Die Schweizerische Bankiervereinigung hält längst nicht alle vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen für stabilitätsfördernd. Sie plädiert für eine Gesamtschau, will die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes wahren und wendet sich gegen zusätzliche Kompetenzen für die Finma. Insbesondere bei der Eigenmittelregulierung fordert sie eine internationale Abstimmung.

Nicht immer, wenn die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) zu einer Medienkonferenz einlädt, kann sie so viele Gäste empfangen wie am Donnerstagvormittag. Das lag natürlich an der Thematik, versprach der Verband doch, seine Positionen zu dem vom Bundesrat im April 2024 als Reaktion auf das Debakel der Credit Suisse (CS) im März 2023 publizierten Bericht zur Bankenstabilität und damit zum Too-big-to-fail-Problem (TBTF) differenziert darzulegen und zu schärfen.

Die SBVg konzentrierte sich dabei auf vier Bereiche: erstens auf die Liquiditätsversorgung, wo die Einführung eines Public Liquidity Backstop (PLB) begrüsst wird. Zweitens auf das System für Verantwortlichkeiten und Rechenschaftspflichten (Seniors Managers Regime), wo sie die Stärkung der rechtlichen Grundlagen für Vergütungssysteme unterstützt. Drittens auf die Corporate Governance und Aufsicht, wo die SBVg am dualen Aufsichtsmodell festhalten will und eine Bussenkompetenz für die Finanzmarktaufsicht Finma ablehnt. Viertens auf die Eigenmittel: Hier plädiert der Bankenverband für eine integrale Beurteilung der Effekte der vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen und eine internationale Abstimmung.

Never waste a good crisis

Dass Aufsichtsbehörden die Gunst der Stunde nutzen («never waste a good crisis»), um andere schon länger gehegte Wünsche durchzusetzen, ist kein neues Phänomen, aber tritt offenbar auch hier wieder auf. Insgesamt habe der Bundesrat zu viel in den Bericht hineingepackt, das nichts mit der Förderung der Stabilität zu tun habe, hielt Roman Studer, CEO der SBVg, fest. Beispielsweise sei ausgerechnet die CS (international) die Bank mit den meisten Bussen von Aufsichtsbehörden gewesen – eine zusätzliche Bussenkompetenz für die Finma sei vor diesem Hintergrund kaum zielführend. 

Es handle sich nicht um eine grundlegend neue Einschätzung gegenüber der ersten Stellungnahme, präzisierte Studer. Doch in den vergangenen Monaten hätten rund 700 Spezialisten von Mitgliedsbanken in diversen Arbeitsgruppen die im bundesrätlichen Bericht vorgeschlagenen Massnahmen – die längst nicht nur die bei TBTF eigentlich angesprochenen systemrelevanten Banken (also UBS, Postfinance, Raiffeisen und ZKB) betreffen – gründlich analysiert.

PUK-Bericht: der fehlende Puzzlestein

Das nun vorliegende Positionspapier sei vom Verwaltungsrat einstimmig verabschiedet worden. Das ist nicht selbstverständlich, sind doch die Interessenunterschiede in der heterogenen Mitgliedschaft (die von der kleinen Privatbank bis zum Koloss UBS reicht) in der TBTF-Regulierung zwangsläufig erheblich.

Studer erinnerte daran, dass seit dem Fall CS einiges an Aufarbeitung geleistet worden ist: das Gutachten von Professor Manuel Ammann im Auftrag des Eidgenössischen Finanzdepartements (Mai 2o23), der Bericht der Expertengruppe Bankenstabilität (September 2023), der Finma-Bericht Lessons Learned (Dezember 2023) und der Bundesratsbericht (April 2024).

