Der Trend zu nachhaltigen Anlagen hält an, aber die Steine auf dem Weg bremsen das Tempo stark. Zudem gibt es einen harten Kern von Skeptikern. Das zeigt eine ESG-Studie von Vontobel.
Die euphorische Stimmung, früher ein treuer Begleiter, wenn es um das Thema nachhaltiges Investieren und damit um den Beitrag des Finanzsektors für eine bessere Welt ging, ist seit einiger Zeit verflogen. Das Kürzel ESG für Anlagen, die ökologischen, sozialen und unternehmensorganisatorischen Kriterien genügen, hat an Strahlkraft eingebüsst.
Die Gründe für diese Entzauberung eines zuvor als «alternativlos» und «säkular» gehandelten Anlagetrends sind vielfältig. Erstens der Gegenwind in den USA aus Überlegungen, die sich am Diktum des liberalen Ökonomen Milton Friedman (1912–2006) orientieren, wonach die soziale Verantwortung eines Unternehmens allein darin bestehe, seinen Gewinn zu maximieren. Zweitens die Ernüchterung, dass die Finanzindustrie bei Anlageprodukten oft mehr ESG versprochen hat, als wirklich darin war (Greenwashing). Drittens die Einsicht, dass die Wirkung sehr begrenzt ist. Werden beispielsweise Aktien und Obligationen von problematischen Unternehmen aus dem Portfolio ausgestossen, gehen sie einfach in andere Hände über, was keine Verbesserung mit sich bringt.
Mehrheit hat weniger als 10 Prozent ESG-Anlagen
Vor diesem Hintergrund kommen die Ergebnisse einer Studie der Bank Vontobel zur Einschätzung des ESG-Geschäfts zur rechten Zeit. Vontobel hat dafür eine umfassende Online-Umfrage durchführen lassen, unter 300 Finanzberatern und Vermögensverwaltern aus 15 Ländern (je ein Drittel davon in Europa, Amerika und Asien-Pazifik). Zusätzlich wurden vertiefte Gespräche mit 8 Beratern geführt.
Gemäss der Studie gaben 54 Prozent der Berater weltweit an, derzeit weniger als 10 Prozent ihres gesamten Anlagevolumens in ESG-konforme Anlagen investiert zu haben. Darin spiegelt sich die Tatsache, dass viele Kunden, die nicht wie beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen öffentlich sichtbar sind, eher kritisch gegenüber ESG eingestellt sind. Immerhin investiert in Europa ein Viertel der Befragten mindestens ein Viertel der Anlagen ESG-kompatibel, und es wird damit gerechnet, dass der Anteil weltweit zunehmen wird.
Bedenken wegen Ertragseinbusse nehmen ab
Allerdings gibt es einen harten Kern von Verweigerern. 80 Prozent derjenigen, die nur wenig oder gar nicht in ESG investieren, gehen von einem blossen Trend aus. Aus ESG-Sicht positiv ist hingegen der Befund, dass die Bedenken, ESG-Kriterien könnten die Performance schmälern, schwinden. «Die meisten Berater sind nun der Meinung, dass ESG-Investitionen einen neutralen bis positiven Einfluss auf die Anlageperformance haben.»
Eine grosse Hürde stellen für fast 90 Prozent der befragten Berater uneinheitliche Standards und Taxonomien dar (wie die sehr detaillierte Green Taxonomy der EU diesbezüglich abschneidet, wurde nicht erhoben). Weitere Problemherde bilden für die grosse Mehrheit das ungenügende Angebot an nachhaltigen Produkten, die sich entwickelnden ESG-Vorschriften und der Mangel an Daten, Research und Informationen.
Markt ohne klare Autorität
Erfreulicherweise zeige die Studie, führt Vontobel aus, «dass die befragten Berater dazu neigen, bei der Recherche zu ESG-Produkten auf eine breite Palette von Informationsquellen zurückzugreifen, anstatt sich nur auf eine Quelle zu verlassen». Zu den wichtigsten Quellen gehören Finanzinstitute und Berater, Branchenberichte und White Papers sowie Finanznachrichten und -zeitschriften. Dass die Berater bei der Informationsbeschaffung breit diversifizieren, weist indes auch darauf hin, dass sich bisher kein ESG-Informations- und Datenanbieter als unumstrittene Autorität am Markt durchzusetzen vermochte.