Der neue Chef der Credit Suisse ist kein Freund überstürzten Handelns. Medienberichten zufolge soll er nun aber seine neue Strategie für die Schweizer Grossbank deutlich früher präsentieren als erwartet. Nicht nur das wirft Fragezeichen auf.
«Wer hastet, zahlt früher oder später den Preis dafür»: Das ist einer der Leitsätze, mit denen Tidjane Thiam (Bild) als neuer CEO der Credit Suisse (CS) antrat. Von Anfang an liess er damit Mitarbeiter, Investoren und nicht zuletzt die Öffentlichkeit wissen, dass er sich nicht zu wichtigen Entscheiden drängen lässt.
Insbesondere galt Thiams Diktum natürlich der allseits mit Spannung erwarteten «tiefgreifenden Strategischen Überprüfung» der Grossbank, mit der Beobachter im kommenden November rechneten. In fünf Jahren wird mich niemand danach fragen, wann genau ich meinen Plan präsentiert habe – das war die Botschaft, die der CEO mit seiner Gelassenheit wohl signalisieren wollte.
Aus November wird Oktober
Doch nun scheint alles anders. Wie die «Schweiz am Sonntag» mit Bezug auf anonyme Quellen berichtete (Artikel in der Printausgabe), gibt Thiam bereits Anfang Oktober bekannt, wie es mit «seiner» Bank weitergehen soll. Der «Tagesanzeiger» will es sogar noch genauer wissen: Die Strategie werde am 6. Oktober vorgestellt, schreibt die Zeitung. Die CS selber wollte die Berichte nicht kommentieren.
Fragen werfen aber nicht nur die mutmassliche Hast des CS-Lenkers auf. Sondern auch der Strauss an Massnahmen, der laut der «Schweiz am Sonntag» schon innert weniger Wochen umgesetzt wird. Das sind die wichtigsten fünf Überlegungen dazu:
1. Wichtigste Massnahme bleibt vage
Nicht wenige Profiinvestoren dürften den Bericht der «CS-Insider» mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben: Laut «Schweiz am Sonntag» soll nämlich eine vorgezogenen Kapitalerhöhung der Grossbank die Bekanntgabe der Strategie beschleunigt haben.
Wie auch finews.ch analysierte, ist die Stärkung der Kapitaldecke die wohl am dringlichsten erwartete Massnahmeder Grossbank. Denn nur so gewinnt die CS die nötige Bewegungsfreiheit, um ihre neue Strategie auch umzusetzen. Entsprechend erstaunt es, dass dieser Punkt weiterhin höchst vage bleibt – und damit Unsicherheiten (siehe Punkt 5) befeuert.
2. Verkauf beim Hoffnungsträger
Die Grossaktionäre haben der CS schon 2014 klipp und klar dikitiert: Das Standbein im Private Banking muss gegenüber der kapitalintensiven Investmentbank ausgebaut werden. Doch laut den Medienberichten setzt Thiam nun ausgerechnet dort das Messer an: Die Private-Banking-Aktivitäten in den USA, wo die CS laut der «Schweiz am Sonntag» 100 Milliarden Franken von vermögenden Kunden verwaltet, soll verkauft werden.
Damit würde Chef Thiam zwar seinem Versprechen gerecht, die CS-Einheiten allein an ihrer Performance zu messen. Trotzdem würde dies die erwartete Forcierung der Vermögensverwaltung erstmals um ein gutes Stück zurückwerfen.
3. Abbau in Paradedisziplin
Weniger überraschend ist hingegen der angeblich geplante Rückbau des Bereichs Prime Brokerage in der CS-Investmentbank. Über Abbaumassnahmen im besonders kapitalintensiven Geschäft mit grossen institutionellen Anlegern wie Hedgefonds wurde schon länger spekuliert; gleichzeitig zählt die CS gerade in dieser Disziplin noch zur internationalen Top-Liga. Eine solche Position preiszugeben, könnte sich mit Blick auf die Zukunft rächen.
4. Bewährte Kräfte werden abgelöst
Ebenfalls will die «Schweiz am Sonntag» von gewichtigen Abgängen bei der CS wissen. So soll Robert Shafir, Co-Chef der Private-Banking-Abteilung, aus der Geschäftsleitung ausscheiden. Abgelöst wird dem Bericht zufolge auch der langjährige CS-Finanzchef David Mathers. Dieser soll durch Gaël de Boissard ersetzt werden, der derzeit das Investmentbanking leitet.
Mathers und Shafir zählen zwar zum Zirkel von Thiams Vorgänger Brady Dougan. Beiden Top-Managern wird aber auch innerhalb der Bank ein gutes Leistungszeugnis ausgestellt – entsprechend würde die CS der Abgang der Veteranen spüren. Laut «Schweiz am Sonntag» wäre diesbezüglich gar mit Widerstand aus dem Verwaltungsrat zu rechnen.
Der Abgang Shafirs würde zudem die Figur von Co-Private-Banking-Chef Ulrich Meister noch mehr ins Rampenlicht rücken. Der als hemdsärmlig-zupackend geltende Schweizer Banker stünde dann vermutlich allein an der Spitze jener Division, wo von Thiam die grössten Sprünge erwartet werden. Und weiterhin ist offen, ob CS-Schweiz-Chef Meister auch die neue Schweiz-Gesellschaft kommandieren wird, an der die Grossbank derzeit baut.
5. Unsicherheit statt klare Kommunikation
Die unbestätigten Meldungen aus dem Innern dürften derweil die bestehenden Unsicherheiten rund um die Bank noch verstärken. So schreiben etwa die Analysten der Neuen Helvetischen Bank (NHB): «Die mit dem schon fast ewigen Umbau der CS einhergehende Unsicherheit wird die Anleger dazu veranlassen, eher in die UBS zu investieren, welche den Umbau grösstenteils schon umgesetzt hat.»
Ein Steilpass für die Erzrivalin – das kann Thiam kaum wollen. Viel eher wird er sich in den nächsten Tagen wohl auf einen anderen Leitsatz besinnen: Dass die Kommunikation das A und O jeder erfolgreichen Tätigkeit ist.