Die Bank Julius Bär signalisiert klar, wohin sie will. Sie ist jedoch einigen Widrigkeiten ausgesetzt. Hier sind die acht wichtigsten Punkte zum Semesterabschluss 2015.
Die Bank Julius Bär arbeitet gut. Doch zwei Faktoren beeinträchtigen derzeit ihre Leistung. Das illustriert der Halbjahres-Abschluss, den die Zürcher Bankengruppe am Montag präsentierte.
1. Frankenstärke hat «gravierende» Auswirkungen
Julius-Bär-Chef Boris Collardi (Bild) nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Folgen der Aufhebung der Euro-Untergrenze zu umschreiben. Der Entscheid habe «gravierende negative Auswirkungen», sagte der CEO am Montag vor den Medien.
Tatsächlich musste Julius Bär auf Grund dieser Massnahme einen negativen Währungseffekt von mehr als 20 Milliarden Franken verbuchen, was unter anderem auch den erfreulichen Netto-Neugeldzufluss von 6,5 Milliarden Franken zunichte machte.
Insgesamt sanken die verwalteten Vermögen um 7 Milliarden Franken seit Anfang Jahr und belaufen sich nunmehr auf 284 Milliarden Franken. Das ist ein herber Rückschlag, zumal die Depots die Basis der künftigen Erträge bilden.
2. Kostspieliges USA-Abenteuer
Unschön präsentiert sich das Halbjahres-Ergebnis 2015 vor allem wegen der schon früher kommunizierten Rückstellung von 350 Millionen Dollar; der Betrag ist für die Begleichung der mit wachsender Spannung erwarteten Busse des amerikanischen Justizministeriums reserviert.
Collardi äusserte einmal mehr seine Hoffnung, dass diese Angelegenheit in den nächsten Monaten geklärt werden könne. Solange ist die Bank einer Belastungsprobe ausgesetzt, was Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner verunsichert.
3. Operativ auf Kurs
Rein geschäftlich hat die Bank in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres erfolgreich gearbeitet. Auffallend sind die verbesserte Marge sowie das gute Kosten-/Ertrags-Verhältnis, das sogar leicht unter dem Zielband von 65 bis 70 Prozent liegt.
Auch die Integration des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch nähert sich ihrem Ende zu; Indien soll noch in diesem Quartal 2015 als letzte Etappe abgeschlossen werden, wie am Montag zu vernehmen war. Die Höhe der von Merrill Lynch total übernommenen Kundengelder (60 Milliarden Franken, inklusive Indien) darf als zufriedenstellend bezeichnet werden.
4. Ist Lateinamerika das neue Asien?
Boris Collardi wird seinem Ruf als rastloser Manager einmal mehr gerecht, indem er bereits die nächste (Teil-)Akquisition aufgegleist hat. Nachdem die Bank bereits vor drei Jahren mit der Übernahme von GPS Investimentos Financeiros e Participações in den brasilianischen Markt eingestiegen war, beteiligt sich Julius Bär nun an einem mexikanischen Vermögensverwalter namens NSC Asesores.
Gesamte Private-Banking-Gelder in Lateinamerika
Einiges deutet darauf hin, dass die Schweizer Bankengruppe ihr international Engagement breiter abstützt, um einem Klumpenrisiko in Asien vorzubeugen.
5. Generationenwechsel nimmt Gestalt an
Offensichtlich will Boris Collardi keine One-Man-Show sein, sondern das Erreichte von den Management-Kapazitäten her besser und breiter abstützen. Darum hat er im Verlauf der vergangenen paar Jahre eine Verjüngung der Geschäftsleitung eingefädelt.
Allerjüngstes Beispiel dafür: Barend Fruithof, der als 48-jähriger Schweiz-Chef den 62-jährigen Giovanni Flury ablöst. Im vergangenen Jahr stiess bereits der 47-jährige Burkhard Varnholt in die Geschäftsleitung.
Mit Hector Sants angelte sich die Bank jüngst auch eine der einflussreichsten Personen in der britischen Finanzbranche; der einstige Credit-Suisse-Investmentbanker machte sich zwischen 2007 und 2012 einen Namen als Chef der Finanzaufsichtsbehörde (FSA) in England.
6. Personalmassnahmen schon umgesetzt?
Für einige Schlagzeilen sorgte die Bank Julius Bär, als sie Anfang Februar 2015 ankündigte, auf Grund der Aufhebung der Euro-Untergrenze rund 200 Stellen zu streichen.
Ein Blick auf die Personalentwicklung zeigt, dass im Verlauf der vergangenen sechs Monate bereits 179 Stellen verschwanden. Die weiteren überzähligen Jobs dürften im Rahmen der üblichen Fluktuation verschwinden.
7. Beratung wird zur Bringschuld
Das ist ein Trend in der Branche, der sich verstetigt: Am Montag präsentierte Julius Bär ein neuartiges Beratungsangebot, bei dem die Kunden zwischen verschiedenen Service-Paketen mit unterschiedlicher Beratungsintensität auswählen können. Vergleichbare Angebote haben bereits die UBS oder die Credit Suisse lanciert.
Damit wird klar: Im Gegensatz zu früher können die Banken ihre Ertragsziele nur noch erreichen, wenn sie ihrer Klientel einen Mehrwert bieten, den die Kunden als individuellen Service auch tatsächlich wahrnehmen. Mit anderen Worten: Die frühere Holschuld der Kunden wandelt sich zusehends in eine Bringschuld der Banken.
8. Aktie vor dem Durchstarten?
Mit einem geschätzten Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 18,7x für 2015 sowie 15,3x für 2016 ist die Aktie von Julius Bär im historischen Vergleich relativ günstig. Ein genauerer Blick zeigt allerdings auch, dass das Kurs-/Buchwert-Verhältnis von 2.2x den Titel zu einer der höchstbewerteten Aktien in der Schweizer Bankenlandschaft macht, wie die Neue Helvetische Bank am Montag in einer ersten Einschätzung betonte. Ausserdem impliziert die erwartete Dividende von rund 1.10 Franken pro Aktie lediglich eine Rendite von 2 Prozent.
Das alles könnte sich indessen bald anders präsentieren – dann nämlich, wenn der US-Steuerstreit ad acta gelegt ist, was den Kurs der «Bären-Aktie» zweifelsohne stimulieren würde.