Die UBS befindet sich seit heute Mittwoch in einem doppelten Dilemma. Zum einen muss sie sich für ihre Vergangenheit in Frankreich verantworten und zum andern die fahrlässigen Versäumnisse der Credit Suisse ausbaden. Wie stehen die Erfolgsaussichten?
Am heutigen Mittwoch geht in Frankreich der Prozess gegen die Schweizer Grossbank weiter. Ihr wird vorgeworfen, Beihilfe zur illegalen Kundenakquisition und Geldwäscherei begangen zu haben. Der Rechtsstreit dauert nun schon seit zehn Jahren; im Jahr 2019 wurde die UBS ein erstes Mal verurteilt und zur Zahlung von 4,5 Milliarden Euro verknurrt.
Gegen dieses Urteil legte die Bank Rekurs ein, was ihr nur bedingt weiterhalf. Denn in zweiter Instanz verlangte das Gericht zwar eine tiefere Zahlung von 1,8 Milliarden Euro, doch es hielt an der Verurteilung fest, was für die UBS bis heute einen enormen Reputationsschaden darstellt. Auch gegen dieses zweite Urteil legte die Bank Berufung ein.
1. Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?
Vor diesem Hintergrund treffen sich die beiden Parteien am Mittwoch vor dem Kassationsgericht, der höchsten Gerichtsinstanz in Frankreich. Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist: Die «Cour de cassation» beurteilt den Fall nicht neu. Sondern sie analysiert das bisherige Verfahren, prüft, ob es zu Fehler kam respektive, ob das Recht korrekt angewendet wurde.
Dabei kommt es zwar zu weiteren Plädoyers, neue Beweise werden aber nicht eingereicht. Mit einem Urteil rechnen die Fachleute in eineinhalb oder zwei Monaten. Bis dann hängt der Fall weiter in der Schwebe, was ein denkbar ungünstiger Moment ist, da die UBS derzeit mit der Integration der Credit Suisse (CS) absorbiert ist – namentlich auch mit den zahlreichen Rechtsfällen, in welche die CS verwickelt ist, und welche nun die UBS «geerbt» hat.
2. Worauf kann die UBS hoffen?
Die nun begonnenen Verhandlungen können zweierlei ausgehen: Sollte das Kassationsgericht Mängel im Verfahren feststellen, wird die Affäre an das Appellationsgericht zurückgereicht. Damit wären die Parteien sozusagen zurück auf «Feld 1». Der Fall würde dann neu aufgerollt.
Dies bedeutet zwar nicht per se, dass die UBS ein milderes Urteil erwarten darf, aber unter Fachleuten dominiert die Einschätzung, dass in einem Fall, bei dem die «Cour de cassation» das Urteil in Frage gestellt hat, eine tiefere Forderung – aber vermutlich kein vollständiger Freispruch – erwartet werden könnte.
3. Wie stehen die Erfolgschancen?
Wird – im zweiten Fall – die UBS-Beschwerde beim Kassationsgericht – immerhin die letzte Instanz – abgewiesen, würde das letzte Urteil rechtskräftig. Theoretisch hätte die Schweizer Grossbank dann noch die Möglichkeit, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorstellig zu werden. Doch die Erfolgsaussichten bei einer solchen Reaktion dürften gering sein.
Offenbar geht die UBS nach wie vor davon aus, dass sie reelle Erfolgschancen in diesem Prozess hat. Dies eher im Gegensatz zu vielen Experten, die schon früher ein Entgegenkommen der Bank erwartet respektive empfohlen hatten. Inzwischen ist es müssig, darüber zu spekulieren, denn der Fall hat eine Dimension angenommen, für die es kaum Vergleiche gibt. Nicht zu unterschätzen ist schliesslich die politische Komponente, wonach solche Gerichtsfälle im Ausland auch eine Drohgebärde für den Schweizer Finanzplatz darstellen sollen.
4. Was ist die grösste Schwierigkeit?
Fest steht, dass bei einer Neuauflage des Verfahrens vor dem Berufungsgericht von der UBS enorme Ressourcen und Energie erforderlich würden. Und dies notabene zu einem Zeitpunkt, da die grösste Bank der Schweiz sowohl mit einer Jahrhundertaufgabe (Integration der CS) als auch mit ihrem operativen Geschäft bereits reichlich absorbiert ist.
Wie bereits erwähnt, entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die UBS nun an zwei Fronten juristisch gefordert ist: einerseits aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit und andererseits wegen der zahlreichen Rechtsfälle (Archegos, Greensill, Mosambik, Bermuda), in welche die CS dramatisch verheddert hat.