Was Grossbanken sonst um fast jeden Preis vermeiden, trifft nächste Woche ein: Die UBS muss vor Gericht antraben. Dazu führte eine Verkettung widriger Umstände, wie finews.ch hier aufzeigt.
Die USA machten es vor, Länder in ganz Europa folgten nach: mit der Busse der UBS im Jahr 2009 war die Jagd auf Steuerflüchtlinge und ihre Banken eröffnet. Das dabei entstandene Muster ist mittlerweile etabliert und findet auch auf andere Vergehen Anwendung.
Ein Regulator oder die Staatsanwaltschaft rasselt medial mit dem Säbel, während die betroffene Bank eisern schweigt, sich höchstens im Anhang des Quartalsberichts zum Thema äussert.
Zu den Ländern, die Steuerflüchtlingen und ihren Helfern seit der Krise verstärkt zu Leibe rücken, gehört auch Frankreich. Verletzter Stolz mag dabei für besonderen Elan sorgen: Mit Jérôme Cahuzac machte sich ausgerechnet ein Minister im Kabinett des bankenkritischen Präsidenten François Hollande desselben Vergehens schuldig.
Whistleblower war eine Frau
Schon in den USA wurde der UBS ein Whistleblower zum Verhängnis. Bradley Birkenfeld sagte gegen seinen früheren Arbeitgeber aus und wurde dafür mit über 100 Millionen Dollar belohnt. In Frankreich heisst die potenzielle Nemesis der Grossbank Stéphanie Gibaud.
Die ehemalige Marketing-Mitarbeiterin sagte, sie sei 2008 von ihrer Chefin aufgefordert worden, Treffen zwischen Schweizer Beratern und französischen Kunden geheim zu halten und entsprechende Beweise zu löschen. Gibaud, die 2012 von der UBS entlassen wurde, agitiert seit Jahren medienwirksam gegen die Bank.
Diese Kampagne habe sie als Zeugin «unglaubwürdig» gemacht, urteilte Jean-Frédéric de Leusse, Chef von UBS France vor zwei Jahren. Trotzdem waren ihre Aussagen und diejenigen ihres früheren Kollegen Nicolas Forissier, dem ehemaligen Chef der internen Revision, Wasser auf die Mühlen der UBS-Gegner in Frankreich.
Die falschen Gesetze
Schwierige gesetzliche Rahmenbedingungen machten den Widersachern im Steuerstreit gleich mehrfach zu schaffen. Von der Schweiz bekamen die französischen Steuerbehörden keine Auskunft über 45'000 Kontonummern, die ihnen aus Deutschland weitergereicht worden waren.
Die französische Gesetzgebung wiederum verhinderte, dass die UBS die Sache schnell und gegen eine für die Bank akzeptable Zahlung beilegen konnte. Bis zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes Anfang 2017, waren Einigungen im amerikanischen Stil in Frankreich gar nicht möglich.
Schuldeingeständnis hätte weitreichende Folgen
Vor einem Schuldeingeständnis schreckte die UBS aber zurück, auch wenn das Problem in Frankreich damit aus der Welt gewesen wäre. Der Stempel als kriminelle Organisation hätte zu Problemen in den USA geführt, wo Banken nach einer Verurteilung gewisse Geschäfte nur noch mit einer Ausnahmebewilligung betreiben dürfen.
Zwar musste die sich die UBS, ebenso wie die Credit Suisse (CS), bereits einmal in den USA vor Gericht schuldig bekennen; die CS wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die UBS wegen Manipulation des Liborzinssatzes.
In Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden konnten die Auswirkungen aber eingeschränkt werden. Die Banken erhielten – unter dem Protest einiger Politiker – entsprechende Ausnahmebewilligungen.
Astronomische Forderungen
Schon lange bevor eine gütliche Einigung zwischen der UBS und Frankreich möglich geworden wäre, bauten die Franzosen ein weiteres grosses Hindernis auf: den Preis. Mit der Kaution von 1,1 Milliarden Euro legten die Richter die Latte sehr hoch.
