Die Whistleblower-Affäre hat das Schweizer Fondshaus in eine tiefe Krise gestürzt. Gemäss finews.ch-Recherchen geht nun der Mann, der am Anfang der Turbulenzen stand – nicht mit leeren Händen.
Die Affäre um einen internen Whistleblower nahm im November 2017 ihren Anfang – und wuchs sich immer mehr zur Lawine aus, die beim Schweizer Fondshaus GAM mitriss, was nicht nagelfest war.
Fonds mussten zeitweilig geschlossen werden, Milliarden Franken flossen ab. Der Aktienkurs stürzte seither um mehr als 70 Prozent in die Tiefe. Ex-CEO Alexander Friedman verliess den Konzern ebenso wie die Compliance-Chefin Natalie Baylis. Sanierungsmassnahmen forderten rund 10 Prozent aller Jobs, und auch der umstrittene Fondsmanager Tim Haywood (siehe Bild unten) ist dieser Tage entlassen worden.
Bonus versprochen
Wie Recherchen von finews.ch ergeben haben, ist der Scherbenhaufen bei GAM nun komplett. Der Whistleblower, der mit Haywood einst ein internes «Dreamteam» bildete, ist ebenfalls freigestellt worden. «Ich kann bestätigen, dass ich einer von mehreren Fondsmanagern bin, die in den letzten Monaten entlassen wurden», sagte der Investmentexperte auf Anfrage. Er hatte GAM 13 Jahre lang die Treue gehalten, bevor es zur verhängnisvollen Affäre kam.
Einer Quelle zufolge geht der Mann, der am Anfang der Turbulenzen stand, nicht mit leeren Händen. Er soll den Lohn für mehrere Jahre im Voraus ausbezahlt erhalten haben. Ebenso sei ihm ein Bonus versprochen worden. Der Whistleblower selber wollte sich dazu nicht äussern.
Persönliches Zerwürfnis
Derweil betonte Haywood gegenüber finews.ch, dass die meisten Anschuldigungen gegen ihn, die der Whistleblower auch zur britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA getragen hatte, inzwischen fallengelassen worden seien. Haywood weist die verbleibenden Vorwürfe entschieden zurück. «Ich erwäge alle juristischen Optionen und freue mich auf die Gelegenheit, meinen guten Ruf zu sichern und wieder zurück zur Arbeit zu gehen», sagte der britische Fondsmanager, der von GAM suspendiert und wegen grober Regelverstösse entlassen worden ist. Das Fondshaus wollte sich zu den Abklärungen rund um die Verstösse nicht äussern.
Die Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen legen nahe, dass der Scherbenhaufen bei GAM letztlich durch ein persönliches Zerwürfnis ausgelöst wurde. Haywood und der Whistleblower arbeiteten mehr als zwölf Jahre lang als Co-Manager des Flaggschiff-Produkts Absolute Return Bond Funds (ARBF) eng zusammen. Das klappte auf der Sachebene gut.
Die beiden Spezialisten waren mit ihren Anleihenstrategien so eng verbunden, dass ein anderer GAM-Manager sie als «Vater und Mutter» dieses Geschäfts bezeichnete.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte
Doch als Individuen gerieten sie immer mehr aneinander. Das sei schon lange über GAM hinaus bekannt gewesen, sagte ein Branchenkenner im Rückblick. Haywoods Entscheidung, in Privatmarkt-Papiere von Firmen des anglo-indischen Tycoons Sanjeev Gupta zu investieren, führte zum definitiven Bruch zwischen den beiden.
Der Rest ist Geschichte. Der Co-Manager wandte sich ans Management, und als dieses offenbar nicht in seinem Sinne reagierte, an die Aufsicht FCA. Diese hatte 2017 striktere Whistleblower-Regeln eingeführt und musste die Vorwürfe sehr ernst nehmen – was wiederum bei GAM hektische Massnahmen auslöste.
Tiefes Bedauern
Als Schlusswort der Affäre mag die Erklärung von GAM-Präsident Hugh Scott-Barrett von letzter Woche gelten. «Wir bedauern zutiefst, wie sich die Situation rund um die Absolute Return Bond Fonds auf alle unsere Anspruchsgruppen ausgewirkt hat – Kunden, Aktionäre und Mitarbeitende», so der Präsident.