Depotbanken seien ein elementarer Teil der Wertschöpfungskette des Finanzsystems und nähmen gleichzeitig eine Sonderrolle ein. Darum sei es wichtig, komplementäre Sichtweisen in die Diskussion zur Zukunft der Asset-Management-Industrie zu verknüpfen, sagt Dagmar Kamber Borens im Interview.
Frau Kamber Borens, Sie sind kürzlich in den Vorstand der Asset Management Association Switzerland (AMAS) gewählt worden. Was sind Ihre persönlichen Ziele, die Sie in die AMAS einbringen möchten?
Ich freue mich sehr, als Vertreterin der Depotbanken im Vorstand der AMAS eine zusätzliche Perspektive einzubringen. Depotbanken sind ein elementarer Teil der Wertschöpfungskette unseres Finanzsystems und nehmen gleichzeitig eine gewisse Sonderrolle ein.
Es ist wichtig, komplementäre Sichtweisen in die Diskussion zur Zukunft der Asset-Management-Industrie miteinander zu verknüpfen. Neben diesem Aspekt liegt mir besonders die technologische Weiterentwicklung unserer Branche am Herzen.
Die strategischen Prioritäten der AMAS liegen auf Nachhaltigkeit, Vorsorge und Technologie – sowie grundsätzlich darauf, die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Branche zu formen. Fehlt da ein Thema aus Ihrer Sicht?
Das sind klar die wichtigsten Themen. Ein weiterer relevanter Bereich ist die internationale Verzahnung des schweizerischen Fondsstandorts. Dies nicht nur im Sinne eines Distributions-, sondern wieder vermehrt auch als Produktions-Standort. Das wiederum ist eng verbunden mit der Frage, wie es uns gelingt, neue Technologien wie Blockchain und Digital Assets für uns nutzen.
Es ist erfreulich, dass innovative Anbieter in diesen Bereichen sich vermehrt in der Schweiz ansiedeln, denn bei diesen Technologien haben wir hier einen gewissen Nachholbedarf. Es ist elementar für unsere Branche und den Standort, dabei eine führende Rolle einzunehmen,.
Die State Street Bank dient den Asset Managern in erster Linie als Custodian. Gibt es in diesem Bereich Veränderungsbedarf, um die Rahmenbedingungen für die Asset-Management-Branche weiter zu verbessern?
Ja, sicher, das Umfeld hat sich stark verändert. Asset Manager verlangen längst nicht mehr nur die traditionellen Custody-Produkte, sondern die Gespräche mit unseren Kunden fokussieren sich vermehrt auf Themen, die über die gesamte Wertschöpfungskette reichen, hin zu einer gesamtheitlichen Betrachtung von Front, Middle und Back-Office sowohl für traditionelle als auch alternative Assets.
Die gestiegenen Kundenbedürfnisse erfordern ganzheitliche Lösungen, welche Technologie- sowie Service-Komponenten umfassen und auf einer integrierten Daten-Plattform basieren. In solch eine Plattformlösung hat State Street in den vergangenen Jahren stark investiert. und spielt als weltweit grösster Custodian eine führende Rolle.
Attraktive Chancen sehe ich auch im Fintech-Bereich. So hat State Street Zürich als einen der Kompetenzstandorte für digitale Vermögenswerte ausgewählt. Da müssen unsere neuen Technologien ansetzen – Stichwort Tokenization. Gleichzeitig gilt es, beim Megathema Nachhaltigkeit noch intensivere Anstrengungen zu unternehmen und so den Übergang zu nachhaltigerem Wachstum voranzutreiben.
Sie sind Juristin – und waren während ihrer Banken-Karriere mehrheitlich für Themen wie Finanzen und Operations verantwortlich. Was ist der Reiz daran?
Das sind in der Tat alles sogenannte Backoffice-Funktionen, deren Bedeutung für die Wertschöpfung einer Bank meines Erachtens oft unterschätzt wird. Denn ohne diese Bereiche können Kunden nicht bedient und es kann am Ende auch kein einziger Franken verdient werden! Es ist nicht sehr glamourös im «Maschinenraum», es sind sehr technische und herausfordernde Themen, aber genau das finde ich persönlich spannend.
Sie haben lange in Singapur gearbeitet. Worin unterscheidet sich die dortige Finanzplatz-Kultur von der hiesigen?
Zunächst gibt es viele Parallelen zwischen Singapur und der Schweiz: Die internationale Bedeutung als Finanzplatz, hohe Pro-Kopf-Einkommen, renommierte Universitäten. Dazu stabile politische Systeme und Währungen bei vergleichsweise niedrigen Steuersätzen.
Nicht zu vergessen, dass beide Standorte multikulturell und multilingual geprägt sind. In Singapur herrschen nahezu optimale Entfaltungsmöglichkeiten für Unternehmer, das Land rangiert im «Ease of Business»- Index der Weltbank deutlich vor der Schweiz. Aber ein direkter Vergleich der Standorte ist nur schwer möglich, denn die beiden Staaten unterscheiden sich schliesslich sehr grundsätzlich in Bezug auf das politische System und das gesellschaftliche Selbstverständnis. Das erfordert eine differenzierte Betrachtung.
Die Reputation des Schweizer Finanzplatzes ist hauptsächlich durch Banken und Private Banking geprägt. Was kann Asset Management zur Reputation beitragen?
Für Anleger und Investoren ist die Schweiz seit jeher ein bevorzugter Standort, weil sie vom unternehmensfreundlichen Klima, der stabilen Politik und dem grossen Talentpool der Schweiz profitieren. Inzwischen hat völlig zu Recht das Thema Sustainable Finance eine hohe Priorität eingenommen.
Die AMAS hat das Ziel, die Schweiz als führenden Asset-Management-Hub für Sustainable Finance zu etablieren, Finanzflüsse klimaverträglich auszurichten und Greenwashing zu bekämpfen. Dieses Streben nach Transparenz ist für mich der Schlüssel für eine nachhaltig gute Reputation.
Das Ziel, das auch die AMAS mitverfolgt, ist der Aufbau eines international führenden Ökosystems für nachhaltige Finanzen. Sehen Sie in diesem Standortwettbewerb Vorteile für die Schweiz?
Die Schweiz hat hervorragende Voraussetzungen für einen absoluten Spitzenplatz im Bereich Sustainable Finance. Das Wachstum im Bereich klimafreundlicher und nachhaltiger Geldanlagen ist gross, zuletzt belief sich das Gesamtvolumen der verwalteten Anlagen auf über 1,5 Billionen Franken.
Jetzt geht es darum, dieses Potenzial auch zu nutzen. Wenn es uns gelingt, passende nationale und internationale Rahmenbedingungen zu schaffen und Governance- und Best-Practice-Richtlinien zu etablieren, sind wir auf einem guten Weg, ein führender Hub für Sustainable Finance zu werden.
Dagmar Kamber Borens ist seit über zwei Jahrzehnten im globalen Finanzgeschäft tätig. Zur State Street Bank stiess sie im August 2021. Sie ist Mitglied des Executive Management Board der State Street International, Länderchefin Schweiz und leitet das deutsche Depotbankgeschäft. Anfang 2023 übernahm sie zudem die Gesamtleitung des Investor Services-Geschäfts für die Niederlande, Österreich und die nordischen Länder. Vor State Street war die promovierte Juristin unter anderem als Chief Operating Officer für die Swiss Universal Bank der Credit Suisse tätig. Davor war sie 17 Jahre lang bei der UBS beschäftigt, unter anderem als Group Chief Financial Officer für die Region Asien-Pazifik in Singapur.
Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.