Die Anzahl Anbieter digitaler Anlagelösungen hat sich innert fünf Jahren fast verdreifacht. Dennoch sind die Felle für die angestammten Akteure noch nicht davongeschwommen, besagt eine neue Studie.
«Digitales Anlegen – ein Markt mit Potenzial»: So lautet der Titel einer neuen Studie, die das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern im Auftrag von Raiffeisen und Vontobel durchgeführt und dazu 1‘200 Schweizerinnen und Schweizer zwischen 18 und 79 Jahren in allen Landesteilen befragt hat. Potenzial kann in diesem Fall als Euphemismus verstanden werden. Tatsächlich sind die Kenntnisse und das Interesse der Bevölkerung an digitalen Anlagelösungen marginal, wie die Erhebung feststellte.
Die Mehrheit der Befragten gab etwa an, sich gar nicht oder nur wenig für Finanzmärkte zu interessieren. 47 Prozent haben schon von digitalen Anlageprodukten gehört, wissen aber nicht viel darüber. Dies, obschon sich die Anzahl der Anbieter digitaler Anlagelösungen im Land seit 2015 beinahe verdreifacht hat, wie die Studie weiter feststellt.
Tatsächlich warfen mehrere Robo-Advisor wegen mangelnder Nachfrage in den letzten Jahren das Handtuch.
Alte reiche Männer
Neue Initiativen sind vor allem im Bereich des Vorsorgesparens und vonseiten etablierter Akteure zu beobachten. Die Raiffeisenbanken etwa vertreiben seit vergangenem August das digitale Anlage-Tool Rio, das auf der Lösung Volt des Zürcher Investmenthauses Vontobel beruht. Dies, während etwa die Zürcher Kantonalbank die Säule-3a-App Frankly in Betrieb genommen hat.
Der typische Nutzer solcher Digital-Angebote ist gemäss der Studie ein gut gebildeter, besserverdienender und vermögender Mann. Das Durchschnittsalter eines Nutzers von digitalen Anlageprodukten liegt bei knapp 50 Jahren. Der typische potenzielle Nutzer hat ein ähnliches Profil, ist aber eher etwas weniger vermögend.
«Bis zu diesem Sommer nicht aktiv»
Einen wichtigen Grund für die Nachfragelücke orten die Studienautoren ausgerechnet bei den etablierten Akteuren. Weil bisher nur relativ wenige Schweizer eine Neobank als Hauptverbindung nutzen, bestimmen die Angebote von Kantonal- und Raiffeisenbanken den Trend. Und von dort ist (bisher) nicht viel gekommen.
Die geringe Bekanntheit von digitalen Anlagelösungen hänge damit zusammen, dass die grösseren Retailbanken und die Grossbanken in diesem Bereich bis zu diesem Sommer nicht aktiv waren, so die Studienautoren.
Böse gesagt: Die Banken haben die digitale Vermögensverwaltung zwar zumeist verschlafen, wegen der Treue ihrer Kundschaft sind ihnen aber die Felle noch nicht zu den agilen Fintechs und Neobanken davongeschwommen. Eine andere Marktstudie kam jüngst zu einem ähnlichen Befund – Schweizer sind unzufrieden mit dem Digitalangebot ihrer Hausbanken, schrecken aber vor einem Wechsel zurück.
CSX und Rio als Hoffnungsträger
Damit ist der Zug für die etablierten Player noch nicht abgefahren. Und allmählich beginnen die Banken, aufzuspringen. So hat die Grossbank Credit Suisse vergangenen Oktober die Bank-App CSX lanciert und begleitet diese mit einer aufwändigen Werbekampagne. Die Wissenschafter am IFZ erwarten nun, dass durch den Einstieg von grossen Banken wie Raiffeisen oder der CS die Bekanntheit dieser Produkte steigen wird.
«Raiffeisen ist zuversichtlich, dass die Thematik anlagebasiertes Sparen im Tiefzinsumfeld und mit dem steigenden Vorsorgebedarf an Bedeutung weiter gewinnen wird», erklärte dazu Kathrin Wehrli, Geschäftsleitungsmitglied und Leiterin Produkte & Investment Services bei Raiffeisen Schweiz. Sie ist vom Potenzial der digitalen Vermögensverwaltung überzeugt.
Seitens Vontobel betont Toby Triebel, Leiter Digital Investing, das Positive: «Die Studie zeigt, dass Schweizer, die entweder schon digital investieren oder investieren wollen, vor allem auf eine intuitiv zu bedienende und informative App sowie eine breite Angebotspalette Wert legen. Erst dann kommt der Preis.»
Bald Standard?
Auch die Wissenschafter in Zug orten einiges Potenzial für das Marktfeld in den nächsten fünf Jahren. Insgesamt gehen sie davon aus, dass sich solche Produkte in den nächsten Jahren zunehmend als Standardangebote bei vielen Banken etablieren werden und sich das Volumen entsprechend erhöhen wird. Über den Nischenstatus dürften die Robos aber nicht hinauskommen, mahnen sie.