Verhältnismässigkeit wahren

Ein zentrales Element fehle aber noch für eine abschliessende Beurteilung: der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), der noch dieses Jahr erwartet wird. Für eine sinnvolle Diskussion sei dieser zwingend abzuwarten, stellt die SBVg fest und erweist damit nebenbei taktisch nicht ungeschickt auch dem Parlament (das sich in den nächsten Jahren mit der Revision der TBTF-Gesetzgebung zu befassen hat) Reverenz.

Die SBVg lässt sich bei der Beurteilung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen von Prinzipien leiten, die sich grundsätzlich gut nachvollziehen lassen. Unter dem Stichwort Proportionalität etwa wendet sie sich dagegen, den «selbstverschuldeten Untergang einer einzelnen Bank für eine breitflächige Regulierungswelle auszunutzen». Vielmehr müsse nach Aufsichtskategorie abgestuft und pragmatisch vorgegangen werden. Ausserdem dürfe die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet werden, mahnte Studer. «Nur starke Banken sind stabile Banken.»

Weshalb die Banken keine Prämie für zusätzliche SNB-Liquidität zahlen wollen

Aber die SBVg scheute nicht davor zurück, zu konkreten Punkten auch unpopuläre Positionen einzunehmen. So begrüsst sie zwar die Einführung des PLB für systemrelevante Banken (das Instrument kam notrechtlich bereits bei der CS zum Einsatz) als dritte Verteidigungslinie bei der Liquidität, also nach den Mitteln der Bank und der ausserordentlichen Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance, ELA), die sie bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) beantragen kann.

Der Verband will aber nicht, dass die Banken dafür eine «Versicherungsprämie» (Ex-ante-Abgeltungspauschale) bezahlen. Die Banken hätten keinen Rechtsanspruch auf diese Liquiditätshilfe, ausserdem garantiere der Bund mit dem PLB allein der SNB die Rückzahlung der Mittel, die diese einer Bank in einer Krise zusätzlich leiht. Weder das Management, noch die Aktionäre oder Gläubiger einer Bank profitierten davon. Die Gläubiger würden aufgrund des Konkursprivilegs der SNB sogar de facto schlechter gestellt, erklärte Studer.

Passt der PLB wirklich ins TBTF-Konzept?

Die Grundsatzfrage, inwiefern das Element PLB zur Grundidee des TBTF-Konzepts passt, konnte allerdings auch die SBVg nicht beantworten. Der PLB ist erst später ins Konzept eingefügt worden. Dieses basiert ursprünglich auf der Idee, dass nur solvente Banken gerettet werden und diese per Definition über genügend Aktiven verfügen, die sie als Sicherheit einsetzen können, um bei der SNB über ELA zu Liquidität zu kommen.

Allerdings hat sich der PLB international etabliert, und die CS-Übung (bei der die SNB sogar mit ELA+ ein neues Instrument schuf, um ungesichert Liquidität zu gewähren) mit Notrecht war ein ordnungspolitischer Murks. So betrachtet ist die Verankerung der PLB im ordentlichen Recht vielleicht das kleinere Übel.

Resolution: Reitet die SBVg ein totes Pferd?

Die CS-Geschichte hat auch den Glauben, dass sich eine global tätige systemrelevante Bank tatsächlich gemäss den seit Jahren bestehenden und eigens für einen solchen Fall mit enormem Aufwand geschaffenen und international koordinierten Regeln abwickeln lässt (Resolution) tief erschüttert. Die SBVg hält gleichwohl an diesem Pfeiler des TBTF-Konzepts fest und unterstützt unverdrossen Massnahmen, um die Abwicklungsfähigkeit zu sichern.

Nicht auf die Äste hinaus wagen wollte sich Studer bei der Frage nach der angemessenen Höhe der Eigenmittel, welche die UBS zusätzlich (insbesondere für ausländische Tochtergesellschaften) vorhalten soll. Er erinnerte aber daran, dass die Grossbank bereits gut kapitalisiert unterwegs ist, international in diesem Bereich keine Verschärfung ansteht und mehr Kapital auch ein Kostentreiber ist.