Die Schweiz sitzt erneut auf der Anklagebank der Amerikaner. Diesmal wegen angeblicher Währungsmanipulationen. Lieber spät als nie sollten unsere Behördenvertreter die wirtschaftspolitischen Besonderheiten der Schweiz als kleine offene Exportnation überzeugend darlegen, findet Martin Hess von der Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Obwohl der Franken von Höchststand zu Höchststand gegenüber dem Dollar hüpft, bezichtigt das US-Treasury in seinem Bericht zur Währungspolitik der wichtigsten US-Handelspartner die Schweiz als Währungsmanipulatorin. Sie hätte von Mitte 2019 bis Mitte 2020 die von den USA fixierten Schwellenwerten hinsichtlich Leistungsbilanzüberschuss, Überschuss im bilateralen Handel mit den USA und Devisenkäufe übertroffen
Die Amerikaner stellen sogleich die Forderung nach weitgehenden politischen Massnahmen, um die zugrunde liegenden Ursachen der Währungsunterbewertung und der externen Ungleichgewichte anzugehen, um Strafen zu vermeiden.
Viel Verständnis für die Schweiz
Das US-Treasury will weiterhin darauf drängen, dass die Länder die von ihnen im Internationalen Währungsfonds (IWF) eingegangene Verpflichtung einhalten, keine Währungsmanipulation zur Erlangung von Handelsvorteilen zu betreiben. Interessanterweise hat ebendieser IWF der Schweiz in dieser Hinsicht vor einem Jahr ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss sei zwar hoch, aber ökonomisch absolut begründet.
Er widerspiegelt das Sparen einer alternden Bevölkerung mit international hohen Rentenbeiträgen und steigender Lebenserwartung. Die tiefen Zinssätze fördern das Vorsorgesparen zusätzlich. Aufgrund des relativ kleinen Kapitalmarkts wird ein Teil des Vermögens im Ausland angelegt. Ein Teil des Leistungsbilanzüberschusses ist zudem auf Verzerrungen bei der Messung von Kapitalerträgen zurückzuführen. Des Weiteren sei der Franken keinesfalls unterbewertet, und die Wirtschaftspolitik zielführend.
Sukkurs kommt unter anderem auch von der Spitze der BIZ. Deren Chef Agustin Carstens kann die Politik der Deviseninterventionen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als Abwehrmassnahme gegen übermässigen Kapitalzufluss absolut nachvollziehen. Auch er erachtet die Bezeichnung Währungsmanipulator als unzutreffend.
SNB ist gefordert
Die Deviseninterventionen der SNB angesichts des starken Frankens sind absolut nachvollziehbar. Die expansive Geldpolitik der Nationalbank ist notwendig, um die Wirtschafts- und Preisentwicklung zu stabilisieren. Die mit einem weiter stark aufwertenden Franken noch günstigeren Importe würden das Preisniveau nochmals derart senken und die Konjunktur noch stärker drücken, dass die SNB das Inflationsziel noch deutlicher verfehlen würde.
Der SNB zum Verhängnis werden ausgerechnet ihre Negativzinsen. Weil der Zinsspielraum gegen unten ausgeschöpft ist, verbleiben ihr die Deviseninterventionen als effiziente und wirksame Mas-snahme einer expansiven Geldpolitik. Im Corona-Frühling 2020 musste sie dann besonders stark intervenieren, um den Franken einigermassen zu stabilisieren. Der fehlende Spielraum ist teilweise darauf zurückzuführen, dass 2018 der Zeitpunkt für den Ausstieg aus den Negativzinsen nicht genutzt wurde.
Wirtschaftspolitische Tipps vom US-Treasury
Gemäss US-Treasury sind Deviseninterventionen nicht alternativlos. Probieren solle es die Schweiz mit einem QE-Programm, mit einer Aufweichung der Schuldenbremse und mit einer Steigerung der Erwerbsquote. Letzteres heisst im Klartext: Schluss mit Teilzeitarbeit und Erhöhung des Rentenalters zur Erhöhung des Potentialwachstums. Es ist an den Amerikanern darzulegen, dass sie damit den Stein der Weisen gefunden haben.
Der Omnibus Trade and Competitiveness Act of 1988 sieht für Devisensünder einen intensivierten bilateralen Austausch zur Wirtschaftspolitik und sogar Strafen vor. Wenn nun die Behörden signalisieren, sie seien im Kontakt mit amerikanischen Stellen, um Verständnis für die wirtschaftspolitischen Besonderheiten der Schweiz zu erwirken, dann ist dies vermutlich bereits Teil des intensivierten Austauschs. Es ist nicht klar, ob dieser Austausch stattgefunden hat, bevor die Schweiz auf die Liste gesetzt wurde.
Zeit, aus der Defensive zu treten
Ein Reputationsschaden ist angerichtet. Nun gilt es, einen noch grösseren Schaden in Form von Handelszöllen oder anderen Strafen abzuwehren. Da sich die Schweiz objektiv betrachtet nichts vorwerfen lassen kann, bietet der von den USA verhängte intensive Austausch zur Wirtschaftspolitik die Chance für die Schweiz, die Situation gegenüber den US-Behörden mit Selbstbewusstsein und Nachdruck zu vertreten.
Vor allem wäre es der richtige Moment für die USA, vom regelbasierten Box-ticking bei drei Kriterien zu einer prinzipienbasierten Diskussion überzugehen, welche die wirtschaftlichen Zusammenhänge überhaupt erst richtig berücksichtigen kann.
Aufgrund der hohen Abhängigkeiten der SNB und den Nebenwirkungen einiger ihrer Politikentscheidungen, wäre es wünschbar, dass bei internationalen Treffen die energische Verteidigung der Interessen der Schweiz sichtbar wird. Die Öffentlichkeit muss sich darauf verlassen können, die SNB dies ebenso vehement angeht wie die Unterhändler in Brüssel bei den Verhandlungen des institutionellen Rahmenabkommens. Wertvolle Schützenhilfe bei Janet Yellen sollte von BIZ und IWF kommen.