Konzernchef Tidjane Thiam sieht die Zukunft der Credit Suisse in Asien. Die Bank hat dort einen Chef, von dem hierzulande noch nie die Rede war. Das wird sich ändern. Der Mann ist so herausragend, dass er in die Konzernleitung gehört.
Das Top-Management der Credit Suisse (CS) war am Donnerstag anwesend, als der neue CEO Tidjane Thiam erstmals Resultate präsentierte: Finanzchef David Mathers, die Private-Banking-Co-Chefs Hans-Ulrich Meister und Robert Shafir, Chefjurist Romeo Cerutti, Aktienhandels-Chef Timothy O'Hara, Marketingchefin Pamela Thomas-Graham – Fixed-Income-Chef Gaël de Boissard war (online) zugeschaltet.
Helman Sitohang (Bild), der Chef der CS in Asien-Pazifik fehlte. Er gehört zwar nicht zur Konzernleitung – doch dies könnte sich schon bald ändern. Denn Thiam hat grosse Pläne für die CS in Asien. Dort wachse der «Kuchen schneller als man ihn essen könne», formulierte er die Chancen in dieser Region.
Vermutlich kein Fehler
Auf einen Nenner gebracht: Asien ist für Thiam das Eldorado, und der Schweizer Heimmarkt bildet das Fundament. Entsprechend muss Thiam in seinem seinen Asien-Plänen zwangsläufig auf Sitohang setzen. Und damit macht er wohl keinen Fehler.
Während Thiam partout nicht über einige vagen Andeutungen hinausgehen wollte, welche Wachstumsinitiativen er in Asien plane, meldete sich Sitohang gleichentags aus Singapur via Nachrichtenagentur «Reuters»: «Wir sind offen, Wachstumsgelegenheiten durch Akquisitionen wahrzunehmen», sagte es so deutlich bislang noch niemand so deutlich aus der CS gesagt hatte.
Doch dieses Vorpreschen zeugt von allerhand Selbstbewusstsein: Ganz offensichtlich hört Sitohang mit Thiam an der Spitze der CS seine Stunde schlagen.
Historische Beförderung
Praktisch unbemerkt von den Schweizer Medien ist der Indonesier im vergangenen Oktober zum Chef der Region Asien-Pazifik ernannt worden – zusätzlich zu seinem Amt als Regionenchef der Investmentbank.
Es war eine historische Beförderung: Noch nie zuvor hatte ein Indonesier eine Top-Position einer international tätigen Grossbank eingenommen. Aber die Beförderung des 49-Jährigen war auch verdient und entsprach einer strategischen Logik.
Sitohang ist seit 18 Jahren der CS treu. Er hat für die Bank enorm viel Geld verdient. Gemäss Schätzungen gehen in Asien Deals im Volumen von mehr als 200 Milliarden Dollar auf sein Konto: Fusionen, Übernahmen, Kapitalmarkttransaktionen, Börsengänge. Das Mega-IPO im Wert von 25 Milliarden Dollar des chinesischen Internetkonzerns Alibaba war unter anderem von Sitohang eingefädelt worden.
Roger Federer des Banking
In Hongkong und Singapur, von wo Sitohang aus die Fäden zieht, gilt er als einer der am besten vernetzten Banker Asiens. In Indonesien ist er – in Bankkreisen – eine Legende. Auch dank seiner ausgezeichneten Beziehungen zu den reichsten Geschäftsleuten des Landes ist die CS dort seit 16 Jahren unangefochten die beste ausländische Investmentbank.
«Die Credit Suisse ist der Roger Federer der Banken in Indonesien», sagte Alberto Migliucci gegenüber dem Wirtschaftsmagazin «Forbes», der einige Jahre unter Sitohang gearbeitet hat.
Slowakische Wurzeln
Aber Sitohang, der slowakische Wurzeln hat und in der Goldenen Stadt Prag zu Zeiten des Kommunismus' zur Welt kam, ist mehr als ein «Deal-» und »Rainmaker» nach amerikanischer Investmentbanker-Manier.
Er hat zusammen mit Francesco de Ferrari, dem Private-Banking-Chef Asien-Pazifik, in Asien die CS zur Unternehmerbank geformt. Die beiden arbeiten Hand in Hand und nutzen ihre gegenseitigen Beziehungen zu asiatischen Unternehmerfamilien für weitere Geschäfte.
«Es ist eine gute Ausgangslage, wenn es offensichtlich ist, dass Kunden mit mehr als einem Produkt bedient werden können», sagte er in einem Gespräch mit dem Bankmagazin «Euromoney». «Wenn jemand aus der Bank ihnen schon eine Dienstleistung anbietet, warum sollten wir dann nicht weitere Dienstleistungen offerieren?»
«One-Bank» zum Laufen gebracht
Dieses einfache Prinzip der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Divisionen verfolgt die CS schon seit mehr als zehn Jahren mit ihrer «One-Bank»-Strategie. Richtig gut funktioniert hat sie bislang nur in Asien, wo allerdings auch die Kundenstrukturen dafür prädestiniert sind: Der Reichtum ist jung, von Unternehmern geschaffen, die Lösungen sowohl für ihre Geschäfte als auch für ihre Vermögen suchen.
Zusammenarbeiten und kooperieren – das gefällt CS-Chef Tidjane Thiam, der selber ein eingefleischter Teamworker ist. Und Sitohangs Erfolg für die CS in Asien ist ihm wohl schon bestens bekannt: Thiam hat als CEO den britischen Versicherer Prudential in Asien weit nach vorn gebracht und dürfte dabei Sitohangs Exploits zumindest wahrgenommen haben. Ausserdem sitzt mit Kai Nargolwala ein Singapurer sowohl im Verwaltungsrat der CS wie auch von Prudential.
Position aufwerten
Wenn für Thiam die steigende Bedeutung Asiens «conditio sine qua non», also ein absolutes Muss ist, dann ist Sitohang sein wichtigster Manager. Dies könnte sich in einer Aufwertung der Position des Asien-Pazifik-Chefs und in den nächsten sechs Monaten auch in der Konzernleitung der CS manifestieren.
Dort sind mit James Amine, Gaël de Boissard und Timothy O'Hara gleich drei Manager aus der Investmentbank vertreten. Mit Robert Shafir und Pamela Thomas-Graham herrscht im Gremium zudem eine Gewichtung, welche noch das Geschäftsmodell und die Strategie der amerikanisch geprägten CS spiegelt.
Zweite Beförderung?
Thiam hat mit der CS anderes vor – soviel hat er durchblicken lassen. Darum ist es nicht abwegig, dass bei der Bekanntgabe der neuen Strategie im Laufe der nächsten Wochen auch Änderungen in der Konzernleitung erfolgen – und Helman Sitohang innert einem Jahr zum zweiten Mal befördert würde.