Eine zögerliche Reaktion der Schweiz auf PDVSA, eine ins Stocken geratene Revision des Geldwäschereigesetzes und Kryptowährungen, die sich als bevorzugte Vorgehensweise für Kriminelle entpuppen – wie geht es in der Schweiz weiter mit der Geldwäscherei?
2020 war wieder kein gutes Jahr für die Bemühungen der Schweiz, ihren Ruf als Hort der Geldwäscherei loszuwerden: Ein venezolanischer Bestechungsskandal, PDVSA, flog mehreren Schweizer Vermögensverwaltern um die Ohren.
Ein Schweizer Top-Kriminalitätsbekämpfer wählte harte Worte für das Abwehrdispositiv des Landes in Sachen Geldwäscherei. Daniel Thelesklaf schlug bei seinem Weggang nach weniger als einem Jahr im Amt als oberster Schweizer Anti-Geldwäscherei-Beauftragter Ende September Alarm – kein gutes Zeichen.
Lobby im Weg
«Die Stabilität des Schweizer Bankensektors hängt von der Einhaltung der höchsten Anti-Geldwäscherei-Standards ab», schreibt Benjamin Heinrich, Primary Credit Analyst bei Standard & Poor's in einer Studie. Er bescheinigt der Schweizer Aufsichtsbehörde, die Kontrollen verstärkt zu haben, warnte aber, dass zukünftige Anschuldigungen «uns dazu veranlassen könnten, die Marktdisziplin des Sektors und die Effektivität seiner Aufsicht zu überprüfen.»
Geldwäscherei ist ein politisches Pulverfass: Schweizer Parlamentarier ringen um schärfere Regeln für den Umgang mit Schmiergeldern. Die einflussreiche Anwaltslobby der Schweiz torpediert Bemühungen, Anwälte und andere externe Berater in die Anti-Geldwäsche-Regeln einzubeziehen.
Schweiz auf der Kippe
Das Geschacher ist wichtig, weil die Schweiz bei der nächsten Überprüfung durch die internationale Geldwäsche-Überwachungsgruppe FATF (Financial Action Task Force) auf der Kippe steht. Sie übersprang die Hürde noch knapp im 2016, als der 1MDB-Skandal explodierte – und der weitaus grössere PDVSA-Skandal zeigt, dass sich die Dinge seither nicht bedeutend geändert haben.
Die Behandlung der Schweizer Vermögensverwalter bei 1MDB veranschaulicht den noch relativ unbeschrittenen Weg der Schweiz bei der Vollstreckung gegen sie: Ein Gericht hat im Oktober 25 Millionen Schweizer Franken von einer richtungsweisenden Sanktion der Finanzaufsicht Finma aus dem Jahr 2016 abgezogen.
Krypto als Geldwäsche
Die boomende Kryptowährungsindustrie vertieft den Morast in der Schweiz: Letzten Monat hat die Finma zum ersten Mal digitale Vermögenswerte als ein zusätzliches Geldwäschereirisiko identifiziert. Derweil versuchen auch die US-Regulierungsbehörden, Beschränkungen für Krypto-Transaktionen durchzusetzen.
Die Angelegenheit ist für die Schweiz, die eine Genehmigung für das von Facebook unterstützte Zahlungssystem Libra erwägt, von grosser Dringlichkeit. Bedenken über mögliche Bestechung und Geldwäsche sind Teil der regulatorischen Bedenken gegenüber Libra, selbst in der neuen verkleinerten Version, so eine Quelle aus Bern.
«Erhebliches Geldwäscherisiko»
Kryptowährungen stellen für Vermögensverwalter ein hohes Risiko dar. Zwei prominente Fälle mit russischen Kryptowährungsbetrügereien in den letzten Wochen – einer in Frankreich, der andere in Spanien - unterstreichen das.
«Dem Trend folgend akzeptieren immer mehr Schweizer Banken Kryptowährungen, und obwohl sie ihre Sorgfaltspflichten erfüllen, stellen diese Vermögenswerte ein erhebliches Geldwäschereirisiko dar, insbesondere im Zusammenhang mit cyberkriminellen Aktivitäten», sagt Olivier Beaudet-Labrecque, der stellvertretender Dekan des «Institut de lutte contre la criminalité économique» (ILCE) ist, gegenüber finews.ch.
Das ILCE ist eine postgraduale Schule zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, die in Zusammenarbeit mit der «Haute ecole de gestion Arc», der Universität Neuchatel und dem Schweizerischen Polizei-Institut gegründet wurde.
Noch einmal Glück gehabt
Dasselbe unterstreicht auch Swift in einer neuen Studie. Das internationale Zahlungsnetzwerk merkte an, dass die schiere Anzahl der digitalen Münzen eine grosse Hürde bei der Bekämpfung des Problems ist.
Immerhin hat die Schweiz, die bei der Verschärfung ihres Kampfes gegen die Geldwäsche gezaudert hat, noch Glück gehabt: Die FATF-Länderprüfung, die nächstes Jahr fällig war, wird wahrscheinlich auf 2022 verschoben. Das würde den zurückhaltenden Parlamentariern genug Zeit geben, die notwendigen Revisionen zu verabschieden, damit die Schweiz die Prüfung doch noch bestehen kann - wenn sie nur wollen.