Vontobel lebe auch ohne Rajiv Jain sehr gut, sagt Axel Schwarzer gegenüber finews.ch. Der Asset-Management-Chef prophezeit dem aktiven Investieren ein Comeback und verrät einiges über die Big-Data-Initiative der Bank.
Herr Schwarzer, glaubt man Marktbeobachtern, ist Vontobel wie alle anderen aktiven Asset Manager dem Untergang geweiht, weil nur noch passives Investieren gefragt sein wird. Wie sehen Sie das?
Das Gegenteil ist der Fall. Ich sehe uns als Gewinner im Asset Management.
Das müssen Sie uns genauer erklären
Unsere verwalteten Vermögen wachsen in allen Boutiquen kontinuierlich – mit Ausnahme der Quality Growth Boutique, die nach dem Abgang von Fondsmanager Rajiv Jain und dem «Trump-Effekt» auf die Emerging Markets bis in das neue Jahr hinein in einer Art Sondersituation steckte.
Unsere Performance und die Positionierung in allen Boutiquen stimmen. Wir haben auch Übernahmen getätigt...
...Twentyfour Asset Management und Vescore...
...genau. Das geht in der Schweiz leider etwas vergessen, dass Vontobel zu den aktiven Konsolidierern im Asset Management gehört.
Investoren wenden sich von aktiven Asset Managern sehr schnell ab, wenn die Rendite nicht stimmt, oder wenn die Rendite mit zu hohem Risiko erzielt wurde. Dann wird der Kostenfaktor zugunsten von passivem Management angeführt. Machen Sie solche Erfahrungen?
Natürlich ist Vontobel dem Trend zu passiven Investments auch ausgesetzt. Meiner Meinung ist aber die Diskussion um aktiv versus passiv in Teilen bereits Vergangenheit.
Sie war insbesondere davon geprägt, dass mit aktiven Managern vielfach solche gemeint sind, die ihre Fonds eng um einen Benchmark aufbauen und bei minderer Performance die Kosten nicht einspielen.
«Wir sind in einem Bereich tätig, den man ‹Conviction› nennt»
Vontobel betreibt ein anderes aktives Asset Management. Wir sind in einem Bereich tätig, den man «Conviction» nennt. Unsere Manager richten sich nicht nach einer Benchmark aus, sondern nach ihren Überzeugungen. Wir sind Spezialisten und werden unsere Nische immer finden.
In haussierenden Märkten ist aktives Management demnach eher im Nachteil.
Wenn Sie nur das Kostenargument berücksichtigen, ja. Vielfach geht bei der Preisdiskussion aber vergessen, dass auch eine Benchmark-Performance nicht ohne Risiko zu erzielen ist. In volatilen Märkten nimmt die Qualität von passiven Strategien daher deutlich ab – und das aktive Management kann seine Stärken ausspielen.
Der starke Trend zu passiven Anlagen ist demnach auch eine Folge der anhaltend guten Märkte?
Ja. Doch das wird sich wieder ändern, und aktives Management erlebt ein Comeback. Unsere Performance spricht dafür: Im laufenden Jahr liegen 80 Prozent unserer Fonds über der Benchmark.
Es gibt eine Reihe von aktiven Managern, die ihren Kunden inzwischen auch passive Strategien anbieten. Vontobel auch?
Unsere Antwort darauf ist Vescore. Aus der quantitativen Boutique von Vescore können wir ausgewählten Kunden auch eine aktive Asset Allocation mit passiven Instrumenten anbieten, teilweise mit Smart-Beta-Elementen. Grundsätzlich sind aus meiner Sicht aber Factor Investing und Smart Beta-Strategien der bessere Ansatz, als passive Strategien.
«Das wäre nicht besonders klug»
Wir jedenfalls werden keine passiv gemanagten Produkte wie ETF anbieten. Sich in dieses von den Big Playern beherrschte Konkurrenzumfeld zu bewegen, wäre nicht besonders klug.
Der globale Asset-Management-Markt hat in jüngster Zeit eine Reihe von Übernahmen gesehen. Wie beobachten Sie die Konsolidierung aus der Warte einer kleinen Firma?
So klein sind wir nicht mehr! In Europa sind wir die Nummer 37 und in der Schweiz die Nummer 8. Und das liegt auch daran, dass wir, wie gesagt, bei der Konsolidierung dabei sind.
Was steht als nächstes an?
Wir wollen organisch wachsen, aber wir halten auch nach geeigneten Gelegenheiten Ausschau. Wir haben klare Akquisitionsrichtlinien: Im Fokus stehen Fixed-Income- oder Multi-Asset-Anbieter in der Schweiz, in Deutschland, Grossbritannien oder in den USA. Auch Asien ist ein Thema. Doch der Markt ist sehr teuer.
