Mit Paukenschlägen haben Standard Chartered und die Deutsche Bank ihren Umbau in Angriff genommen. Die Credit Suisse kann die Gunst der Stunde nur nutzen, wenn sie auch mit einem Coup aufwartet.
In den vergangenen Wochen ging es beim Thema Credit Suisse (CS) vor allem um die Frage einer Kapitalerhöhung, wie auch finews.ch berichtete. Doch spätestens seit vergangenem Sonntagnachmittag ist klar: Konzernchef Tidjane Thiam muss sich für den kommenden Mittwoch – anlässlich der Präsentation der neuen Strategie – noch einiges mehr einfallen lassen, um den enorm hohen Erwartungen in der Finanzwelt auch nur annähernd gerecht zu werden.
Denn just an diesem Wochenende kündigte die Deutsche Bank – wie aus dem Nichts – den vermutlich grössten Umbau in ihrer Geschichte an. Das deutsche «Handelsblatt» spricht im übertragenen Sinn sogar davon, dass gar «der Blitz in die Hochhaustürme der Deutschen Bank in Frankfurt eingeschlagen hätten». Dabei bleibt kein Stein auf dem andern, wie auch finews.ch berichtete.
Top-Manager müssen den Hut nehmen
Der Konzern wird regelrecht zerlegt, die Bank schafft gänzlich neue Bereiche und Verantwortlichkeiten; selbst das bislang heilige Investmentbanking soll aufgespaltet werden, und zahlreiche Top-Manager müssen den Hut nehmen. Der neue starke Mann, Co-CEO John Cryan, nutzt die Gunst der Stunde und baut das grösste deutsche Finanzhaus so radikal um wie es niemand erwartete hätte.
Das liefert den besten Beweis dafür, dass das Unternehmen in den vergangenen Jahren vollends auf Abwegen geraten war – und unter dem Führungsgespann Anshu Jain und Jürgen Fitschen nie und nimmer wieder auf Vordermann gekommen wäre. Mit anderen Worten: Was früher galt, ist definitiv Makulatur.
Mehr Leistung
Dass dies nicht eine blosse Floskel ist, zeigt sich bei einem weiteren Finanzkonzern, nämlich bei Standard Chartered. Auch hier wird sich unter der Leitung des neuen CEO Bill Winters vieles fundamental ändern.
Neue Bereiche, neue Verantwortlichkeiten, mehr Leistung – all das äussert sich allein schon darin, dass Winters von den rund 4'000 Top-Managern des britisch-asiatischen Konzerns gleich ein Viertel auf die Strasse stellen will, wie verschiedene Medien berichteten. Und was lässt sich daraus schliessen?
Wie ein schlechter Scherz
Die Äusserungen, die der frühere CS-Chef Brady Dougan vor gerade einmal fünf Monaten in der «Finanz und Wirtschaft» machte, wirken heute wie ein schlechter Scherz. Damals sagte der Amerikaner tatsächlich: «(Die) Credit Suisse ist einzigartig ausbalanciert.»
Und bereits an der Generalversammlung von 2013 hatte Dougan erklärt: «Wir erfüllen als einer der ersten weltweit tätigen Finanzdienstleister die Basel-III-Anforderungen und sind damit den meisten Mitbewerbern einen bedeutenden Schritt voraus.»
Arithmetik am Reissbrett?
Doch nun ist offenbar doch eine massive Kapitalerhöhung nötig, zudem ist von massiven Reorganisationen, von Stellenabbau, Regionalisierung und dem Verkauf einzelner Geschäftsbereiche die Rede. So ‹ausbalanciert› scheint diese Bank nicht wirklich zu sein.
Tidjane Thiam (Bild oben) kann indessen nicht bloss mit frischem Kapital jonglieren und an der Kostenschraube drehen. Er braucht mehr, er braucht einen Überrraschungscoup, welcher der Credit Suisse neue Attraktivität bringt – Attraktivität, die besonders bei den (Gross-)Anlegern Anklang findet. Alles andere wäre bloss Arithmetik am Reissbrett. Doch was heisst das?
Drei Bereiche im Fokus
Nur mit einem Paukenschlag, der logischerweise nicht überall auf Akklamation stossen wird (Nebenwirkungen: Stellenabbau, Reorganisation, höhere Leistungsziele), kann Thiam das Steuer herumreissen und in gewissem Sinn einen Quantensprung schaffen. Dabei sind es drei Bereiche, in denen mit einer (offensiven) Überraschung gerechnet werden darf.
- Erstens muss Thiam das Schweizer Geschäft so umgestalten, dass es in allen Bereichen hoch profitabel wird und es eine Persönlichkeit führt, die man über die Bankbranche hinaus als Identifikationsfigur wahrnehmen kann.
- Zweitens ist Thiam auf eine Frührungscrew angewiesen, die frei von jedem Verdacht der Günstlingswirtschaft ist.
- Drittens braucht Thiam eine (grössere) Übernahme (in Asien), um die neue Strahlkraft der Credit Suisse zu unterstreichen und so seinen Quantensprung anhand einer wirkungsvollen Aktion beweisen zu können.
Seit der Ankündigung des Radikalumbaus der Deutschen Bank am vergangenen Wochenende sind die Erwartungen an die Credit Suisse respektive an Thiam nochmals um einiges gestiegen. Man kann gespannt sein, mit welchen Taten der neue CS-CEO am kommenden Mittwoch an seiner Präsentation in London aufwartet.