Der frühere Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz soll eine eigene Salärbuchhaltung eingeführt haben, um die Entlöhnung der Geschäftsleitung «in diskreter Weise» abzuwickeln, wie neue Dokumente zeigen. Gleichzeitig inszenierte sich Vincenz als grosser Kritiker der «Lohnexzesse» bei anderen Banken. So sprach er davon, die ausbezahlten Boni hätten die «Grenzen des guten Geschmacks» überschritten.
Als genossenschaftliche Bank pflegt Raiffeisen die Tugend der Bescheidenheit. Das gilt auch für die Löhne der Chefs. Seit dem Jahr 2009 weist die Bank transparent aus, wie viel der CEO verdient.
Der Betrag lag seither stets unter zwei Millionen Franken. Zuvor aber kassierte Pierin Vincenz als damaliger Chef ein Vielfaches davon. Dies dokumentieren neue Unterlagen, die der «NZZ am Sonntag» (Artikel kostenpflichtig) vom (heutigen) Wochenende vorliegen. Allein im Jahr 2008 erhielt er einen Nettolohn von 13,8 Millionen Franken (vgl. nachstehende Tabelle).
Diskrete Abwicklung über externen Anwalt
(Tabelle/Montage: NZZ am Sonntag)
Auch vorher schon sprengte das Salär den Rahmen einer Genossenschaft. Die Dokumente stammen aus den Ermittlungen gegen Vincenz aufgrund von privaten Deals mit verstecken Kassen. Nächstes Jahr kommt der Fall vor Gericht.
Um die Entlöhnung der Geschäftsleitung «in diskreter Weise» abzuwickeln, hatte Vincenz eine neue Salärbuchhaltung eingeführt. Somit floss der Grossteil der Gehälter über das Konto eines externen Anwalts. Wie die Lohnverhandlungen mit dem Verwaltungsrat in dieser Zeit geführt wurden, zeigt ein unveröffentlichtes Papier vom 30. Mai 2008.
Erstaunliche Doppelmoral
Dieses trägt den Titel «Weiterverbleib von Pierin Vincenz als CEO von Raiffeisen». Darin ist festgehalten, Raiffeisen habe ein grosses Interesse, Vincenz an die Bank zu binden. Daher werde ihm nebst den übrigen Bezügen eine Summe von «Drei Millionen Zweihunderttausend» Franken ausgerichtet.
In der Öffentlichkeit hatte sich Vincenz stets als Kritiker der «Lohnexzesse» bei den Banken inszeniert. So sprach er davon, die ausbezahlten Boni hätten die «Grenzen des guten Geschmacks» überschritten.