Die Zinserhöhungen der Zentralbanken vor der Sommerpause konnten die Inflation zwar etwas dämpfen, aber mehr nicht. Nun sind die Währungshüter gefordert, auf die drohende Rezession zu reagieren. Auch die Schweizerische Nationalbank ist nun an einem Wendepunkt angelangt.
Erst wenn der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft eine deutliche Verlangsamung zeigen, rechnen die Ökonomen damit, dass die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln wird. An der Sitzung vom vergangenen Juli hatten die amerikanischen Währungshüter noch keine Präferenz erkennen lassen, ob sie im September erneut einen grossen Zinsschritt von 75 Basispunkten machen wollen – oder mit 50 Basispunkten nur einen Kleinen.
Auch in dem diese Woche veröffentlichten Fed-Sitzungsprotokoll liess sich noch kein Trend feststellen. Zuletzt hatten Daten, die eine leichte Abkühlung des Arbeitsmarktes andeuteten, an den Aktienmärkten für Kursgewinne gesorgt. Dies genau in der Hoffnung, dass die Fed deswegen das Zinstempo schon bald drosselt.
Experten warnen
Ausschlaggebend dafür sind in den USA vor allem die Zahlen zum Bruttoninlandprodukt (BIP) und zur Inflation. Zwar hatte sich der Preisauftrieb zuletzt etwas abgeschwächt; doch Experten warnen davor, dass dies nur eine Verschnaufpause während der Sommermonate sein könnte.
Erst wenn die Fed klare Anzeichen für eine wirtschaftliche Abkühlung sehen wird, dürfte sie die Zinsschritte verlangsamen oder stoppen, so die Erwartung. Die nächste Entscheidung steht am 21. September 2022 an.
Von Sitzung zu Sitzung
(Bild: Shutterstock)
Noch bevor die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 22. September 2022 über die Geldpolitik beraten wird, ist die nächste Zinsentscheidung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) (Bild oben) am 8. des kommenden Monats fällig. Zuletzt gab dort die Notenbank-Direktorin Isabel Schnabel gegenüber der Agentur «Reuters» Auskunft, wie es weitergehen könnte.
«Im Juli haben wir uns für eine Anhebung um 50 Basispunkte angesichts des Inflationsausblicks entschieden. Im Moment denke ich nicht, dass sich dieser Ausblick grundlegend geändert hat», erklärte die Währungshüterin. Die EZB sei dazu übergegangen, von Sitzung zu Sitzung auf Basis hereinkommender Daten zu entscheiden. Selbst eine Rezession allein sei nicht ausreichend, um die Teuerung einzudämmen, warnte die Direktorin.
Ihre Aussagen wertete der Markt dahingehend, dass eine neuerliche Anhebung um 50 Basispunkte in den Karten stehen könnte. Bisher hatten die Erwartungen zu gleichen Teilen zwischen 25 und 50 Basispunkten geschwankt.
Ende der Negativzinsen?
Bei der SNB dürfte man die Reaktionen auf die Zinserhöhung Mitte Juni 2022 aufmerksam verfolgt haben. Insbesondere die Stärkung des Franken zum Euro dürfte dabei ein wichtiger Faktor gewesen sein. Seit Juni ist der Euro um rund 10 Rappen auf ein neues Rekordtief 0.96 Franken gefallen.
Ob es bei der SNB-Entscheidung wieder zu einem grossen Schritt kommt oder bloss zu einem kleinen, ist noch unklar. Die Frage ist insofern entscheidend, da der nächste Entscheid, das Ende der Negativzinsen einläuten könnte. Entscheidend dürften dafür die August-Daten zu Inflation, Wirtschaftsleistung und Arbeitsmarkt sein.
Der starke Franken hat aber zweifelsohne die steigenden Importpreise abgemildert. Zwar ist die Teuerung in der Schweiz mit 3,4 Prozent im Juli noch vergleichsweise gering. Aber auch dieser Wert liegt klar über der von der SNB angestrebten Spanne von 0 Prozent bis 2 Prozent.
Bank of England zunehmend unter Beschuss
(Bild: Shutterstock)
Die Bank of England (Bild oben) bleibt derweil auf Zinserhöhungskurs. Die «Cost of Living Crisis» ist Top-Thema in Grossbritannien. Zum ersten Mal seit 40 Jahren war die Inflation dort im Juli mit 10,1 Prozent zweistellig. Zwar hatte die britische Notenbank bereits im Dezember 2021 den ersten Schritt getan. Für die britische Wirtschaft erfolgte dies aber zu spät – ein ungutes Omen für andere westliche Notenbanker.
Überprüfung in Aussicht gestellt
Von verschiedenen Seiten gab es denn zuletzt auch Kritik an der Bank of England. Diese hätte die Inflation unterschätzt und zu spät reagiert. Vor allem aber habe man die Personalengpässe auf dem Arbeitsmarkt unterschätzt, da nach der Pandemie weniger Menschen als erwartet auf den Markt zurückgekehrt seien. Dies räche sich nun in markant steigenden Löhnen, Zweitrundeneffekten und Engpässen.
Auch der politische Wettstreit um den Posten des Regierungschefs zwischen Liz Truss und Rishi Sunak wird die Notenbank noch verstärkt tangieren. So hatte Truss zuletzt eine Überprüfung und Neubestimmung der Ziele der Notenbank in Aussicht gestellt, sollte sie die Schlüssel zur 10 Downing Street, dem traditionellen Sitz der britischen Premierministerinnen und -minister, erhalten.