Die Zürcher Staatsanwaltschaft war während des Corona-Lockdowns fleissig. Sie wird die Beweisaufnahme in der Strafuntersuchung gegen Ex-Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz und Beat Stocker in Kürze abschliessen, wie Recherchen von finews.ch ergeben haben.
Nach einer über zwei Jahre dauernden Untersuchung gegen den ehemaligen Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz und dessen Geschäftspartner Beat Stocker steht die Zürcher Staatsanwaltschaft vor dem Abschluss der Beweisaufnahme. Dies wird voraussichtlich im kommenden Monat sein, wie eine mit der Untersuchung vertraute Person gegenüber finews.ch sagte.
Vincenz und Stocker sassen nach Strafanzeigen des Bezahlungsdienstleisters Aduno und von Raiffeisen im Frühjahr 2018 über drei Monate lang in Untersuchungshaft. Beide werden im Zusammenhang mit Firmenkäufen diverser Vergehen verdächtigt.
Der Banker und sein Berater
Vincenz war von 1999 bis 2015 CEO von Raiffeisen und baute in seiner Amtszeit die verschlafene und ländliche Genossenschaftsbank zu einem der führenden Schweizer Finanzinstitute aus. Zu Vincenz' Strategie gehörten auch Übernahmen, besonders nach der Finanzkrise 2008/09 startete der Bündner Banker eine Phase mit zahlreichen Zukäufen.
Stocker, der frühere Aduno-CEO, amtete beim Aufbau des Firmen-Portfolios wie auch bei Vincenz' Plänen, Raiffeisen zu einer Vermögensverwaltungsbank zu formen, als Berater.
Handgeschriebene Notizen
Vor gut sechs Monaten gelang es der Zürcher Staatsanwaltschaft, versiegelte Dokumente und andere Beweisstücke von Stocker für die Untersuchung zu öffnen. Darunter waren gemäss finews.ch-Informationen handgeschriebene Notizen Stockers. Derweil bleiben Dokumente von Vincenz – unter anderem Handy- und Computerdaten – für die Staatsanwaltschaft weiterhin versiegelt. Die Verzögerungstaktik der Anwälte hat die Hoffnungen von Raiffeisen und ihrem Präsidenten Guy Lachappelle zunichte gemacht, dass es bereits im Herbst 2019 zu einem Prozess kommen könnte.
Doch mit dem Zugang zu Stockers Daten hat die Untersuchung wieder Fahrt aufgenommen. Die Monate März und den April nutzte die Staatsanwaltschaft, um rund zwei Dutzend potenzielle Zeugen zu befragen – darunter sei auch Vincenz' ehemalige Ehefrau Nadja Ceregato gewesen, die früher Rechts- und Compliance-Chefin von Raiffeisen war. Die Befragungen fanden – wie in der Lockdown-Zeit allgemein üblich – per Video-Konferenz statt.
Baldige Strafanklage?
Die Gespräche und die von Stocker erhaltenen Beweismittel geben dem leitenden Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel möglicherweise genügend Munition, um gegen Vincenz und Stocker eine Strafanklage zu formulieren. Die ursprünglichen Vorwürfe lauten auf ungetreue Geschäftsbesorgung, Veruntreuung und Urkundenfälschung.
Im Fokus stehen dabei Transaktionen, welche die Aduno, wo Vincenz Verwaltungsratspräsident war, mit Firmen wie Comtrain, Eurokaution und Genève Credit & Leasing getätigt hat. Bei Raiffeisen geht es um die Akquisition der Beteiligungsfirma Investnet. In Liechtenstein wird wegen Geldwäscherei gegen Vincenz ermittelt. Es gilt für Vincenz wie für Stocker nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Interesse an den Spesenabrechnungen
Interesse hat die Staatsanwaltschaft auch an den Geldbezügen von Vincenz und Stocker, dabei insbesondere an den Spesenabrechnungen. Vincenz unternahm teilweise ausgedehnte Streifzüge im Zürcher Nachtleben.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft kommentierte die Informationen von finews.ch nicht. Die Staatsanwaltschaft werde «zu gegebener Zeit per Communiqué über die Erledigung der Strafuntersuchung berichten». Lorenz Erni, der Anwalt von Vincenz, reagierte auf eine Anfrage von finews.ch nicht. Stocker konnte nicht erreicht werden.