Es ist Zeit, die Zügel zu lockern – so oder ähnlich könnte man die letzte Runde der Zinssenkungen 2024 der SNB und EZB im Dezember beschreiben. Die Schweiz könnte damit bereits bis Mitte 2025 auf die Null-Zins-Marke zusteuern. Doch dabei wird eindringlich auf die Risiken verwiesen, die mit den eigenen Annahmen verbunden sind.

Die tiefere Inflation gibt den Notenbanken Spielraum für Zinssenkungen. Die allenthalben betonten «grossen Unsicherheiten» spielen in den Prognosen aber keine Rolle. Denn niemand kann sie auch nur halbwegs glaubwürdig in den Modellen abbilden, geschweige denn klar quantifizieren. Die grosse Unbekannte der Rechnung heisst dabei Donald Trump und seine künftige Zoll- und Handelspolitik.

Grund für den grossen Zinsschritt der SNB im Dezember waren in erster Linie die nochmals gesenkten Inflationserwartungen und die sich eintrübende Konjunktur-Grosswetterlage, sowohl hierzulande als auch in der Europäischen Union.

Weiterer Abwärtspfad unklar

Der Analyst der ZKB erachtet es als wahrscheinlich, dass weitere Zinssenkungen anstehen und rechnet damit, «dass die SNB ihren Leitzins bis im Juni auf Null senken wird.»

Neben der Inflation gebe es dabei noch einen weiteren Faktor. «Die SNB muss berücksichtigen, dass sie im Vergleich zur EZB weniger Sitzungstermine zur Verfügung hat und daher grössere Zinsschritte vornehmen muss, damit die Zinsdifferenz zum Euroraum nicht allzu klein wird.

Bei der UBS heisst es, dass die immer weiter sinkenden Leitzinserwartungen in den vergangenen Monaten zur Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro beigetragen haben und die SNB dadurch unter Druck geriet. Der grosse Zinsschritt wird hier als «präventive Massnahme» interpretiert, um die Erwartungen zu stabilisieren. Die Volkswirte hier erwarten nur eine weitere Senkung um 25 Bp im März, auch wenn selbst Negativzinsen nicht mehr ausgeschlossen werden könnten.

Inflation nochmals tiefer gesehen

Anders als im September gab das Direktorium der SNB diesmal keinen Hinweis auf eine weitere Zinssenkung. Doch die Inflationsprognose der Volkswirte rechnet nun für 2025 nur noch mit einem Anstieg von 0,3 Prozent statt zuvor 0,6 Prozent. Für 2026 wurde der Wert jedoch auf 0,8 Prozent von 0,7 Prozent angehoben.

Mit Blick auf die Preisstabilität bedeutet das also grünes Licht für weitere Schritte. Beim Blick auf den Frankenkurs, der über die Im- und Export-Preise sowohl für die Inflation als auch die Exportwirtschaft von Bedeutung ist, ist die Lage komplexer. Die Vergrösserung des Zinsabstands im Vergleich zur Eurozone auf aktuell 2,5 Prozentpunkte hat den Euro vorerst über der Marke von 0,93 Franken stabilisiert.

Bei einem Leitzins von 0,50 Prozent hat die SNB nun aber nur noch einen geringen Spielraum nach unten, wenn man den erwarteten weiteren Senkungen der EZB folgen will. Dort gibt es beim aktuellen Einlagenzins von 3,00 Prozent noch mehr Luft.

Auch die EZB hat sowohl ihre Inflationserwartungen als auch die BIP-Prognose gesenkt. Die Teuerung im Euroraum soll demnach etwas schneller zurückgehen. Für das laufende Jahr wird nun nur mit einer Inflationsrate von 2,4 Prozent gerechnet und für 2025 mit 2,1 Prozent. Die BIP-Prognose geht von einem Wachstum im zu Ende gehenden Jahr von nur noch 0,7 Prozent aus und für 2025 von 1,1 Prozent.

Nicht Teil der Baseline

EZB-Präsidentin Christine Lagarde räumte dabei an der Medienkonferenz unumwunden ein, dass das Basisszenario dabei mögliche Auswirkungen durch einen geänderte Handelspolitik der USA nach dem Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar nicht berücksichtigt. «Das ist nicht Teil unserer Baseline», sagte sie.

Auch bei der SNB spielt das Thema in der Prognose keine Rolle, da einfach nicht klar ist was passieren wird. Das wird unter dem Begriff «grosse Unsicherheiten» verbucht.

Neben einer Auseinandersetzung in Handelsfragen mit den USA müssen sich aber sowohl die EZB-Präsidentin als auch der SNB-Präsident Martin Schlegel noch um andere wichtige Länder Gedanken machen. Die politische Situation in Deutschland, mit den anstehenden Neuwahlen am 23. Februar 2025, und in Frankreich, mit einer Regierung, die ohne Mehrheit im Parlament agiert, ist fragil und wirft mit Blick auf deren künftige fiskalische Kurse viele Fragezeichen auf.

Klärung in den kommenden Monaten

«Wir hoffen, dass in den nächsten Monaten vieles geklärt werden kann», sagte Lagarde vor den Medien, ohne jedoch die beiden grössten EU-Volkswirtschaften beim Namen zu nennen. «Wenn wir in den letzten beiden Tagen etwas besprochen haben, dann ist es das Ausmass an Unsicherheit, mit dem wir konfrontiert sind, sei es die Unsicherheit, die sich aus der politischen Situation in einigen Mitgliedsstaaten ergibt, sei es die Unsicherheit, die sich aus dem Ergebnis der US-Politik ergibt.»

Wann die EZB die Zinsen weiter senken wird, ist also ebenfalls unklar und man werde die Entscheidungen weiter «jeweils datenbasiert» treffen. Die SNB müsste dann entweder schnell nachziehen oder einer weitere Aufwertung des Franken mit Interventionen am Devisenmarkt begegnen. Andernfalls läuft sie Gefahr zu schnell Richtung null Prozent oder in den Negativbereich zu marschieren.

Doch auch die Intervention über Devisenkäufe ist mit Blick auf die zweite Amtszeit von Präsident Trump ein zweischneidiges Schwert. Man erinnere sich daran, dass die Schweiz während seiner ersten Amtszeit deswegen auf der US-Liste der Währungsmanipulierer am Pranger stand.