Auf die insolvente Greensill kommen weitere umfangreiche Forderungen zu. Hunderte frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Finanzfirma wegen unfairer Entlassung verklagt.
Eine Gruppe von 277 früheren Mitarbeitenden von Greensill – knapp die Hälfte der einstigen Belegschaft – haben die insolvente britisch-australische Finanzfirma verklagt und fordern insgesamt 4,5 Millionen Pfund (5,2 Millionen Franken) als Entschädigung, wie die Agentur «Bloomberg» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete.
Die Anwälte der Klägerinnen und Kläger argumentieren, sie seien nicht rechtzeitig darüber informiert worden, dass eine «unmittelbare Gefahr des Zusammenbruchs» bestehe und der Verlust des Arbeitsplatzes drohe.
Im Zoom über Insolvenz informiert
Laut den Gerichtsunterlagen habe der CEO des Unternehmens, der Australier Lex Greensill, am Abend des 8. März 2021 die Mitarbeitenden in einem Zoom-Call über die Insolvenz des Unternehmens informiert. Demnach sagte er, dass der von der Geschäftspartnerin Credit Suisse (CS) beauftragte Insolvenzverwalter Grant Thornton darauf hinarbeiten würde, den Verkauf eines Teils des Unternehmens an eine andere Firma abzuschliessen, so die Gerichtsunterlagen.
Vier Tage später habe Grant Thornton in einem weiteren Call mitgeteilt, dass bis zu 460 Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung entlassen würden. Die Anwälte des Insolvenzverwalters argumentieren, sie hätten sich bemüht, die Mitarbeitenden zu informieren. «Im Interesse der Gläubiger hatten die Verwalter keine andere Wahl, als die Mitarbeiter zu entlassen, und sie hatten nur wenige Tage Zeit, dies zu tun», heisst es in den Gerichtsunterlagen.
Möglicher Verkauf an Apollo
Die Anwälte behaupten, dass zum Zeitpunkt der Insolvenz davon ausgegangen wurde, dass ein möglicher Verkauf an die US-Finanzinvestorin Apollo Global Management zustande kommen und es gar keine Entlassungen geben werde.
Das in London ansässige Unternehmen für die Finanzierung von Lieferketten war im März 2021 zusammengebrochen, nachdem die CS die von Greensill geleitete Fondsgruppe im Wert von 10 Milliarden Dollar eingefroren hatte. Die Schweizer Bank hatte diesen Schritt beschlossen, nachdem Greensill es versäumt hatte, Versicherungsschutz für einige der Darlehen zu sichern.
Über die Zulassung der Klage werde ein Richter in London noch im Verlauf des Tages entscheiden. Sollte Greensill nicht in der Lage sein, die Mitarbeitenden zu entschädigen, wird der britische Staat von den Klägern in die Pflicht genommen. In diesem Fall wird vom Wirtschaftsministerium die Höchstsumme von 2 Millionen Pfund (2,3 Millionen Franken) gefordert.