Wegen des Kriegs in der Ukraine muss auch das Zürcher Investmenthaus Vontobel bei seinen Portefeuilles über die Bücher. Chef Zeno Staub kann aber selbst der Teuerung noch etwas Gutes abgewinnen.
Es sei wichtig und begrüssenswert, dass «Geld endlich wieder einen Preis hat», sagte Zeno Staub mit Blick auf die Zinswende zur Westschweizer Zeitung «Le Temps» (Artikel bezahlpflichtig).
Das Ende der ultralockeren Geldpolitik sei absehbar, erklärte der CEO von Vontobel. «Wir glauben, dass wir dem Ende des Zyklus näher sind als dem Anfang.» Die Anleger müssten in Zukunft mit moderateren Renditen rechnen, hätten doch die Zinsen die Aktienkurse bisher gestützt. Die aktiv verwalteten Fonds-Boutiquen des Zürcher Investmenthauses würden von diesem Regime-Wechsel profitieren, zeigte sich Staub überzeugt.
«Das Interesse an internationaler Diversifizierung und aktivem Management dürfte dadurch grösser werden.»
Keine Kredite in Russland offen
Bei der Einschätzung der Inflation habe man durch den Krieg in der Ukraine umdenken müssen. «Es wird interessant sein, zu sehen, wie schnell die Zentralbanken die Zinsen erhöhen werden, um den Preisanstieg zu bekämpfen.» Aktien würden dadurch vorerst attraktiver bleiben als Sparbücher oder Staatsanleihen.
Die Bank sei vom Konflikt und den Sanktionen gegen Russland nur schwach betroffen. «Vontobel ist in Russland weder im Finanzierungsgeschäft noch im Rohstoffhandel oder im Kreditgeschäft tätig und hat keine physische Präsenz vor Ort», betonte der CEO. «Wir beraten Kunden, die in unsere Produkte investiert haben, die russische Wertpapiere enthalten.» Bei den Schwellenländer-Fonds, die ein begrenztes Engagement in der Region haben, handle Vontobel stets proaktiv und transparent.
Risiko einer Stagflation
Staub rechnet mit einer Neukalibrierung der globalen Wertschöpfungs-Kette un mit der Verlagerungen der industriellen Produktion und Druck auf die Just-in-time-Fertigung. «Ich glaube jedoch nicht an eine echte Deglobalisierung.» Dafür seien die gegenseitigen Abhängigkeiten zu gross. Bei Rohstoffen und insbesondere Nahrungsmitteln könne niemand Selbstversorgung für sich beanspruchen.
Insbesondere für Europa sei das Risiko eine Stagflation gestiegen. «Die EU muss neue Energie-Infrastrukturen, höhere Militärausgaben und die sozialen Kosten einer starken Zunahme der Einwanderung finanzieren – und das zu einer Zeit, in der sich das Wachstum abschwächt.»