Die sich seit Jahren im Turnaround befindliche Banken-IT-Firma Crealogix sucht Zuflucht unter den Fittichen eines ausländischen Konkurrenten. Damit bleiben nur noch zwei der führenden Bankensoftware-Entwickler in der Schweiz unabhängig.
Vencora lanciert ein öffentliches Barangebot zum Erwerb aller sich im öffentlichen Verkehr befindlichen Namenaktien der Schweizer Bankensoftware-Entwicklerin Crealogix. Laut einer Mitteilung vom Donnerstag beläuft sich das Gebot auf 60 Franken pro Aktie. Damit werde das Unternehmen mit insgesamt 84,3 Millionen Franken bewertet.
Gründer verkaufen allesamt
Der Verwaltungsrat der Banken-IT-Firma hat das Übernahmeangebot einstimmig empfohlen, und weiss dabei namhafte Einzelaktionäre hinter sich, die gemeinsam eine Mehrheit an 51,66 Prozent halten. Dabei handelt es sich der Meldung zufolge um die Firmengründer Richard Dratva, Bruno Richle, Daniel Hiltebrand, Peter Suesstrunk sowie die Firma Mayfin Management Services in Spanien.
Die Investoren haben bereits einen Aktienkaufvertrag mit Vencora unterzeichnet, wonach sie sich verpflichten, ihre Crealogix-Aktien gleichzeitig anzubieten.
Damit dürfte der Verkauf gesichert sein. Es wird derzeit erwartet, dass der Angebotsprospekt mit den vollständigen Angebotsbedingungen am oder um den 1. Dezember veröffentlicht wird. Die Angebotsfrist soll dann um den 18. Dezember 2023 beginnen und um den 18. Januar 2024 enden. Die Grossbank UBS ist als Angebotsmanager für das öffentliche Übernahmeangebot tätig.
Weltweit unterwegs
Bei Vencora handelt es sich im ein britisches Unternehmen und um eine indirekte Tochter des kanadischen Constellation Software Gruppe. Diese ist im Bereich Bankentechnologie weltweit in 70 Ländern tätig und bedient mehr als 1’800 Kunden in der Banken- und Versicherungsbranche. Mit der Unterstützung der Ressourcen und des Knowhow von Vencora werde sich Crealogix weiterhin auf die Entwicklung innovativer Lösungen und eine verbesserte Marktpräsenz konzentrieren sowie seine Wettbewerbsfähigkeit stärken, heisst es weiter.
Tatsächlich hatte das Schweizer Unternehmen in den vergangenen Jahren genau an diesen Fronten zu kämpfen und musste sogar einen Geschäftsbereich veräussern. In den vergangenen Monaten hatte aber die Umstellung auf das neue Software-as-a-Service-Modell (SaaS) mit der Vermietung von Cloud-Diensten allmählich Zugkraft entwickelt.
Temenos und Inventx bleiben übrig
Nun muss sich zeigen, wie die Kundschaft auf die neuerliche Veränderung und die sich abzeichnende ausländische Kontrolle reagiert. Für Schweizer Banken ist dies aus Gründen der Datensicherheit jeweils ein empfindlicher Punkt.
Crealogix wurde 1996 gegründet und ging im Jahr 2000 auf der Höhe des Dotcom-Booms an die Schweizer Börse SIX. Mit dem sich abzeichnenden Verkauf schmilzt die Schar der unabhängigen Schweizer Bankensoftware-Entwicklers nochmals: Avaloq gehört dem japanischen Techkonzern NEC, Finnova mehrheitlich dem deutschen Softwarehaus MSG Systems. Um die Genfer Temenos, an welcher der Financier Martin Ebner beteiligt ist, ranken sich Verkaufsgerüchte; weiterhin unabhängig ist die Bündner Inventx.