Bundesanwaltschaft sonnt sich im Licht eines internationalen Award
Die Bundesanwaltschaft berichtet über ihre Erfolge bei der Bekämpfung von Bancomatensprengungen sowie von schwerer Wirtschaftskriminalität und fordert neue und schärfere Instrumente. Der Bericht verrät aber auch einiges über das Selbstverständnis der Behörde.
Im Nachhinein erwies sich das Timing als etwas unglücklich. Die Bundesanwaltschaft (BA) veröffentlichte ihren Tätigkeitsbericht 2024 am 3. April, wenige Stunden nachdem Donald Trump mit der Konkretisierung seiner neuen Zollpolitik Bundesbern, die Wirtschaft und die Finanzmärkte weltweit in Alarmstimmung versetzt hatte.
In der begleitenden Medienmitteilung wird auf «mehrere Urteile mit wegweisendem Charakter» aufmerksam gemacht. Dazu zählt etwa der Ende Jahr begonnene Prozess gegen das Rohstoffunternehmen Trafigura.
Mit harter Hand gegen die Rohstoffbranche
Im Vorwort zum Tätigkeitsbericht erwähnt Bundesanwalt Stefan Blättler zudem die Strafbefehle gegen Gunvor und Glencore. «Diese Entscheide werden auch im Ausland anerkannt, schreibt Blättler und verweist darauf, dass die BA daher von der «renommierten Justiz-Plattform ‹Global Investigations Review› zur Strafverfolgungsbehörde des Jahres ausgezeichnet» worden ist.
Blättler hat im November in Washington den Award 2024 in der Kategorie «Enforcement Agency or Prosecutor of the Year» in Empfang genommen.
Diese Auszeichnung mag mit Blick auf die internationale Reputation tatsächlich ein gutes Zeichen sein und der Stolz darauf verständlich – dass der Award aber so prominent in einem Tätigkeitsbericht einer nationalen Behörde erwähnt wird, könnte Argwohn wecken. Schliesslich spielt die BA nicht in einer Liga mit Geschäftsbanken oder Fondsgesellschaften, die sich gerne im Lichte einer mehr oder weniger gewichtigen Auszeichnung z.B. als «bester Arbeitgeber» oder «bestes Haus für Schweizer Small Caps» sonnen dürfen und damit im Markt werben können. Vielmehr hat die Behörde in einem wettbewerbsfreien Umfeld ihren vom Gesetzgeber definierten Auftrag zu erfüllen.
Beitrag zur Sicherung der Bargeldversorgung
Inhaltlich befasste sich die BA auch mit einer Thematik, die Leserinnen und Lesern von finews.ch vertraut sein dürfte und welche für die sichere Bargeldversorgung unseres Landes hochrelevant ist. Ende Jahr führte die Behörden Strafverfahren zu rund 100 Fällen von Bancomatensprengungen.
Solche Anschläge haben zusammen mit den veränderten Zahlungsgewohnheiten von bar zu unbar dazu geführt, dass das Bancomatennetz hierzulande stark ausgedünnt worden ist. Gemäss dem jüngsten Geschäftsbericht der Schweizerischen Nationalbank (SNB) hat sich die Anzahl solcher Geräte seit Höchststand im Jahr 2019 von 7'300 auf 6'200 Ende 2024 reduziert.
Die BA gibt sich selbstsicher und schreibt dazu, ihre Ermittlungserfolge und die von ihr erwirkten Gerichtsurteilen hätten gezeigt, «dass sie in der Lage ist, dieses grenzüberschreitende Phänomen erfolgreich zu bekämpfen». Namentlich erwähnt wird die internationale Operation gegen eine Bancomatenknackerbande vom September 2024, an der auch die Fedpol (Bundesamt für Polizei) mitwirkte.
Das Sündenregister der Banken
Interessant sind auch die Ausführungen im Kapitel zur Abteilung Wirtschaftskriminalität, der grössten Einheit innerhalb der BA. Sie ist zuständig für die Verfolgung schwerer Formen von internationaler und interkantonaler Wirtschaftskriminalität, insbesondere Korruption und Geldwäscherei. Hier gehören gemäss dem Bericht die enorme Datenmenge, die Internationalität der Verfahren, die hochkomplexen Straftaten und grosse Anzahl Beteiligter zu den besonderen Herausforderungen.
Die Palette der erwähnten Fälle reicht vom Vermögensverwalter einer Genfer Privatbank, dem schwere Veruntreuung von Kundengeldern vorgeworfen wird, über das Urteil gegen zwei Geschäftsführer von Petrosaudi im Zusammenhang mit dem Staatsfonds von Malaysia (1MDB), über die Anklage gegen die Bank Lombard Odier wegen Geldwäscherei mit Usbekistan-Bezug bis zum Strafbefehl gegen PKB Privatbank in Verbindung mit der Petrobras-Affäre.
Weiss es die Bundesanwaltschaft besser als das Parlament und der Bundesrat?
Im Kapitel Wirtschaftskriminalität hält die BA zudem ausdrücklich und ziemlich selbstbewusst fest: «Auch wenn sich das Parlament und der Bundesrat mehrfach dagegen ausgesprochen haben, bleibt die BA dabei: Um die internationale Korruption wirkungsvoller und nachhaltiger bekämpfen zu können, sind neue Instrumente insbesondere im Unternehmensstrafrecht notwendig.»
Die BA stösst sich daran, dass die gesetzlich mögliche Maximalstrafe für den Straftatbestand der Unternehmensverantwortlichkeit «bloss» 5 Millionen Franken beträgt, wünscht sich eine Gesetzgebung zum Schutz von Whistleblowern und möchte die Möglichkeit haben, mit Unternehmen, die mutmassliche Fälle im Bereich des Unternehmensstrafrechts selbst anzeigen oder mit den Strafverfolgungsbehörden umfassend kooperieren, eine Vergleichslösung ohne Verurteilung abzuschliessen.
Totschlagargument «Gewährleistung der inneren Sicherheit»
Die Behörde spielt aber gekonnt auch über die Bande, indem sie aus Gründen der inneren Sicherheit der Schweiz über die kommenden Jahre für einen «moderaten, aber steten Personalaufbau bei der Bundeskriminalpolizei» plädiert. Diese ist eine Organisationseinheit von Fedpol, welche die Unterstützung sicher gerne mit Handkuss annimmt.
Man darf Bundesanwalt Blättler attestieren, dass er die Bundesanwaltschaft in ruhigere Gewässer geführt und stabilisiert hat. Der Normalzustand ist aber wohl erst dann erreicht, wenn die Behörde es in ihrem Bestreben, die Reputation zu erhöhen oder mehr Eigenständigkeit zu demonstrieren, gar nicht mehr nötig hätte, auf internationale Awards zu verweisen oder giftige Pfeile gegen das Parlament zu schiessen.