Haben Sie eine Grössenvorstellung solcher Übernahmeziele?
Unser Fokus liegt nicht nur darauf, im Asset Management grösser zu werden, sondern auch besser. Wir wollen Expertise gewinnen und einen besseren Marktzugang.
Vescore hat Ihnen zumindest einen besseren Zugang nach Deutschland verschafft. Macht dies die gescheiterte Übernahme von Meriten vergessen?
Wir haben dank Vescore eine sehr gute Positionierung in Deutschland erlangt, das ist, was zählt. Was nicht heissen will, dass wir nicht auch in Deutschland weitere Zukäufe in Betracht ziehen.
Von aussen betrachtet sieht es aus, als ob Vontobel das Asset Management deutlich stärker voranbringt als das Private Banking. Erhalten Sie all die Mittel, die Sie brauchen?
Nein. Wir führen in der Gruppenleitung einen sehr offenen Austausch darüber, wann und in welchem Bereich eine Akquisition Sinn macht und Vontobel als Ganzes voranbringt. Das ist eine unternehmerische Vorgehensweise der Organisation. Hier herrscht kein Futterneid.
Wie sieht bei Vontobel Asset Management die Ära nach Rajiv Jain aus?
Auch wenn es schwer vorstellbar zu sein scheint: Es gibt ein Leben nach Rajiv Jain für Vontobel – und wie die Ergebnisse zeigen, ein sehr gutes. Zwei Gründe dafür: Einerseits hatten wir unsere Kundengelder in den vergangenen Jahren bereits deutlich diversifiziert – und tun es weiter.
«Wir hätten gerne mit Rajiv Jain weitergearbeitet»
Vor allem im Fixed-Income-Bereich erleben wir starke Zuflüsse. Zweitens ist das Investmentteam der Quality-Growth-Boutique von mehr als 20 Leuten zusammengeblieben. Die Investmentprozesse sind unverändert. Manche Fonds haben bereits wieder Nettozuflüsse. Auch institutionelle Kunden, die gemäss Managementvertrag nach dem CIO-Wechsel ihr Geld abziehen mussten, klopfen bereits wieder an.
Rajiv Jain war ein Erfolgsgarant, auf den sich alles konzentrierte. Von dem aber auch klar war, dass er eines Tages Vontobel verlassen würde. Ist man als Manager auch erleichtert, wenn es dann passiert?
Wir hätten gerne mit ihm weitergearbeitet, keine Frage. Aber wie Sie sagen: Auf ihn hat sich vieles konzentriert. Als Manager mag man aber keine Klumpenrisiken in seiner Organisation. Aus meiner Sicht ist Vontobel Asset Management nun ausgewogener und diversifizierter. Ausserdem hat sich einiges an Dynamik freigesetzt, in dem sich die übrigen Mitarbeiter sagten, das können wir auch im Team.
Zudem ist Ihre Cost-Income-Ratio ohne Rajiv Jain deutlich tiefer.
Das haben wir transparent im Jahresabschluss dargelegt.
Das zweite grosse Thema im Asset Management ist die Digitalisierung. Was sind Ihre Initiativen in diesem Bereich?
Auf der Kundenseite arbeiten wir an einer App, die sämtliche Informationen über Produkte, Portfolio, Entwicklung und Assets auf einen Blick transparent macht. Ein weiteres Ziel ist, unser interne Kundendaten durch neue digitale Lösungen noch effektiver zu nutzen, damit wir rascher auf Bedürfnisse und Veränderungen mit entsprechenden Anlage- und Produktevorschlägen reagieren können.
Was noch?
Im aktiven Asset Management müssen Sie bei steigender Markteffizienz und Informationsgleichheit über ein hervorragendes Research verfügen. Um Alpha zu generieren, nutzen wir Big Data und wollen dies weiter ausbauen, um die Informationen ins Research und ins Portfolio-Management einfliessen zu lassen.
Entsprechend bauen wir unsere Teams auch mit Spezialisten aus, die solches Big-Data-Research beherrschen. Und wir investieren in Systeme, die diese Informationen für das Portfoliomanagement verarbeiten können.
Axel Schwarzer leitet seit 2011 das Asset Management der Bank Vontobel, das 92 Milliarden Franken verwaltet. Vor Vontobel arbeitete der 59-jährige Deutsche mehr als 20 Jahre bei der Deutschen Bank, zunächst im Private Banking, ab 1999 im Asset Management. Der Jurist war zunächst in der Geschäftsführung von DWS Investments und ab 2005 CEO von DWS sowie Leiter Deutsche Asset Management Americas.