In ihrem Bericht zur Finanzstabilität stellt die Schweizerische Nationalbank den Banken in der Schweiz ein gutes Zeugnis aus. Dank ihren hohen Kapitalpuffern können sie auch negative Auswirkungen der Coronakrise gut wegstecken. Die langfristige Herausforderung bleibe jedoch die Profitabilität, schreibt Martin Hess von der Schweizerischen Bankiervereinigung.
Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Gute Neuigkeiten aus der Schweizerischen Nationalbank (SNB). In ihrem jährlichen Finanzstabilitätsbericht attestierte sie vergangene Woche sowohl den Grossbanken wie auch den inlandorientierten Banken Krisenfestigkeit. Als unmittelbare Folge der Coronakrise dürften sich allerdings vermehrt Ausfälle bei Firmenkrediten bemerkbar machen. Gemäss SNB können die Banken solche dank ihren hohen Kapitalpuffern gut verkraften.
Sie seien so umfangreich, dass sie gemäss Stresstests noch deutlich schlechtere Entwicklungen als im erwarteten Basisszenario abfedern könnten.
Kapitalaufbau nach der Finanzkrise
Die SNB zeigt dabei auf, dass insbesondere ein krisengetriebener Preiseinbruch bei den Eigenheimen eine deutliche Verschlechterung des Hypothekarportfolios der Banken darstellen könnte. Aber selbst bei einem solchen sehr negativen realwirtschaftlichen Szenario blieben die Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der inlandorientierten Banken sehr beschränkt.
Insgesamt stärkt die SNB somit den Banken den Rücken und weist auf die Bedeutung des Kapitalaufbaus nach der Finanzkrise hin.
Wie in einer derart tiefen Rezession nicht anders zu erwarten ist, dürfte sich auch der Geschäftsgang der Banken negativ entwickeln und dabei auf die Profitabilität drücken. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Wettbewerbsintensität und des Rückgangs des Preis- und Zinsniveaus dürften vor allem Banken mit bedeutendem Hypothekargeschäft die weiter sinkende Zinsmarge spüren (vgl. nachstehende Grafik).
Zudem würde eine mögliche Korrektur der Wertpapierpreise den Wert der verwalteten Vermögen verringern. Die damit verbundene Unsicherheit könnte auch die Nachfrage nach Kunden- und Kapitalmarkttransaktionen senken. Dies wiederum würde sich in geringeren Erträgen aus der Vermögensverwaltung und dem Investment Banking niederschlagen und die Profitabilität der Banken weiter senken.
Insgesamt zeigt sich die SNB beunruhigt in Bezug auf die tiefe Profitabilität, die in einer entsprechenden Analyse auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) untersucht wurde. In seinem Global Financial Stability Report zeigt sich der IWF besorgt, dass die Banken in Kontinentaleuropa und Japan im Gegensatz zu Ihren angelsächsischen Mitbewerbern kaum ihre Kapitalkosten zu decken vermögen (vgl. nachstehende Grafik).
Dies behindere den Kapitalaufbau und die Widerstandsfähigkeit der Bankinstitute. Besonders besorgt zeigt sich der IWF, dass bei den ökonomischen Rahmenbedingungen auch in absehbarer Zukunft keine Trendwende zu einer Erhöhung der Profitabilität abzeichnet.
Klimarisiken berücksichtigt, andere Risikoquellen fehlen
Erfreulich am diesjährigen SNB-Finanzstabilitätsbericht ist die systematischere und breitere Aufarbeitung der verschiedenen Typen von Risiken. Den Klimarisiken widmet die SNB sogar einen eigenen Abschnitt. Damit greift sie bereits gewissen Anliegen an das totalrevidierte CO2-Gesetz vor, das sich gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung befindet.
In anderen Bereichen greift die Analyse der SNB jedoch zu kurz. Bereits letztes Jahr bemängelte die Schweizerische Bankiervereinigung in einem Diskussionspapier, dass der ausschliessliche Fokus auf die Banken im heutigen Umfeld zu eng ist. Die SNB nimmt die Erfahrungen aus vergangenen Finanzkrisen als Richtschnur zur Schwerpunktsetzung des Stabilitätsberichts. Dies greift zu kurz.
Rolle der Pensionskassen im Hypothekarmarkt
In kurzer Zeit haben Marktverschiebungen und die technologische Entwicklung zu neuen Quellen für systemisches Risiko geführt. Potenziell stabilitätsrelevante Auswirkungen von Nichtbanken, Cyberbedrohung und Kryptowährungen sind auch in der diesjährigen Ausgabe des Stabilitätsberichts nicht aufgearbeitet. So wird beispielsweise die Rolle von Pensionskassen und Versicherungen im Hypothekarmarkt nicht beleuchtet.
Im Vergleich zum letztjährigen Bericht, in dem das rasche Geschäftswachstum der Nichtbanken ausgewiesen wurde, ist dies ein Rückschritt. Damit fehlen auch wichtige Elemente für das Verständnis, wieso sich der Hypothekarmarkt im Ungleichgewicht befinden soll.
Trumpf für die Standortattraktivität
Gerade in einer zunehmend volatileren Welt ist Finanzstabilität mehr denn je ein Trumpf des Finanzplatzes Schweiz. Dies zeigt sich eindrücklich in der anhaltenden Coronakrise, welche den Banken in der Schweiz kaum tiefgreifende Stabilitätsrisiken einbringen dürfte.
Für die Erfüllung des Mandats der SNB zur Stabilität des Finanzsystems bedarf es der Analyse aller aktuellen und in naher Zukunft potentiell relevanten Risikoquellen. Erst deren sichtbarer Einbezug erlaubt eine zielgerichtete Stabilitätspolitik. Diese Anstrengungen dienen der Reputation und der Standortattraktivität des Finanzplatzes Schweiz.