Dass Mitarbeitende mit der Führungsetage unzufrieden sind, ist keine Seltenheit. In einer nun öffentlich gewordenen Umfrage bei den Angestellten der Europäischen Zentralbank hat das Direktorium unter Christine Lagarde geradezu eine Klatsche kassiert.
Christine Lagarde hat die Hälfte ihrer achtjährigen Amtszeit als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) hinter sich gebracht. Für die Arbeitnehmerorganisation der EZB war das Anlass, bei den Mitgliedern eine Umfrage zu starten, wie sie die Arbeit der französischen Politikerin und Juristin bewerten.
Das Ergebnis fällt nun klar negativ aus: Laut der von der Gewerkschaft International & European Public Services Organisation (IPSO) durchgeführten Befragung ist das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Präsidentin und auch das gesamte Führungsteam der EZB gering, wie die Nachrichtenagentur «Reuters» unter Berufung auf die Umfrageergebnisse schreibt.
Magere Leistung?
Demnach war eine Mehrheit von 50,6 Prozent der 1’089 Teilnehmenden der Ansicht, dass die Leistung von Lagarde insgesamt bislang eher mager (30,49 Prozent) oder sehr mager (20,11 Prozent) gewesen sei.
Rund 53,5 Prozent widersprachen der Aussage, dass mit der ehemaligen Finanzministerin Frankreichs die richtige Person den Präsidentenposten innehat. Zustimmung bekam die Aussage von 22,8 Prozent und die übrigen machten keine Angaben. Nur 22,76 Prozent der Teilnehmer stimmten der Einschätzung zu oder stark zu. Die verbliebenen 23,77 Prozent gaben an, sie könnten dies nicht sagen.
Mehrheit hat geringes oder gar kein Vertrauen
Aber auch die Führungsriege insgesamt wird kritisch bewertet. Dem sechsköpfigen Direktorium der Notenbank vertrauen knapp 60 Prozent der Befragten nur wenig oder gar nicht. Bei einer ähnlichen Umfrage vor einem Jahr waren rund 40 Prozent dieser Ansicht gewesen.
Eine Sprecherin der Notenbank bezeichnete der Agentur gegenüber die Umfrage als «fehlerhaft». So hätten einzelne Personen mehrfach antworten können. Eigene Umfragen, bei denen mehr Beschäftigte teilnehmen, hätten andere Ergebnisse geliefert.
Zudem befasse sich die Erhebung auch mit Themen, für die das Direktorium oder der EZB-Rat verantwortlich sind und nicht die Präsidentin allein. Weiter würden einige dieser Themen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gewerkschaft fallen.
Seit 2019 am Steuer
In der Frankfurter EZB-Zentrale arbeiten rund 3’500 Personen. Die Gewerkschaft IPSO ist mit sechs von neun Sitzen im Personalrat der Notenbank vertreten.
Das Präsidentenamt der EZB wird vom Europäischen Rat besetzt und die Amtszeit beträgt acht Jahre ohne Möglichkeit einer Wiederwahl. Lagarde hatte das EZB-Präsidium im November 2019 vom Italiener Mario Draghi übernommen. Davor hatten der Franzose Jean-Claude Trichet und der Niederländer Wim Duisenberg die Zentralbank der Eurouone geleitet.