Die Genfer Kantonalbank müsse mit einer UBS um Kunden wetteifern können, sagt ihr Chef Blaise Goetschin zu finews.ch. Dazu hält er seine Leute zu Geschäften an, die andere Häuser nicht mehr machen wollen – und erteilt gängigen Denkmustern eine Abfuhr.


Herr Goetschin, die Genfer Kantonalbank hat den Gewinn im ersten Halbjahr 2017 um ein Viertel gesteigert und ist an allen Fronten gewachsen. Wie lange halten Sie den Sprint durch?

Aus sechs guten Monaten sollte man keine grossen Schlüsse ziehen. Aber meiner Meinung nach ist die Bank gerade erst an den Start gerollt. Wenn unsere langfristige Strategie aufgeht, haben wir noch viel mehr Potenzial.

Ist das nicht ein bisschen forsch für eine Kantonalbank? Die Staatsinstitute zeichnen sich ja eher durch solides Schaffen aus.

Wir sind nicht die typische Kantonalbank. Wir sind noch nicht im Reifestadium angelangt. Unser Hauptziel ist Wachstum.

Wo – und wie?

Fangen wir bei unserem Heimmarkt an. Genf ist klein – und komplex. 40 Prozent der Einwohner stammen aus dem Ausland. Die Wirtschaft ist in so unterschiedliche Sparten wie Handelsfinanzierung, internationale Multis, aber auch lokale KMU zersplittert. Zudem sind 104 Banken am Platz unterwegs.

«Eigentlich gehören wir ins Guinness-Buch der Rekorde»

Unsere Antwort darauf ist Diversifikation, eine so breite Offerte wie bei einer Grossbank – und eine internationale Reichweite.

Sie messen sich an einer UBS und einer Credit Suisse?

In der Schweiz sind wir die kleinste Bank mit der höchsten Komplexität. Eigentlich gehören wir ins Guinness-Buch der Rekorde (lacht)!

Komplexität ist nicht unbedingt das, was Chefs sich wünschen. Haben Sie keine schlaflosen Nächte?

Es gibt zwei Gründe für schlaflose Nächte. Entweder Angst oder Leidenschaft.

Das müssen Sie jetzt erklären...

Mein Team und ich sind dank der Strategie, mit der Bank Schritt für Schritt vorwärts zu gehen, sehr motiviert. Aber es ist nicht so, dass es eine Alternative gibt: Der lokale Genfer Markt ist zu klein. Deshalb müssen wir wie viele andere Schweizer Firmen exportieren. Frankreich und das Ausland sind daher so wichtig für uns wie Genf und die übrige Schweiz.

Stimmt diese Gewichtung denn mit dem Leistungsauftrag als Staatsinstitut überein?

Zwei Drittel unseres Ertrags kommt aus dem Geschäft mit Firmen, 27 Prozent davon fallen in Fremdwährungen an. Trotzdem bin ich überzeugt, dass dies mit unserem Auftrag überein stimmt. Nämlich, die sehr internationale Genfer Wirtschaft zu unterstützen.

«Wie kommt eine Bank dazu, in Kenia Geschäfte zu machen, aber nicht in Nigeria? Das ist doch Ausgrenzung!»

Wir dürfen die internationalen Konzerne und die ausländischen Privatkunden nicht den Grossbanken überlassen.

Doch die Genfer Kantonalbank ist eben keine UBS.

Wir müssen wenigstens ein Teil des Geschäfts bei uns behalten. Ein Beispiel: Ein britischer Expat wird von seiner Firma von Genf nach Kenia versetzt. Viele Inlandbanken würden ihm da sein Konto umgehend kündigen. Wir sagen: Wir sind die Staatsbank des internationalen Hubs Genf. Wir behalten diesen Kunden.

Gehen Sie da nicht enorme Risiken ein? Sogar die Grossbanken decken nur ausgesuchte Auslandsmärkte ab.

Natürlich müssen wir die Risiken im Griff haben und nur jenes Geschäft abwickeln, das wir auch handhaben können. Aber ich begreife die Ländersegmentierung grundsätzlich nicht: Wie kommt eine Bank dazu, in Kenia Geschäfte zu machen, aber nicht in Nigeria? Das ist doch Ausgrenzung! Für ein Institut mit einer politischen Komponente wie der unseren ist das sehr heikel.

Wie viele Länder bedienen Sie denn?

Vermögen von ausserhalb von Europa machen nur 4 Prozent unserer Kundengelder aus, gebucht und kontrolliert werden die Vermögen allesamt in der Schweiz. Wir bedienen aber rund 60 Nationalitäten – wobei es eben nicht so sehr auf das Land, sondern auf die einzelnen Kunden ankommt.

Im Steuerstreit mit den USA hat sich gezeigt, dass einige wenige ausländische Kunden reichen, um eine Bank in den Schlamassel zu stürzen. Das bereitet Ihnen keine Sorgen?

Wenn man das nicht aushält, dann sollte man den Beruf des Bankers nicht wählen. Die amerikanische Botschafterin in der Schweiz Frau Levine hat zahlreiche hiesige Banken in einem Brief gebeten, wieder US-Personen zu bedienen. An uns ist nie ein solches Schreiben ergangen.

«Die Diskussion über einen erleichterten Marktzugang zur EU auf einer Illusion»

Wir wissen, dass es gemäss dem US-Steuergesetz Fatca obligatorisch ist, amerikanische Kunden zu akzeptieren.

Ironischerweise klagen Schweizer Banken über Einschränkungen im Geschäft mit Ausländern, besonders im EU-Raum. Wird da auf Vorrat gejammert?

Für mich basiert die Diskussion über einen erleichterten Marktzugang zur EU auf einer Illusion.

Weshalb?

Die Hoffnung, dank eines solchen Rahmenabkommens öffneten sich in Europa sämtliche Türen, korrespondiert überhaupt nicht mit der Realität des Banking. Nehmen sie Frankreich: Das Nachbarland ist für uns seit mehr als zwanzig Jahren ein wichtiger Markt. Deshalb sind wir dort mit einer Zweigniederlassung und mit separatem Führungs- und Risikoteam vertreten. Wir stehen auch in stetem Kontakt mit den diversen lokalen Aufsichtsbehörden.

«Jedes Land hat das gute Recht, die dort tätigen Banken zu kontrollieren»

Kurz: Jedes europäische Land ist für sich genommen hoch komplex und verlangt entsprechende Strukturen vor Ort.

Also doch eine Art Protektionismus, oder?

Ich sehe das nicht so. Jedes Land hat das gute Recht, die dort tätigen Banken zu kontrollieren. Wir sollten das als positiven Beweis dafür werten, welche Bedeutung das Banking als Teil der Volkswirtschaft immer noch hat.

In Dubai und Hongkong betreiben Sie eigene Büros. Was sind die Pläne dort?

Im Ausland sind wir in der Handelsfinanzierung, im Firmengeschäft sowie im Private Banking aktiv. In Hongkong und Dubai pflegen wir aber nur die bestehenden Beziehungen und begleiten unsere Kunden. Es entspricht nicht unserer Strategie, direkt in Asien viele Kunden zu gewinnen.

Ihre Bank möchte aber im Private Banking wachsen. Wie halten Sie es mit Zukäufen?