Einen kleinen Lichtblick gibt es für die UBS immerhin. Das sicher investierte Geld wird verzinst, zuletzt mit 0,75 Prozent. Der aufgelaufene Zins bleibt allerdings vorerst auf demselben Konto.
Zum Vergleich: Die HSBC musste insgesamt nur 150 Millionen Euro Kaution hinterlegen, zahlte allerdings das Doppelte, um die Untersuchung letztlich beizulegen. Wie auch die UBS hatte die britische Grossbank die ursprüngliche Forderung von 1 Milliarde Euro angefochten. Im Unterschied zu den Schweizern war sie damit erfolgreich und der Betrag wurde reduziert.
UBS-CEO Sergio Ermotti und sein Mann für heikle Fälle, Chefjurist Markus Diethelm (Bild unten), wollten ihren Aktionären eine solche Milliardenzahlung nicht zumuten. 300 Millionen Euro – soviel zahlte letztlich auch die HSBC – wäre die Bank wohl zu zahlen bereit gewesen, liess Diethelm im Frühling 2017 durchscheinen.
Das hätte ungefähr der Summe entsprochen, welche die UBS an die Behörden in Deutschland gezahlt hatte. Damit ist klar, dass sich die Bank durchaus in der Verantwortung sieht, sich dem politischen Druck jedoch nicht beugen wollte.
Politisches Säbelrasseln
Schon früh im Streit mit Frankreich sprach die UBS von einem «höchst politischen Prozess», bei dem von Anfang an die Rechtsstaatlichkeit missachtet worden sei. Diese markigen Worte machten schon vor mehr als vier Jahren deutlich, dass sich die Bank ihrer Sache relativ sicher war – gegenüber den Amerikanern hätte man sich eine solche Provokation kaum erlaubt.
In Frankreich wiederum wurde die Presse fleissig mit immer neuen Details der Ermittlungen gefüttert. Diese Lecks stossen den Verantwortlichen bei der Bank bis heute sauer auf. «Nach einem mehr als sechs Jahre dauernden rechtlichen Verfahren erhält UBS jetzt die Gelegenheit, sich vor Gericht gegen die oftmals haltlosen und häufig an die Medien durchgesickerten Anschuldigungen zu wehren, mit denen die Unschuldsvermutung und das Untersuchungsgeheimnis klar verletzt wurden», schrieb die Bank auf Anfrage von finews.ch.
Schwierige Beweislage
Mit ihrem Kesseltreiben gegen die Schweizer Grossbank haben sich die – mittlerweile abgewählten – Politiker und ihre Staatsanwälte nicht unbedingt einen Gefallen getan. Es gilt nun, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen.
Dabei muss die Anklage im Einzelnen beweisen, wieviel Geld die UBS tatsächlich zu hinterziehen geholfen hat. Aus dieser Summe liesse sich dann die Schwere der Geldwäscherei ableiten, was wiederum auf die Höhe der Busse Einfluss hat.
Dass die Bank und ihre Vertreter dabei durchaus mit gleich langen Spiessen ausgestattet sind, zeigte schon der Prozess gegen Raoul Weil (Bild oben) in Florida. Der ehemalige Chef des globalen Vermögensverwaltungsgeschäfts ist auch in Frankreich erneut angeklagt, ebenso wie vier weitere frühere Angestellte der UBS.
In den USA wurde Weil von einem Geschworenengericht freigesprochen. Trotz grossem Getöse im Vorfeld und seiner medienwirksamen Verhaftung in Italien, stellten sich die Zeugen der Anklage vor Gericht – unter anderen der Ex-UBS-Banker Martin Liechti – als zu wenig glaubwürdig heraus.
Monatelange Unsicherheit
Ob der Prozess in Frankreich für die Gegner der Grossbank zu einem ähnlichen Fiasko wird, stellt sich erst in mehreren Monaten heraus. Vor 2019 ist kaum mit einem Urteil zu rechnen.
Auch wenn die UBS und ihre Führung selbstsicher auftreten, ist es ein heikler Moment für die Bank. Während eine Busse zu verkraften wäre, könnte eine Verurteilung zu genau den Problemen in anderen Rechtsräumen führen, die vor Jahren einer gütlichen Einigung entgegenstanden.