In einem positiven Licht betrachtet, hat sich im ersten Halbjahr das Geschäftsmodell der Bank Vontobel mit drei Einheiten bewährt. Ein kritischer Blick offenbart Schwächen – die nicht neu sind.
Vontobel-CEO Zeno Staub (Bild unten) sagt es auf wie ein Mantra: Auch eine verhältnismässig kleine Bank wie Vontobel kann in drei unterschiedlichen Geschäftsfeldern erfolgreich sein. Nämlich im Private Banking, im Asset Management und im Geschäft mit Strukturierten Produkten, was bei Vontobel den wesentlichen Teil der Investmentbank ausmacht.
Daran werde sich nichts ändern, wenn Vontobel am kommenden 31. August neue Ziele bekannt geben werde, sagte Staub am Donnerstag bei der Präsentation der Halbjahresergebnisse.
Investoren sehen dies gerade etwas anders
«Wir sind klein in fast allem, was wir tun», so der Vontobel-CEO. Dies verleihe der Bank Flexibilität und sei das Erfolgsrezept der vergangenen Jahre gewesen, bekräftigte er die Strategie der drei Standbeine.
Investoren sahen dies etwas anders und stiessen so viele Vontobel-Aktien ab wie seit sechs Monaten nicht mehr. Sie sehen anstatt der drei Vontobel-Standbeine nur deren zweieinhalb.
Klein zu sein, ist hier kein Vorteil
Das Wealth Management ist inzwischen der chronische Schwachpunkt in der Strategie Vontobels, eine diversifizierte Ertragsstruktur zu schaffen. Es fällt gegenüber dem Asset Management und dem Bereich Financial Products seit längerem ab. Im ersten Halbjahr 2017 steuerte das Wealth Management weniger als ein Viertel zum gesamten operativen Gewinn Vontobels bei.
Klein zu sein ist im Wealth Management nur unter besonderen Umständen ein Vorteil – und diese treffen auf Vontobel, eine Bank mit globalen Ansprüchen, nicht zu. Staub betont zwar, dass Vontobel angesichts des Wachstums von 3 Prozent oder 1 Milliarde Franken Nettoneugeld Marktanteile hinzugewinnt.
Wachstum im Kriechgang
Doch geht das Wealth Management effektiv im Kriechgang – ganz im Gegensatz zum Asset Management und dem Geschäft mit Strukturierten Produkten, wo in den letzten Jahren massiv mehr investiert worden ist. Klein sein bedeutet für das Vontobel Asset Management ein Pluspunkt, weil sich die Bank mit ihrer überzeugten aktiven Investmentstrategie nur bedingt dem Druck des Passiv-Trends aussetzt. Und mit ihren Financial Products besetzt Vontobel eine globale Nische im Anlageuniversum.
Mit 40 Milliarden Franken Kundengeldern fehlt dem Wealth Management aber die Ertragskraft, Dellen auszubügeln, die nun im ersten Semester das Asset Management getroffen haben – Rajiv Jains Abgang hinterlässt nachhaltige Spuren.
Deritrade wird zum digitalen Asset
Die Delle bügelte die Sparte Financial Products aus. Hier hat Vontobel mit Deritrade eine Plattform gebaut, deren Skalierungsmöglichkeiten sich nun manifestieren. Die Bank kann ihr Angebot dank digitaler Vertriebskanäle nun rasch auf neue Märkte ausdehnen.
Für das zweite Halbjahr darf nochmals eine erkleckliche Volumensteigerung erwartet werden, da Vontobel das Angebot mit Leveraged Products an der Hongkonger Börse kotieren wird, die in diesem Segment zu den grössten überhaupt gehört.
Beschleuniger gesucht
Über die Qualität im Wealth Management von Vontobel lässt sich wenig bemängeln. Die Vermögensbasis wächst schneller aufgrund erzielter Performance-Gewinne als durch Nettoneugeld. Unter den Vermögensverwaltungsmandaten haben eigenen Angaben zufolge rund zwei Drittel bezüglich Performance ihre Benchmarks übertroffen.
Ob dies als Rezept gegen die zunehmenden Herausforderungen im Wealth Management ausreicht, ist allerdings zweifelhaft. Der Margendruck wird steigen, die Zinsen bleiben tief und die Kunden zurückhaltend. Auf der Kostenseite stehen Compliance- und Regulierungsanforderungen, die weiter zunehmen werden.
Die Investitionen in Digitalisierung und der Private-Banking-Aufbau in den USA sind nicht die Beschleuniger des Geschäftes, welches Vontobel wohl braucht.
Stattdessen Weg der kleinen Schritte
Es ist typisch für den notorisch risikoscheuen Staub, dass er zwar erneut Akquisitionen in Aussicht stellt und effektiv dann den Weg der kleinen Schritte nimmt, in dem er ein Osteuropa-Portfolio von der Privatbank Notenstein La Roche kauft.
Speziell im Hinblick auf weiterhin steigende und kostenintensive Anforderungen im Wealth Management, wäre mehr Mut zu einem Wachstumssprung für Staub eine prüfenswerte Option. Wie das geht, macht ein Boris Collardi mit Julius Bär seit Jahren vor. Sonst bleibt das Wealth Management das halbe Standbein, das es zurzeit bei Vontobel ist.