam abgebaut. Wichtig scheint, dass es sich um einen sinnvoll ausgestalteten und praxistauglichen Anlegerschutz handelt. Denn ein «zuviel» an Kundenschutz kann durchaus auch unerwünschte Nebenwirkungen haben.
Verteuert sich nämlich eine Dienstleistung bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Risiken, werden die Kunden die entsprechend verteuerten Angebote über kurz oder lang nicht mehr beziehen wollen und die Anbieter werden sich aus diesem Markt zurückziehen. Im Bereich der Finanzdienstleistungen würde das paradoxerweise in erster Linie die eigentlich besonders schützenswerten Retailkunden treffen, welche dann beispielsweise mangels Beratungsangeboten «auf eigene Faust» hochriskante Anlagen tätigen könnten.
Ausgewogene Gesamtkonzeption
Es gibt Stimmen, die beklagen, der Anlegerschutz habe im Parlament einen Totalverlust erlitten. Das stimmt nach dem Erwähnten nicht. Wenn man sich die ausgewogene Gesamtkonzeption von Pflichten und Vorgaben einmal im Detail vor Augen führt, wird offensichtlich, dass wohl in keiner anderen Branche ein auch nur annähernd vergleichbares Kundenschutzsystem zur Verfügung steht.