«Vollgas»-Banker Boris Collardi nimmt den Fuss vom Pedal. Der CEO der Bank Julius Bär bleibt zwar dem Wachstum verpflichtet. Doch will er nicht mehr Kopf und Kragen riskieren.
Boris Collardi, Chef der Julius Bär, will die Privatbank nicht mehr auf Teufel komm' raus expandieren. Hat der «Vollgas»-Banker die vergangenen Jahre an der Spitze von Julius Bär zum guten Teil damit zugebracht, Akquisitionen aufzugleisen und zu integrieren, um das Institut zu einem globalen Player zu formen, sieht er diese Wachstumsstrategie nun plötzlich als zu riskant an.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur «Bloomberg» sagte Collardi: «Wir haben zurückgeschaltet auf organisches Wachstum. Das Risiko-Rendite-Verhältnis, Wachstum durch Personalrekrutierung zu erreichen, ist besser als durch Akquisitionen.»
Husarenstück Merrill Lynch
Dies sagt der Banker, der in den vergangenen Jahren wohl weltweit einer der aktivsten Käufer auf dem Markt war. Kaum war er im Jahr 2009 als erst 34-Jähriger an die Spitze der etwas behäbigen Traditionsbank berufen worden, schlug er ein erstes Mal zu und kaufte das Schweizer Private Banking des holländischen ING-Konzerns.
Es folgte das Husarenstück der Merrill-Lynch-Übernahme, die Julius Bär in die oberste Kategorie der globalen Wealth Manager katapultierte. Quasi im Vorbeigehen kaufte Collardi zudem das Schweizer Geschäft der Bank Leumi, die italienische Kairos, die Commerzbank in Luxemburg sowie eine Beteiligung am chinesischen Finanzdienstleister Jupai Holdings.
Bereit, hohe Risiken einzugehen
Collardi gefiel sich sichtlich in der Rolle des aktiven Konsolidierers. Es gab in den vergangenen Jahren kaum ein zum Verkauf stehendes Private-Banking-Geschäft, als dessen potentieller Käufer Julius Bär nicht genannt worden wäre: Coutts, BSI und zuletzt auch Barclays Asien – man hätte Collardi zugetraut, auch diese Institute einzuverleiben.
Der Genfer Private Banker schien stets bereit, auch hohe Risiken einzugehen. Im Jahr 2015 scheiterte die Übernahme der EFG International nur knapp – vielleicht wäre dieser Kauf auch einer zu viel für Julius Bär gewesen.
Der Zyklus hat sich abgekühlt
Collardis aggressiver Wachstumskurs hat die Bank einiges an Eigenkapital gekostet. Zum ersten Halbjahr 2016 sank die BIZ-Kernkapitalquote auf 15,9 Prozent, von den bereits schwachen 18,9 Prozent zu Ende des Jahres 2015. Für eine Privatbank ist eine starke Eigenkapitaldecke eine strategische Schlüsselkomponente, da sie das Kundenvertrauen stärkt.
Offensichtlich will Collardi die Finanzen der Bank nicht weiter strapazieren. Das geht klar aus dem «Bloomberg»-Interview hervor, in welchem der Bär-CEO von der «Abkühlung» des Akquisitions-Marktzyklus' spricht.
Mehr Kundenberater
Rhetorisch Gas gibt Collardi hingegen in Bezug auf die Personalrekrutierung. «Viele Banker suchen eine neue Heimat», sagte er. Bär habe 2015 global rund 200 Kundenberater eingestellt und habe dies auch in diesem Jahr vor. Allerdings, so schränkt Collardi ein, trenne sich die Bank auch von Überkapazitäten, «damit refinanzieren wir unser Wachstum».
Einen anderen Weg als Wachstum kennt Collardi offenbar nicht – und dies ist den Zwängen der Branche geschuldet. Die Regulierungskosten seien dermassen gestiegen und würden weiterhin zunehmen, dass eine Privatbank dem nur durch die Vergrösserung der Vermögensbasis begegnen könne, um höhere Erträge zu erzielen.